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Trump macht Drohung wahr US-Ausstieg aus Iran-Abkommen schürt Sorge vor Eskalation

Mit größter Skepsis reagiert die Welt auf Donald Trumps Alleingang, sein Land aus dem Atomdeal zurückzuziehen. Europa will das Abkommen unbedingt retten. Ob der Iran dabei mitmacht, scheint aber fraglich.

Von Michael Donhauser, Martin Bialecki und Farshid Motahari, dpa 09.05.2018, 21:35
Russische Techniker arbeiten im Februar 2006 im iranischen Atomkraftwerk Buschehr. Foto: Abedin Taherkenareh
Russische Techniker arbeiten im Februar 2006 im iranischen Atomkraftwerk Buschehr. Foto: Abedin Taherkenareh EPA_FILES

Washington/Brüssel/Teheran (dpa) - Der Rückzug der USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran ist international mit tiefer Sorge und scharfer Kritik aufgenommen worden. Befürchtet werden eine rapide steigende Kriegsgefahr, ein atomares Wettrüsten im Nahen Osten und schwere wirtschaftliche Folgen.

US-Präsident Donald Trump hatte am Dienstag die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wieder in Kraft gesetzt. Sie sollen nun "so schnell wie möglich" wieder in voller Härte zum Tragen kommen. Dafür gibt es ein Zeitfenster von bis zu 180 Tagen, sobald die US-Regierung die genauen Richtlinien erlassen hat.

Der oberste iranische Führer Ajatollah Ali Chamenei drohte seinerseits mit einem Ausstieg aus dem Atomdeal. "Es besteht keinerlei Logik, in dem Abkommen zu bleiben, wenn uns das EU-Trio dessen Umsetzung nicht versichert", sagte er. Ähnlich äußerte sich Außenminister Mohamed Dschawad Sarif. Auch er machte die endgültige Entscheidung über einen Verbleib von den anderen Vertragspartnern abhängig.

Präsident Hassan Ruhani bekannte sich zwar zu dem Atomdeal, warnte aber, dass die Anreicherung von Uran ohne eine befriedigende Lösung wieder unbegrenzt aufgenommen werden könnte.

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens wollen am kommenden Montag mit Vertretern des Irans beraten, ob und wie das Wiener Atomabkommen von 2015 auch ohne die USA gerettet werden kann.

Die drei Länder appellierten an den Iran, sich trotz des Ausstiegs der USA weiter an das Atomabkommen zu halten. "Wir ermuntern den Iran, mit Augenmaß auf die US-Entscheidung zu reagieren", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britischen Premierministerin Theresa May.

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Yukiya Amano, verteidigte das Atomabkommen. Der Iran sei damit Gegenstand des "stärksten Systems nuklearer Überwachung" geworden, teilte Amano in einer knappen schriftlichen Stellungnahme mit. Die Kontrollen der UN-Behörde seien ein signifikanter Gewinn. Die IAEA könne bestätigen, dass sich der Iran an alle Vereinbarungen des Atomabkommens halte.

Deutschland bleibt dem Abkommen nach den Worten von Kanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien verpflichtet. Trumps Rückzug sei schwerwiegend, er löse Bedauern und Sorge aus, sagte Merkel. Sie sagte, dass der Iran seine Verpflichtungen aus dem Atomabkommen weiter einhalten müsse.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, seinerzeit Außenminister, kritisierte die Aufkündigung des Atomabkommens als schweren Rückschlag für die Friedensdiplomatie.

Trump ließ keinen Zweifel an der Tragweite der geplanten Sanktionen: "Jedes Land, das Iran bei seinen Bemühungen um Atomwaffen hilft, könnte auch mit starken Sanktionen belegt werden." Auch die anderen Mitunterzeichner des Atomdeals, Russland und China, kritisierten den Kurs der USA. Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire bezeichnete es als inakzeptabel, wenn die "USA den Wirtschaftspolizisten des Planeten" spielen.

Mit seiner radikalen Abkehr erfüllte Trump eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen - auf Kosten einer schweren Belastung der Beziehungen zu den europäischen Verbündeten der USA. Über die exakte Umsetzung der neuen US-Politik herrscht indes weitgehende Unklarheit. Selbst das US-Außenministerium ist sich über die nächsten Schritte nicht klar, wie aus einem Briefing hervorgeht.

