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Sturmgewehre des Typs G36 Bewährungsstrafen wegen Waffenexporten nach Mexiko

Deutsche Sturmgewehre gelangten in Unruheregionen Mexikos. Dorthin hätten sie nicht geliefert werden dürfen. Doch ein Gericht verhängt nur Bewährungsstrafen - und spricht drei Angeklagte frei. Die eigentlichen Hauptverantwortlichen saßen nicht auf der Anklagebank.

Von Oliver Schmale und Annika Grah, dpa 21.02.2019, 14:42

Stuttgart (dpa) - Als der Vorsitzende Richter das Urteil spricht, geht ein ungläubiges Raunen durch die Reihen der Rüstungsgegner im Saal.

Das Stuttgarter Landgericht verhängte zwei Bewährungsstrafen für ehemalige Mitarbeiter der Rüstungsfirma Hecker & Koch und sprach drei Angeklagte, darunter zwei ehemalige Geschäftsführer, frei. "Dieses Verfahren ist kein Tribunal über deutsche Rüstungspolitik", betonte der Richter. Nicht so glimpflich ging das Verfahren für die Waffenschmiede selbst aus. Von ihr sollen Verkaufserlöse in Höhe von 3,7 Millionen Euro eingezogen werden - für Waffen, die in mexikanischen Unruheregionen gelandet waren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Bei einem Jahresumsatz von knapp 200 Millionen Euro eine durchaus relevante Summe für den mittelständischen Waffenbauer, der zuletzt Verluste schrieb. "Wir können allerdings nicht nachvollziehen, dass das Gericht nicht nur den erwirtschafteten Gewinn des Mexiko-Geschäfts, sondern den gesamten Kaufpreis eingezogen sehen will, obwohl sich kein Mitglied der Geschäftsleitung strafbar gemacht hat", teilte das Unternehmen mit. Es habe von Beginn an mit der Staatsanwaltschaft kooperiert.

In dem Verfahren ging es um die Frage, wie in den Jahren 2006 bis 2009 etwa 4500 Sturmgewehre des Typs G36 sowie Maschinenpistolen und Zubehör an Polizeieinheiten in Unruheregionen in Mexiko landen konnten. Wegen möglicher Menschenrechtsverletzungen hätten sie nicht in diese Bundesstaaten geliefert werden dürfen.

Dreh- und Angelpunkt waren die zur Genehmigung gelieferten Endverbleibserklärungen der mexikanischen Behörden. Der Käufer bestätigt damit, dass die Waffen nicht an Drittländer weiterverkauft werden oder im Falle Mexikos in Bundesstaaten kommen, in denen Menschenrechtsverletzungen vermutet werden. Dabei spielte etwa Guerrero eine Rolle, wo 2014 Dutzende Studenten spurlos verschwanden. Polizisten sollen die Männer verschleppt und einer kriminellen Organisation übergeben haben. Das Gericht geht davon aus, dass in den Erklärungen bewusst falsche Angaben gemacht wurden, um sich die Genehmigungen zu erschleichen.

Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz sah das Gericht aber nur bei einem ehemaligen Vertriebsleiter und einer früheren Sachbearbeiterin. Ihre Freiheitsstrafen wurden unter anderem wegen der langen Verfahrensdauer zur Bewährung ausgesetzt. Nach jahrelangen Ermittlungen hatte die Kammer acht Monate lang verhandelt. Den beiden drohen allerdings noch Regressansprüche der Firma.

Die von Gericht und Anklage als Haupttäter ausgemachten Männer saßen nicht auf der Anklagebank. Ein früherer Bereichsleiter lebt nicht mehr. Ein ehemaliger Handelsvertreter für Heckler & Koch, der noch in Mexiko wohnt, ist seinem Anwalt zufolge zu krank, um nach Stuttgart zu reisen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat für ihn inzwischen einen internationalen Haftbefehl beantragt.

Prozessbeobachter wie der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin beklagten, dass die möglichen mit den Waffen verübten Menschenrechtsverletzungen kaum Thema waren. "Es ist ein Skandal, dass den Opfern keine Stimme gegeben wurde", sagt Grässlin. Er hatte 2010 Strafanzeige erstattet. Damals liefen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft schon.