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2-Prozent-Ziel "unrealistisch" Nato-Treffen: Deutschland geht auf Konfrontationskurs zu USA

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel nimmt bei seinem ersten Nato-Treffen kein Blatt vor den Mund. Beim Bündnispartner USA dürften die Äußerungen aber nicht besonders gut ankommen. Kollegin von der Leyen grätscht dazwischen und warnt vor einem "deutschen Sonderweg".

31.03.2017, 17:11

Brüssel (dpa) - Deutschland geht innerhalb der Nato offen auf Konfrontationskurs zu den USA. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel machte am Freitag bei einem Bündnistreffen in Brüssel deutlich, dass die Bundesrepublik ihre Verteidigungsausgaben nicht so stark erhöhen wird wie von einigen Partnern gefordert.

"Ich halte es für völlig unrealistisch zu glauben, dass Deutschland einen Militärhaushalt von über 70 Milliarden Euro pro Jahr erreicht", sagte der SPD-Politiker. "Ich kenne keinen Politiker in Deutschland, der glaubt, dass das in unserem Land erreichbar oder auch nur wünschenswert wäre."

Gabriel wies auch darauf hin, dass kein anderer Staat von Deutschland einfordern könne, bis 2024 mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigung auszugeben. Das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel gebe es nicht, sagte Gabriel. Beim Nato-Gipfel in Wales sei lediglich vereinbart worden, sich in diese Richtung zu entwickeln. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kritisierte Gabriels Äußerungen: "Das klingt schon wieder sehr nach einem "Deutschen Sonderweg"", bemängelte sie.

US-Außenminister Rex Tillerson machte erneut deutlich, dass sein Land den Richtwert als verbindliches Ziel ansieht. "Alliierte, die noch keinen konkreten Plan haben, wie sie bis 2024 zwei Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben wollen, müssen einen erstellen", sagte er laut Redemanuskript bei den Beratungen. Bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs Ende Mai solle dies aus Sicht der USA festgeschrieben werden.

Verteidigungsminister James Mattis hatte im Februar gedroht, die USA könnten ihr Engagement in der Nato zurückfahren, sollten die Verbündeten ihre Verteidigungsausgaben nicht deutlich erhöhen.

Am Freitag traf sich Mattis in London mit dem britischen Verteidigungsminister Michael Fallon, der die US-Forderungen unterstützt. "Wir wollen, dass die anderen Länder ihren gerechten Anteil tragen. Zum Beispiel wollen wir sie dazu bringen, sich auf jährliche Erhöhungen festzulegen und das Zwei-Prozent-Ziel in ihren Regierungsprogrammen festzuschreiben", sagte Fallon.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und von der Leyen hatten es bislang vermieden, in der Öffentlichkeit deutlich zu sagen, dass eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des BIP in Deutschland unrealistisch sei. Sie betonen stattdessen immer wieder, dass die USA aus ihrer Sicht vollkommen zu Recht eine gerechtere Lastenverteilung fordern, und unterstreichen, Deutschland wolle sich an die Vereinbarungen des Gipfeltreffens in Wales halten.

Dabei bleibt unerwähnt, dass es in der Gipfelerklärung von Wales lediglich vage heißt, man wolle "darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von 2 Prozent zuzubewegen", um die "Nato-Fähigkeitenziele zu erreichen und Fähigkeitslücken der Nato zu schließen".

Mit Spannung wird nun erwartet, wie der Streit um die "zwei Prozent" im Bundestagswahlkampf thematisiert wird. Regierungssprecher Steffen Seibert wollte nicht von Differenzen innerhalb der Koalition sprechen. "Wir sind uns als Bundesregierung einig, und auch das hat der Außenminister ja mehrfach gesagt, uns entsprechend unserer in der Nato abgegebenen Verpflichtungen zu verhalten", erklärte er in Berlin. Es gebe keine bindende Zwei-Prozent-Verpflichtung, Konsens in der Bundesregierung sei: "Es gibt die gemeinsame Verabredung der Nato-Partner, und zu der stehen wir, uns auf diese zwei Prozent zuzubewegen. Wir liegen derzeit bei 1,2 Prozent."

Jüngsten Zahlen zufolge geben bislang neben den USA lediglich Griechenland, Estland, Großbritannien und Polen mindestens zwei Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus. Deutschland liegt trotz deutlich steigender Verteidigungsausgaben nur bei 1,2 Prozent (2015: 1,18 Prozent). Das liegt auch daran, dass sich eine Ausgabenerhöhung nur dann deutlich positiv auf die Quote auswirkt, wenn sie klar das Wirtschaftswachstum übertrifft.

Gabriel verwies am Freitag auch darauf, dass Folgekosten von Militäreinsätzen bislang nicht mitkalkuliert werden. "Wir Deutschen geben derzeit eine Menge Geld dafür aus, Flüchtlinge aufzunehmen, die kommen, weil Militärinterventionen fehlgeschlagen sind - weil es keine Stabilisierung danach gegeben hat", sagte er mit Blick auf die Lage in Ländern wie Libyen und dem Irak. Deutschland wolle mehr für Verteidigung tun - aber gleichzeitig dafür sorgen, dass Sicherheit nicht auf Verteidigungsausgaben reduziert werde. "Mehr Geld schafft noch nicht mehr Sicherheit."

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