Trump bezeichnete den Deal mit dem Iran als "schreckliches, einseitiges Abkommen", das nie hätte abgeschlossen werden dürfen. Sein Amtsvorgänger Barack Obama kritisierte die Entscheidung scharf. Der Atomdeal war ein Eckstein seiner Außenpolitik.

Die Sorge besteht, dass Unternehmen aus anderen Ländern Probleme bekommen, wenn sie gegen die US-Sanktionen verstoßen. Führende deutsche Wirtschaftsverbände befürchten Einbußen im Handel mit dem Iran. Deutschland ist einer der wichtigsten europäischen Handelspartner Irans. Der deutsch-iranische Handel ist überschaubar, auch wenn er nach der Lockerung der Sanktionen im Zuge des Atomabkommens 2015 zugenommen hatte.

Als Folge der US-Sanktionen gegen die iranische Ölindustrie werden sowohl europäische als auch asiatische Länder ihre Importe aus dem Land drosseln müssen.

Mit dem Wiener Atomabkommen vom Juli 2015 hatten sich die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland verpflichtet, auf Sanktionen gegen den Mullah-Staat zu verzichten. Im Gegenzug sollte der Iran unter anderem weitgehend die Anreicherung von Uran unterlassen, um die Herstellung waffenfähigen Nuklearmaterials auszuschließen. Die Regelung gilt zunächst bis 2025; einige Teile, darunter verschärfte Kontrollen durch internationale Beobachter, reichen bis ins Jahr 2040. Unabhängige Beobachter bescheinigten dem Iran bisher stets, die Verpflichtungen zu erfüllen. Trump bezeichnete das als eine "Lüge".

Der Konflikt um das iranische Nuklearprogramm droht nun erneut zu eskalieren und in eine militärische Konfrontation umzuschlagen. Insbesondere Israel und der Iran gehen auf Konfrontationskurs. Israel wirft dem Iran vor, seine Präsenz im Bürgerkriegsland Syrien ausgebaut und viele Waffen geliefert zu haben.

Die Zahl der Toten bei einem mutmaßlichen israelischen Raketenangriff auf Syrien ist Aktivisten zufolge auf 15 gestiegen. Unter den Opfern seien acht Iraner, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch. Bei den anderen Toten handele es sich um ausländische Kämpfer regierungstreuer Milizen, darunter der libanesischen Hisbollah. Der Angriff habe einem Waffenlager der iranischen Revolutionsgarden gegolten.

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Hassan Ruhani (M.), Präsident des Iran, lässt sich im Rahmen des «Nationalen Atomtags» neue Entwicklungen in der Atomenergie erklären. Foto: Iranian Presidency Office/AP
Hassan Ruhani (M.), Präsident des Iran, lässt sich im Rahmen des «Nationalen Atomtags» neue Entwicklungen in der Atomenergie erklären. Foto: Iranian Presidency Office/AP
Iranian Presidency Office/AP
Techniker der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO inspizieren eine Uranumwandlungsanlage in Isfahan. Foto: Abedin Taherkenareh/Archiv
Techniker der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO inspizieren eine Uranumwandlungsanlage in Isfahan. Foto: Abedin Taherkenareh/Archiv
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Als Protest gegen den Ausstieg der USA aus dem internationalen Atomabkommen verbrennen Abgeordnete im iranischen Parlament eine US-Flagge. Foto: AP
Als Protest gegen den Ausstieg der USA aus dem internationalen Atomabkommen verbrennen Abgeordnete im iranischen Parlament eine US-Flagge. Foto: AP
AP
Ein Gast eines Teehauses verfolgt die Erklärung von US-Präsident Donald Trump zum Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen. Foto: Ahmad Halabisaz/XinHua
Ein Gast eines Teehauses verfolgt die Erklärung von US-Präsident Donald Trump zum Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen. Foto: Ahmad Halabisaz/XinHua
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In Natans im Zentraliran kann Uran angereichert werden. Foto: Abedin Taherkenareh/EPA_File
In Natans im Zentraliran kann Uran angereichert werden. Foto: Abedin Taherkenareh/EPA_File
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Jubel in Wien: Der iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif schwenkt im Juli 2015 einen Entwurf des Atomabkommens, das jetzt von den USA aufgekündigt wurde. Foto: Mehdi Ghassemi
Jubel in Wien: Der iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif schwenkt im Juli 2015 einen Entwurf des Atomabkommens, das jetzt von den USA aufgekündigt wurde. Foto: Mehdi Ghassemi
dpa