1. Startseite
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Oberösterreich: Wow, Strudengau! Landschaft zum Niederknien - wandern geht auch

Oberösterreich Wow, Strudengau! Landschaft zum Niederknien - wandern geht auch

Entdeckung eines versteckten Juwels mit dem ältesten bürgerlichen Theater des Landes.

Von Axel Ehrlich Aktualisiert: 11.07.2025, 17:03
Üppige Wiesen, sanfte Hügel, Alpenpanorama und Abendrot: Fast zu kitschig, aber wahr. Das ist die Landschaft am Strudengau.
Üppige Wiesen, sanfte Hügel, Alpenpanorama und Abendrot: Fast zu kitschig, aber wahr. Das ist die Landschaft am Strudengau. Fotos: Axel Ehrlich

Los, wir fahren in den Strudengau? Struden-was? Schade eigentlich, dass außerhalb von Oberösterreich nur sehr wenige mit dieser uralten geografischen Bezeichnung etwas anfangen können. Wir haben den Strudengau kurzerhand zum Urlaubs-Forschungsprojekt erklärt. Und uns Knall auf Fall verliebt. In die Gegend, die Natur und die Menschen.

Erstens: Der Name. Man sagt, Struden kommt von Strudel. Die gab es hier auf dem Abschnitt der Donau schon immer und reichlich. Irgendwie sind diese Strudel auch Grund für den Wohlstand einer ganzen Region. Dazu gleich.

Grein ist mein ganzes Herz

Hauptstadt der Gegend ist das bezaubernde Grein. Putzig-winzige Altstadt, insgesamt rund 3.000 Einwohner. „Grein“ kommt angeblich von Greinen (Weinen, Schluchzen) - das hat mit den Strudeln, also Struden (siehe oben) zu tun: Die Kaufleute, die per Schiff ihre Waren auf der Donau transportierten, fürchteten die gefährlichen Stromschnellen, hatten Angst, dass ihr Kahn samt kostbarer Fracht an irgendeinem Felsen zerschellt - was auch immer mal wieder passierte. Die schlauen Greiner, die hier jeden Quadratzentimeter ihres Flusses kannten, boten ihre Dienste als Lotsen an. Außerdem vermieteten sie Treidelpferde, welche die Schiffe gegen die starke Strömung donauaufwärts zogen. Eiskalte VersuchungDirekt am Donauufer ist immer was los. Hier treffen sich Wanderer, Radler vom Donauradweg und an Schönwetter-Wochenenden Motorrad-Cliquen aus gefühlt ganz Österreich. Insbesondere letztere antworten auf die Frage, wieso ausgerechnet Grein? “Des Eis.“

Eiskalte Versuchung

„Des Eis“ gibts beim Schörgi. Insgesamt rund 90 Sorten. Mühlviertler Waldfrucht, Erdbeer-Rhabarber, Joghurt-Mohn… „Alles selbst gemacht und nur Naturprodukte“, sagt Senior-Chef Helmut Schörgi. Der Laden ist eine österreichische Konditorei-Legende. An einer Wand hängen die Auszeichnungen von renommierten Gastro-Führern von Gault Millau bis Falstaff. Bester Eissalon, Beste Konditorei Oberösterreichs, Die Goldene Kaffeebohne. „Den Leuten scheint es zu schmecken“, sagt Helmut Schörgi. Das klingt bescheiden und gleichzeitig ziemlich stolz… Infos zum Unternehmen gibt es unterwww.schoergi.atSo ein TheaterEin paar Höhenmeter weiter liegt der mindestens genauso stolze Mini-Marktplatz von Grein. Hier erwartet uns eine veritable Kultur-Überraschung: Das historische Stadttheater - ältestes bürgerliches Theater Österreichs.

So ein Theater

Die Geschichte: 1780 hatten die Einwohner der Stadt richtig Lust auf Bühne. Sie bauten aus dem ehemaligen Rathaus und einem Getreidespeicher ihr eigenes Theater. 1791 hob sich zum ersten Mal der Vorhang. Der historische Theatersaal fasst 130 Plätze - und ist wohl weltweit der einzige mit einem eigenen Knast. Der sogenannte Karzer war noch aus Rathaus-Zeiten erhalten geblieben. Hier saßen immer wieder kurzzeitig Klein-Ganoven ein. Aus dem Zellenfenster konnten sie direkt auf die Bühne schauen und so gratis etwas für ihre kulturelle Bildung tun. Zudem bekamen die Insassen von den Theaterzuschauern immer mal wieder ein paar Zigaretten oder auch ein Stück Brot zugesteckt. Weshalb der Karzer von Grein bei den Delinquenten gar nicht mal so unbeliebt war.

Heute befindet sich in dem Raum der Kostümfundus des Theaters. Gleich nebenan gibt es das historische Plumpsklo, auch mit Blick auf die Bühne. Vielleicht erklärt das die Bezeichnung “Sch…-Stück“ für weniger gelungene Aufführungen.Eine Erklärung liefert das Stadttheater für das Wort „Sperrsitz“, früher die ersten paar, eher unbequemen, dafür billigen Reihen im Kino. In Grein waren das die Sitzplätze der Abonnenten. Zur Dauerkarte gab es einen Schlüssel, mit dem sich die Sitzfläche hochklappen und absperren ließ. Damit kein Fremder auf dem teuer bezahlten Abo-Sitz Platz nahm. Alle Infos zum Theater gibt es unter www.stadttheater-grein.atBurg-Vergnügen Auf einem Felsen hoch über der Donau thront das Schloss Greinburg - es ist eng verbunden mit der Geschichte des europäischen Hochadels. 1823 erwarb Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha Schloss und Herrschaft Greinburg. Ihn beerbten seine Söhne Ernst II. und Albert, Prinzgemahl der britischen Königin Victoria, sodass nach dem frühen Tod ihres Gemahls auch Queen Victoria Miteigentümerin von Schloss Greinburg wurde. Der Aufstieg durch den Park mit uraltem Baumbestand lohnt schon wegen der beeindruckenden Repräsentationsräume wie dem Rittersaal und der Sala terrena, einer künstlichen, mit Kieselsteinen und Muscheln ausgemauerte Grotte.

