1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Politische Krise in Israel: Dritte Wahl binnen eines Jahres

Parlament löst sich auf Politische Krise in Israel: Dritte Wahl binnen eines Jahres

Israel steckt politisch in der Sackgasse, die Krise ist beispiellos. Die sozialen Gräben vertiefen sich und die Wirtschaft leidet. Ob die dritte Wahl in einem Jahr eine Lösung bietet, ist jedoch zweifelhaft.

Von Sara Lemel und Stefanie Järkel, dpa 12.12.2019, 12:21
Arne Immanuel Bänsch
Arne Immanuel Bänsch dpa

Jerusalem (dpa) - Israel findet keinen Ausweg aus der schwersten politischen Krise seiner Geschichte. Das Parlament in Jerusalem stimmte am frühen Morgen für seine Auflösung, nachdem Bemühungen um eine Regierungsbildung zum zweiten Mal in Folge gescheitert waren.

Die dritte Wahl binnen eines Jahres wurde nun für den 2. März 2020 festgesetzt, wie das Parlament mitteilte. "Schande", lautete am Donnerstag die Schlagzeile von "Jediot Achronot", Israels auflagenstärkster kostenpflichtiger Zeitung, angesichts des immensen politischen und wirtschaftlichen Schadens der fortwährenden Krise.

Experten befürchten, dass ein schmutziger Wahlkampf die Gräben in der israelischen Gesellschaft im kommenden Jahr noch weiter vertiefen wird. Der Wahlkampf dürfte sich vor allem um die Korruptionsvorwürfe gegen den rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu (Likud) drehen. "Es gibt nur drei Gründe für diese Neuwahl: Bestechlichkeit, Betrug und Untreue", sagte Jair Lapid vom oppositionellen Mitte-Bündnis Blau-Weiß am Mittwochabend im Parlament. Er bezog sich dabei auf die Anklagepunkte gegen Netanjahu.

Der Regierungschef steht massiv unter Druck, weil Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit ihn wegen Korruption anklagen will. Bei den Vorwürfen geht es um den Verdacht der Beeinflussung von Medien, angeblich krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten.

Angesichts der Anklage will Netanjahu bis Anfang kommenden Jahres vier Ministerämter niederlegen - Gesundheit, Soziales, Landwirtschaft und Diaspora - die er parallel zu seinem Posten als Regierungschef innehatte.

Netanjahus Gegner - wie Blau-Weiß-Chef Benny Gantz - werfen ihm vor, er wolle einen Prozess mit aller Macht verhindern und habe inzwischen das ganze Land "als Geisel genommen". Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman sprach sich am Donnerstag für eine Begnadigung Netanjahus im Gegenzug für dessen Rückzug aus dem politischen Leben aus. Nach Umfragen wird Lieberman auch bei der kommenden Wahl Zünglein an der Waage zwischen Netanjahus Likud und dem Mitte-Bündnis Blau-Weiß.

Schon zwei Wahlen in diesem Jahr gingen jeweils unentschieden zwischen dem rechts-religiösen und dem Mitte-Links-Lager aus. Der Regierungschef bestand nach der Wahl im September darauf, mit einem ganzen Block rechter und religiöser Parteien in das Bündnis einzutreten. Sein Herausforderer Gantz hatte sich aber zur Bildung einer liberalen, säkularen Koalition verpflichtet und lehnte auch ein Bündnis mit Netanjahu als Regierungschef wegen der Korruptionsvorwürfe ab. Laut Meinungsumfragen wird auch die Neuwahl vermutlich wieder eine Pattsituation ergeben.

Gideon Rahat, Politikprofessor von der Hebräischen Universität in Jerusalem, erwartet für den anstehenden Wahlkampf keine neue Strategie der Parteien: "Das wird dasselbe Spiel sein, pro-Netanjahu, anti-Netanjahu." Netanjahu werde versuchen, Wähler für sich zu gewinnen, indem er sie dazu aufrufe, ihn vor "den bösartigen Leuten zu beschützen", die ihn mit Korruptionsunterstellungen aus dem Amt jagen wollten, sagt Rahat. Die andere Seite werde argumentieren: "Er ist korrupt und sollte nicht der Ministerpräsident sein."

Netanjahus Likud-Partei wird am 26. Dezember zudem einen neuen Vorsitzenden wählen, wie die Partei am Mittwoch bestätigte. Der 70 Jahre alte Netanjahu will bei der Wahl trotz der Korruptionsanklage wieder antreten. Netanjahus einflussreicher Rivale, Ex-Erziehungsminister und -Innenminister Gideon Saar, will ebenfalls den Parteivorsitz übernehmen und Ministerpräsident werden.

Bericht der Jerusalem Post