Ukraine-Expertise Universität Viadrina forscht und lehrt zu aktuellen Krisen
Drei Tage ist der neue Präsident der Europa-Universität Viadrina Eduard Mühle erst in Frankfurt (Oder), setzt aber bereits Themenschwerpunkte bei Lehre und Forschung. Dazu gehören auch die Ukraine und die ökologische Katastrophe in der Oder.
Frankfurt (Oder) - Die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) will aktuelle Krisen wie die Lage in der Ukraine oder auch die ökologische Katastrophe in der Oder stärker in Lehre und Forschung abbilden. Entsprechende Seminare und öffentliche Veranstaltungen, aber auch Forschungsprojekte sollen dazu stattfinden, wie es von der Einrichtung am Mittwoch hieß. Es geht dabei auch um Wissenstransfer und das Sichtbarmachen von Themen. Der neue Uni-Präsident Eduard Mühle will die Einrichtung auch vor dem Hintergrund der gesunkenen Zahl der Studierenden attraktiver machen.
Zum Sommersemester will die Universität eine Vielzahl öffentlicher Veranstaltungen zum Thema Ukraine anbieten. Es geht um historische Perspektiven und die Entwicklungen in dem Land. Ukrainische Studierende und Wissenschaftler sollen weiter unterstützt werden, kündigte Mühle an.
Durch Förderprogramme sollen einige Stipendien an ukrainische Forschende und Studierende vergeben werden könnten, wie Mühle erläuterte. Am 27. April wird er seine Antrittsrede halten. Darüber hinaus würden Kooperationen mit der Ukraine ausgebaut - so weit es möglich sei. „Es wird darauf ankommen, dass wir national und international die Kräfte bündeln, auch über Netzwerke“, sagte der Osteuropahistoriker. Dafür könne die Universität mit ihrer Ausrichtung auf Osteuropa eine koordinierende, antreibende Rolle spielen. Zu Kooperationspartnern in der Ukraine zählen die Nationale Universität Kiew-Mohyla-Akademie, die Kyiv School of Economics und die Karasin-Universität Charkiw.
Im Januar hatten Studierende auf Initiative der Europa-Universität über einen Videostream mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj diskutiert, dessen Rede ins Deutsche übersetzt wurde. Hunderte Studierende kamen für die Veranstaltung in Hörsälen der Berliner Humboldt-Uni und der Europa-Uni zusammen. An der Viadrina lernen derzeit 150 Studierende aus der Ukraine, 15 Gastwissenschaftler arbeiten in der Einrichtung.
Mühle unterstützt auch eine Idee von Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD), die sich für ein Ukraine-Zentrum in Frankfurt (Oder) stark macht. Die Europa-Universität sei ein kompetenter Partner für ukrainische Einrichtungen, sagte der Präsident. Sie werde zwar nicht das Zentrum der Ukraine-Forschung werden, könne aber mit ihrer Expertise das Thema sichtbarer machen und es so mehr in Politik und Gesellschaft tragen.
Ein weiteres eher regionales Thema wollen Forschende in eine internationale Diskussion einbinden: das deutsch-polnische Management der ökologischen Krise in der Oder. Für eine Analyse wollen Politikwissenschaftlerin Anja Hennig und ihre Studierenden auch mit dem polnischen Botschafter und Nichtregierungsorganisationen aus dem Umweltbereich sprechen. Ergebnisse sollen öffentlich gemacht werden. Auch die Frage, ob die Oder einen Rechtsstatus bekommen soll, wird an der Uni wissenschaftlich beleuchtet. Es gehe um einen legalen Rahmen, um das Ökosystem und Flüsse zu schützen, erklärte Kultursoziologin Estela Schindel.
Der Uni-Präsident sieht trotz des vielseitigen Angebots an Forschungs-und Lehrthemen noch große Herausforderungen für die kommenden Jahre, um wieder mehr Studierende an die Uni zu holen. Derzeit gibt es über 4000 Studierende, zum Sommersemester wird es laut Mühle im Vergleich zum Vorjahr einige Hundert weniger geben. Gründe für den Rückgang gebe es viele, stellte er dar. Nun müsse an verschiedenen Stellschrauben gedreht werden. Unter anderem sei an der Uni eine Aquise-Abteilung eingerichtet worden. „Wir wollen als Viadrina noch attraktiver werden für Studierende, mit entsprechenden Lehrangeboten.“
Die Uni sei eine kleine Einrichtung, in der die Beziehung zwischen Studierenden und Lehrenden eine andere sei als etwa an großen Universitäten. Dieser Vorteil müsse mehr herausgestellt werden, so Mühle. Mit der Stadt werde weiter gut zusammengearbeitet, damit der Standort auch für junge Menschen noch attraktiver werde. Auch die stabile Taktung der Bahnverbindung für Studierende aus Berlin, die nach Frankfurt (Oder) fahren, spielt seiner Ansicht nach eine Rolle.