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"Geheimdienstagenten"Fall Khashoggi: Zeitung nennt angeblichen Hauptverdächtigen

Nach dem Verschwinden des saudischen Regimekritikers Khashoggi haben Ermittler die Spurensuche in Konsulat und Residenz des Konsuls abgeschlossen. Aber das heißt offenbar nicht, dass die Geheimniskrämerei der türkischen Regierung aufhört.

18.10.2018, 20:44
Vor der saudischen Botschaft in Washington zeigen Demonstranten Plakate mit dem Bild des in der Türkei vermissten Journalisten Jamal Khashoggi. Foto: Jacquelyn Martin/AP
Vor der saudischen Botschaft in Washington zeigen Demonstranten Plakate mit dem Bild des in der Türkei vermissten Journalisten Jamal Khashoggi. Foto: Jacquelyn Martin/AP AP

Istanbul/Washington (dpa) - Nach der mutmaßlichen Ermordung des saudischen Regimekritikers Jamal Khashoggi in Istanbul lanciert die türkische Regierung weitere Indizien, die den Verdacht auf das direkte Umfeld des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman lenken.

Die Regierungszeitung "Sabah" benannte in ihrer Donnerstagsausgabe in einem ganzseitigen Artikel den angeblichen "Kopf des Vollstreckungsteams". Der Mann habe den Kronprinzen Saudi-Arabiens auf seinen Reisen oft begleitet, hieß es in dem Artikel. Die "New York Times" hatte den Mann zuvor ebenfalls als häufigen Begleiter des Prinzen identifiziert. Er sei zum Beispiel in Madrid und Paris mit ihm aus dem Flugzeug gestiegen.

"Sabah" hat seit dem Verschwinden Khashoggis am 2. Oktober viele angebliche Erkenntnisse der türkischen Sicherheitskräfte veröffentlicht. Den angeblichen Verdächtigen, den sie auch mit Namen nennt, bezeichnet sie als "Geheimdienstagenten" und zeichnete anhand von Fotos seine Bewegungen in Istanbul nach. Der Mann sei an dem Tag, an dem Khashoggi verschwand um 3.38 Uhr morgens in Istanbul gelandet. Um 9.55 Uhr sei er im Konsulat gewesen.

Die Bilder in dem Beitrag stammen offenbar aus Sicherheitskameras und sollen den Saudi unter anderem beim Betreten des Konsulats, vor der Residenz des Konsuls, in einem Hotel und am Flughafen zeigen.

Khashoggi wollte am 2. Oktober im Konsulat Papiere abholen und ist seitdem verschwunden. Die türkischen Behörden gehen nach Medienberichten davon aus, dass er von einem aus Saudi-Arabien angereisten Spezialkommando getötet wurde.

Im Konsulat sowie in der Residenz des Konsuls hatten türkische Ermittler im Morgengrauen die Spurensuche nach Hinweisen auf den Tod Khashoggis abgeschlossen. Die Suche im Privathaus des Konsuls habe neun Stunden gedauert, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Danach seien die Teams noch einmal in das nahe gelegene Konsulat gegangen. Das war in der Nacht zum Dienstag schon einmal durchsucht worden.

Justizminister Abdülhamit Gül sagte Anadolu einige Stunden später, Ergebnisse würden bald erwartet. Das bedeutet allerdings offenbar nicht, dass sie auch öffentlich gemacht werden. Nach dem Justizminister meldete sich laut Anadolu auch der Staatsanwalt zu Wort. Die Ermittlungsresultate würden veröffentlicht, "wenn es nötig" sein sollte, hieß es in seiner Stellungnahme.

Türkische Behörden geben seit Tagen anonym Informationen an türkische und US-amerikanische Medien, die Saudi-Arabien belasten. In der Nacht hatte die "New York Times" berichtet, ein türkischer Behördenvertreter habe am Mittwoch eine grausige Audioaufnahme beschrieben. Aus der gehe hervor, dass Khashoggi schon Minuten nach Betreten des Konsulats enthauptet und zerstückelt worden sei. Die Mörder seien innerhalb von zwei Stunden wieder weg gewesen. Woher die türkische Regierung die Aufnahmen haben will, die anonyme Quellen seit Tagen zitieren, hat sie bis heute nicht schlüssig erklärt.