Rendezvous mit Bryan Adams

Gleich um die Ecke noch ein Höhepunkt: Burg Clam ist einer der beliebtesten Plätze für Open Air-Konzerte. Historisches Gemäuer mit Park und Donau-Blick: Vermutlich wegen dieser besonderen Atmosphäre kommen Stars wie zuletzt Sting, Bryan Adams oder Billy Idol immer wieder so gern nach Clam. Mehr Infos unter www.clamlive.atAlm-AbenteuerJetzt noch was für die Wadln: Per E-Bike über die Mondstein-Runde in die Greiner Umgebung. Etwa 30 Kilometer lang, 500 Höhenmeter rauf und irgendwie auch wieder runter. Über kurvige Waldstraßen und üppig blühende Wiesen. Am Wegesrand winzige Kapellen und urige Bauernhöfe, Streuobstwiesen mit Insektengesumm, Heuduft. Und immer wieder Ausblicke zum Niederknien schön.

Zwischenstopp auf der Speckalm. Bei Tanja und Michael Gaßner gibt es selbstgemachten Birnenmost, frisch gebackenes Brot direkt aus dem Holzofen. Dazu luftgetrockneten Schinken und einen fantastischen Apfelstrudel. Und noch ein, zwei Birnenmost. Mehr Infos unter www.speck-alm.atGanz schön gesundSatte Bauernwiesen, einsame Höfe. Grillen zirpen. Es duftet würzig nach Gras und Kräutern. Hoch über dem Donautal hat die Natur einen fantastischen Südbalkon angelegt. Mit Mega-Aussicht auf das Alpenpanorama - auf einen Blick alle Gipfel vom Ötscher im Osten bis zum Dachstein im Westen.

Die Marktgemeinde Bad Kreuzen (2400 Einwohner) hat üppige 100 Kilometer Wanderwege. Wer es richtig gesund will, baut die Wolfsschlucht in seine Tour mit ein. Der Badbach strudelt über Steine und kleine Wasserfälle. Wer mag, watet ein Stück mit der oder gegen die Strömung durch das kristallklare Wasser, das zumindest gefühlt selten wärmer als sechs Grad ist.

Heilkraft des Wassers

Als der berühmte Pfarrer Sebastian Kneipp im 19. Jahrhundert im Allgäu die nach ihm benannte Kur erfand, war das mit dem kalten Wasser und seinen Heilkräften in Bad Kreuzen, das bis 1972 nur Kreuzen hieß, längst ein alter Hut. Was wir heute Wellness nennen, wurde vermutlich also rund um Bad Kreuzen erfunden.

Star-Komponist Anton Bruckner (1824-1896) würde das sicher bestätigen. Er war 1867 wegen Burnout in Kreuzen - der Aufenthalt gefiel ihm so gut, dass er im Jahr darauf gleich nochmal hierher kam. Seit 1846 gibt es hier offiziellen Kurbetrieb - natürlich dreht sich alles ums Wasser.

Wie im Curhaus, betrieben vom Orden “Schwestern vom Karmel“. Es gibt einen Naturschwimmteich mit, klar, kaltem Wasser, ganz viele gesunden Anwendungen der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM) und - sehr viel Herz. Dafür sorgen auch die fünf Schwestern des Marienordens, inzwischen alle jenseits der 75. Lebenserfahrung, positive Energie und eine unaufdringlich-entspannte Form der Spiritualität - wer mag, kann sich mit Schwester Christiane und ihren Kolleginnen über Gott und die Welt unterhalten.

Curhaus-Chef Friedrich Kaindlstorfer ist besonders stolz auf Österreichs größten Kneipp- und Kräutergarten gleich hinter dem Haus: “Wir machen hier alles selbst: anbauen ernten und trocknen“. Alle Infos zum Curhaus gibt es unter www.curhaus.at

Ergänzung zu kaltemWasser und Kräutertee: Abends bei einem eiskalten Bier, Spargelsuppe, Kalbsbraten oder Wiener Schnitzel auf der Terrasse vom “Gasthof zur Zugbrücke“ sitzen. Mit Einheimischen quatschen und den wenigen Traktoren und Autos, die über die Dorfstraße rumpeln, nachschauen. Irgendwann nach dem nächsten oder übernächsten Bier den Heimweg antreten und später sehr zufrieden einschlafen.

Der Strudengau ist so ziemlich das Gegenteil einer touristisch durchoptimierten Destination, wie man sie vielleicht in Tirol findet oder am Wörthersee. Hier ist alles irgendwie unaufgeregt, ursprünglich, normal. Finden auch viele Einheimische. Weshalb sie zumindest einen Teil ihres Urlaubs am liebsten vor der Haustür im Strudengau verbringen. „Wir haben doch hier alles“, sagt Speckalm-Wirtin Tanja. Recht hat sie.Axel Ehrlich

Foto: Axel Ehrlich
Foto: Axel Ehrlich
Axel Ehrlich
Foto: Axel Ehrlich
Foto: Axel Ehrlich
Axel Ehrlich
Curhaus-Chef Friedrich Kaindlstorfer ist stolz auf seine Kräuter.
Curhaus-Chef Friedrich Kaindlstorfer ist stolz auf seine Kräuter.
Axel Ehrlich