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Krisengespräch per Video Nordirland nach dem Brexit: Brüssel und London suchen Lösung

Die Brexit-Regeln für die einstige Unruheprovinz Nordirland erweisen sich als schwierig. Dann goss auch noch die EU Öl ins Feuer. London drängt nun auf Nachverhandlungen - Brüssel hält dagegen.

03.02.2021, 21:55
Peter Morrison
Peter Morrison AP

London/Brüssel (dpa) - Nach tagelangem Streit zwischen London und Brüssel über die Brexit-Schwierigkeiten in Nordirland will der zuständige EU-Kommissar Maros Sefcovic in der kommenden Woche zu Gesprächen in die britische Hauptstadt reisen.

Das geht aus einer gemeinsamen Mitteilung nach einer Online-Krisensitzung hervor. Beide Seiten bekannten sich darin sowohl zum Friedensprozess in der ehemaligen Bürgerkriegsregion als auch zur "korrekten Umsetzung" des im Brexit-Abkommen vereinbarten Nordirland-Protokolls. Nach einer "konstruktiven Diskussion zwischen allen Parteien", werde man umgehend intensiv daran arbeiten, Lösungen für alle ausstehenden Fragen zu finden, hieß es in der Mitteilung.

Bei der Videoschalte am Mittwochabend hatte sich Sefcovic mit seinem britischen Gegenüber, Staatsminister Michael Gove, sowie den Chefinnen der beiden Regierungsparteien in Nordirland, Arlene Foster (DUP) und Michelle O'Neill (Sinn Fein), ausgetauscht.

Zum aktuellen Hintergrund gehört der Konflikt um Corona-Impfstoffe. Die EU-Kommission hatte sich vergangene Woche viel Ärger eingehandelt, als sie sich in einem Dokument zur Überwachung von Impfstoffexporten auf eine Notfallklausel im Brexit-Abkommen berief. Artikel 16 des sogenannten Nordirland-Protokolls erlaubt es, die Regeln zur Vermeidung einer offenen Grenze zwischen EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland vorübergehend außer Kraft zu setzen.

Zwar wurde dieser Schritt umgehend rückgängig gemacht, doch die Empörung in Großbritannien war enorm. Selbst Dublin war nicht eingeweiht und zeigte sich entsprechend irritiert.

Das Nordirland-Protokoll im britischen EU-Austrittsvertrag sieht vor, dass die britische Provinz faktisch weiter zum EU-Binnenmarkt gehört. Das soll Kontrollen an der Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Staat Irland verhindern. Dafür müssen Warentransporte aus dem übrigen Vereinigten Königreich nach Nordirland zum Teil kontrolliert werden. Um Probleme etwa bei der Lebensmittelversorgung zu vermeiden, gilt derzeit eine mehrmonatige Übergangsphase mit weniger umfassenden Kontrollen. Trotzdem klagen viele Unternehmen über Schwierigkeiten beim Handel zwischen Großbritannien und Nordirland. Teilweise blieben Supermarktregale leer.

Vor dem Hintergrund des Impfstoffstreits fordert die britische Regierung jedoch nun, die Abmachungen umfassend zu überarbeiten. Staatsminister Gove forderte in einem am Mittwoch veröffentlichten Schreiben an Sefcovic unter anderem eine Verlängerung von Übergangsklauseln um mindestens zwei Jahre.

Der britische Premierminister Boris Johnson hatte im Parlament angekündigt, "alles zu tun, was es bedarf", um Hindernisse für den Handel zwischen Großbritannien und Nordirland zu verhindern.

"Die Regeln, die derzeit für Supermärkte und ihre Zulieferer gelten, müssen bis mindestens 1. Januar 2023 verlängert werden", schrieb Gove. Auch für andere Güter, die besonderen Bestimmungen unterliegen - etwa gekühlte Fleischprodukte, Arzneimittel und Pakete - müssten die Übergangsphase verlängert beziehungsweise dauerhafte Regelungen gefunden werden. Nordirische Befürworter der Union mit Großbritannien hatten die Hürden kritisiert und dagegen protestiert. Wegen Gewaltdrohungen wurden Kontrollen in den vergangenen Tagen vorerst ausgesetzt.

"Was nun gebraucht wird, sind politische, keine technischen Lösungen", schrieb Gove. Die Stabilität des Friedens in Nordirland und die Menschen dort müssten in jedem Fall geschützt werden. Sollte sich die EU den Forderungen nicht beugen, werde man "die Anwendung aller zur Verfügung stehenden Mittel erwägen", so Gove weiter.

Dem irischen Sender RTÉ gegenüber betonte Sefcovic nach dem Gespräch, es solle nun keine Nachverhandlung des erst vor sechs Wochen beschlossenen Abmachungen geben. Wenn London die im vorgesehen Maßnahmen maximal umsetze, "würden alle Probleme, über die wir heute sprechen, wirklich gelöst werden" so der EU-Kommissar.

© dpa-infocom, dpa:210203-99-291358/3