Die USA wollen ihrem Verbündeten Saudi-Arabien noch einige Zeit einräumen, um die Vorkommnisse aufzuklären. Das gab Außenminister Mike Pompeo am Donnerstag nach einem Treffen mit Präsident Donald Trump in Washington bekannt. Neben den Saudis ermittle auch die Türkei zu den Vorfällen, die sich im saudischen Konsulat in Istanbul am 2. Oktober zugetragen haben sollen. Pompeo war am Donnerstag von einer Reise nach Riad und Ankara zurückgekehrt, wo er mit der politischen Führung beider Länder zusammengekommen war.

Am Tag vor dem Pompeo-Besuch in Riad hatte Saudi-Arabien nach einem inzwischen bestätigten Bericht einen Betrag von 100 Millionen US-Dollar nach Washington überwiesen. Das Geld sei für die Syrien-Hilfe gedacht. Die USA wiesen jeden Zusammenhang mit dem Fall Khashoggi zurück.

Trump wird in den USA vorgeworfen, eine zu milde Linie gegenüber Saudi-Arabien zu verfolgen. Riad ist für Trump ein wichtiger Abnehmer von Waffenexporten.

Nach tagelanger Unsicherheit sagte nun auch US-Finanzminister Steven Mnuchin seine Teilnahme an einer großen Investoren-Konferenz in Saudi-Arabien ab. Er habe sich mit Trump und Pompeo in der Sache beraten, schrieb Mnuchin auf Twitter. Hintergrund ist das Verschwinden Khashoggis, für das die Führung in Riad verantwortlich gemacht wird.

Der US-Finanzminister reiht sich damit in eine große Zahl von Absagen aus Politik und Wirtschaft für die Konferenz ein, die zu den größten Wirtschaftstreffen der Welt gehört. Unternehmer wie der Brite Richard Branson haben ebenso abgesagt wie die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde. An der für den 23. Oktober geplanten Investorenkonferenz in der saudischen Hauptstadt wollen auch der niederländische Wirtschaftsminister Wopke Hoekstra, Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire und der britische Handelsminister Liam Fox nicht teilnehmen. Es sei "nicht die richtige Zeit" dafür, hieß es in einer Mitteilung der britischen Regierung.

Die "Washington Post" veröffentlichte am Mittwochabend (Ortszeit) den bislang letzten Beitrag Khashoggis. In einem Begleittext hieß es, dass man nicht mehr davon ausgehe, dass er noch am Leben sei. Die zuständige Redakteurin Karen Attiah schrieb, man habe mit der Veröffentlichung auf Khashoggis Rückkehr warten wollen, um den Text gemeinsam mit ihm zu redigieren. "Jetzt muss ich akzeptieren: Das wird nicht passieren. Das ist das letzte Stück von ihm, das ich für die "Post" redigieren werde." Die Überschrift von Khashoggis Kolumne lautet: "Was die arabische Welt am meisten braucht, ist freie Meinungsäußerung."

Türkischer Gerichtsmediziner am saudi-arabischen Konsulat. Foto: Emrah Gurel/AP
Türkischer Gerichtsmediziner am saudi-arabischen Konsulat. Foto: Emrah Gurel/AP
AP
Eingangstür des Konsulats von Saudi-Arabien in Istanbul. Der saudische Journalist Khashoggi hatte am 2. Oktober das Konsulat betreten, um Papiere abzuholen und ist seitdem verschwunden. Foto: Petros Giannakouris/AP
Eingangstür des Konsulats von Saudi-Arabien in Istanbul. Der saudische Journalist Khashoggi hatte am 2. Oktober das Konsulat betreten, um Papiere abzuholen und ist seitdem verschwunden. Foto: Petros Giannakouris/AP
AP
Jamal Khashoggi lebte zuletzt im Exil in den USA und schrieb auch für die «Washington Post». Foto: Hasan Jamali/AP
Jamal Khashoggi lebte zuletzt im Exil in den USA und schrieb auch für die «Washington Post». Foto: Hasan Jamali/AP
AP