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Neue Klagen der Umwelthilfe Mehrheit der Deutschen enttäuscht von Merkels Diesel-Kurs

Seit Monaten treibt die Sorge um Fahrverbote und schlechte Stadtluft die Bundesbürger um, am Mittwoch steht die nächste Gerichtsverhandlung an. An eine rasche Lösung glauben viele nicht mehr - und stellen der Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis aus.

23.10.2018, 15:56

Berlin/Mainz (dpa) - Vor einer weiteren Gerichtsentscheidung über Diesel-Fahrverbote zeigen sich die Deutschen unzufrieden mit dem Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Für rund zwei Drittel (65 Prozent) tritt die Regierungschefin einer Umfrage zufolge nicht entschieden genug für die Interessen der Dieselfahrer ein. 72 Prozent glauben nicht, dass Regierung und Autobranche Fahrverbote mit einem Kompromiss weitestgehend verhindern werden, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab.

An diesem Mittwoch verhandelt das Mainzer Verwaltungsgericht darüber, ob im Kampf gegen die Luftverschmutzung in Mainz Fahrverbote für ältere Diesel-Autos notwendig sind. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH).

In Hamburg sind bereits Straßenabschnitte für ältere Diesel gesperrt. Unter anderem in Stuttgart, Berlin, Aachen und Frankfurt am Main drohen nach Gerichtsurteilen ebenfalls Fahrverbote. Die DUH kündigte am Dienstag weitere Klagen für Limburg in Hessen und Oldenburg in Niedersachsen an.

Vor der Landtagswahl in Hessen spielt der Umgang mit dem Diesel auch eine große Rolle im Wahlkampf. Kanzlerin Merkel verteidigte im Hessischen Rundfunk den Plan der Bundesregierung, in Städten mit vergleichsweise geringer Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte Fahrverbote zu erschweren. Anfang Oktober hatten die Spitzen der großen Koalition aus CDU, CSU und SPD beschlossen, über das Immissionsschutzgesetz deutlich zu machen, dass solche Beschränkungen in Städten mit bis zu 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid in der Regel nicht verhältnismäßig seien - der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm.

Ziel sei, dass alle Städte diesen EU-Grenzwert einhielten, betonte Merkel. "An diesem Grenzwert wird nicht rumgeschraubt." In 15 Städten mit einer deutlichen Grenzwertüberschreitung, zu denen inzwischen auch Frankfurt am Main zählt, sollen Fahrer älterer Diesel die Möglichkeit bekommen, vergünstigt auf sauberere Modelle umzusteigen oder ihre Abgasreinigung nachrüsten zu lassen. Das soll auch für die Bewohner umgebender Landkreise und für alle Pendler gelten. Frankfurt war zunächst nicht zum Kreis der zuvor 14 "Intensivstädte" gezählt worden.

Über Hardware-Nachrüstungen verhandelt die Bundesregierung derzeit mit den Autobauern. "Wir sind der Meinung, dass die Nachrüstungen von der Automobilindustrie bezahlt werden müssen", sagte Merkel im Hessischen Rundfunk. Steuergelder einzusetzen sei "allenfalls die letzte Option". Die Hersteller wollen Hardware-Nachrüstungen nicht komplett bezahlen, außerdem sind Haftungsfragen umstritten.

Dass Merkel entschieden genug für die Interessen der Dieselfahrer eintrete, finden laut Umfrage dennoch nur drei Prozent "voll und ganz", neun Prozent sagen zumindest "eher ja". Dagegen gaben 26 Prozent an, Merkel trete "eher nicht" entschieden genug für Dieselfahrer ein - 39 Prozent finden das sogar "überhaupt nicht". Nur etwas besser schneiden die zuständigen Fachminister ab - Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Die Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH, an der 2043 Menschen zwischen dem 17. und 19. Oktober teilnahmen. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.

Erhebliche Unterschiede werden bei der Einschätzung der geplanten Maßnahmen der Bundesregierung deutlich. Technische Nachrüstungen, also Umbauten an Motoren, sind für gut zwei Drittel (66 Prozent) der Befragten "eher sinnvoll" oder "sehr sinnvoll". Nur acht Prozent halten Hardware-Nachrüstungen für "überhaupt nicht sinnvoll", elf Prozent für "eher nicht sinnvoll". Anders fällt das Stimmungsbild bei den Extra-Rabatten der Hersteller aus, die häufig auch Umtauschprämien genannt werden. Für tendenziell sinnvoll halten sie 37 Prozent, für nicht oder eher nicht sinnvoll 50 Prozent.

Die größte Sorge der Deutschen in der Debatte um den Diesel ist demnach die schlechte Luft in den Städten. 48 Prozent der Bundesbürger zählen die Belastung mit gesundheitsschädlichem Stickstoffdioxid (NO2) zu den größten Problemen, die durch den teils überhöhten Schadstoffausstoß von Dieselautos entstehen.

Drohende Fahrverbote zählen für 37 Prozent zu den schwersten Problemen, der Wertverlust älterer Diesel für 32 Prozent. Den Verlust von Arbeitsplätzen in der Autobranche sehen nur 17 Prozent als besonders großes Problem. Die Befragten konnten zwei Antworten auswählen. Sechs Prozent gaben an, in diesem Zusammenhang keine Probleme zu sehen.

Mitteilung Deutsche Umwelthilfe