1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Frauenmangel im Bundestag - Wahlbeschwerde abgewiesen

Geschlechterquote Frauenmangel im Bundestag - Wahlbeschwerde abgewiesen

In den deutschen Parlamenten sind die Männer klar in der Überzahl. Verfechter einer Geschlechterquote wollen das per Gesetz ändern. Verpflichtet das Grundgesetz womöglich sogar dazu? Nein, sagt das Verfassungsgericht. Erledigt ist das Thema damit noch nicht.

Von Anja Semmelroch, dpa 02.02.2021, 12:00
Kay Nietfeld
Kay Nietfeld dpa

Karlsruhe (dpa) - Im aktuellen Bundestag sind nicht einmal ein Drittel der Abgeordneten Frauen - das liegt auch an den wenigen nominierten Kandidatinnen, ändert aber nichts an der Gültigkeit der Wahl.

Das Bundesverfassungsgericht wies eine Wahlprüfungsbeschwerde von zehn Frauen am Dienstag als unzulässig zurück. Die Klägerinnen finden, dass der Gesetzgeber dafür sorgen müsste, dass alle Parteien ebenso viele weibliche wie männliche Kandidaten aufstellen. Ihnen gelang es aber nicht, das Gericht zu überzeugen. (Az. 2 BvC 46/19)

Im Moment sind von 709 Abgeordneten im Bundestag nur 223 Frauen. Das sind 31,4 Prozent. 2013 lag ihr Anteil immerhin bei 37,3 Prozent - ein deutlicher Fortschritt gegenüber früheren Jahrzehnten, aber von einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis immer noch ein gutes Stück entfernt. Das hat allerdings nicht nur mit der Auswahl der Kandidaten zu tun. In sämtlichen größeren Parteien sind die weiblichen Mitglieder deutlich in der Unterzahl.

Besonders niedrig ist der Frauenanteil in den Fraktionen von AfD (10,2 Prozent), CDU/CSU (20,7 Prozent) und FDP (23,8 Prozent). Nur bei Grünen (56,7 Prozent) und Linken (53,6 Prozent) sind die weiblichen Abgeordneten in der Mehrheit. Verfechter eines sogenannten Paritätsgesetzes wollen, dass der Gesetzgeber eingreift und den Parteien eine Geschlechterquote für die Kandidaten-Nominierung vorgibt. Das gibt es in anderen Ländern bereits, zum Beispiel in Frankreich.

In Deutschland hatten Thüringen und Brandenburg versucht, ein solches Gesetz einzuführen. Danach wären die Listen für die Landtagswahl abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen. Beide Gesetze wurden aber von den Landesverfassungsgerichten vergangenes Jahr für nichtig erklärt. Dagegen sind zwei Verfassungsbeschwerden anhängig. Wann darüber entschieden wird, ist noch nicht absehbar.

In dem Verfahren jetzt ging es also noch nicht um die - spannendere - Frage, ob ein Paritätsgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Die Frauen wollten feststellen lassen, dass der Gesetzgeber verpflichtet gewesen wäre, für die Wahl eine solche Regelung zu erlassen. Damit hatten sie erwartungsgemäß keinen Erfolg. Der Gesetzgeber sei "nur in seltenen Ausnahmefällen" zu einem konkreten Handeln verpflichtet, entschied der Zweite Senat unter Vizegerichtspräsidentin Doris König. Dies bedürfe einer besonderen Begründung - die die Frauen nicht geliefert hätten.

Zwischen den Zeilen klingt aber schon an, wo verfassungsrechtliche Probleme liegen könnten. Die Beschwerdeführerinnen wollen gleiche Chancen für alle - aber würden nicht gerade bei einer Quote (männliche) Bewerber außen vor bleiben? Nicht nur der Gleichstellungsauftrag, sondern auch die Freiheit der Wahl und die Parteienfreiheit seien im Grundgesetz verankert. Außerdem geben die Richter zu bedenken, dass Abgeordnete nicht einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, sondern dem ganzen Volk gegenüber verantwortlich seien. Es komme also gerade nicht darauf an, dass das Parlament ein "verkleinertes Abbild" der Wählerschaft sei.

Die Beschwerdeführerinnen hatten argumentiert, dass der geringe Frauenanteil im Bundestag von vornherein absehbar gewesen sei. Tatsächlich war bei der Wahl 2017 nur jeder vierte Direktkandidat weiblich. Bei den ersten fünf Listenplätzen der Parteien lag der Frauenanteil im Durchschnitt bei 34,7 Prozent.

Formal hatten die Frauen - damals noch gemeinsam mit einem Mann - Einspruch gegen die Bundestagswahl 2017 erhoben. Diesen hatte der Bundestag 2019 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hatte 2018 eine Popularklage abgewiesen, die ebenfalls zum Ziel hatte, den Gesetzgeber zum Erlass eines Paritätsgesetzes zu verpflichten. Auch dagegen ist in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde anhängig.

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulle Schauws, erklärte, der Weg für ein Paritätsgesetz für den Bundestag sei weiterhin offen. "Wir werden weiter nach geeigneten Maßnahmen suchen, um Frauen die Hälfte der Macht und der Mitbestimmung zu sichern und eine verfassungskonforme Lösung zu finden." Auch die SPD-Linke sieht in der Entscheidung keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch sagte, Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen sei seit Jahrzehnten erreicht.

© dpa-infocom, dpa:210202-99-262751/4