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Linken-Politikerin bedroht Rechtes Netzwerk bei Polizei? Minister Beuth will Aufklärung

Gibt es doch ein rechtes Netzwerk in der hessischen Polizei? Der Innenminister sagt, es gebe keine Belege. Die neuen Vorkommnisse um Drohschreiben nähren jedoch den Verdacht.

09.07.2020, 18:27

Wiesbaden (dpa) - Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) fordert nach den Versäumnissen im Zusammenhang mit den Drohmails an die Linken-Politikerin Janine Wissler einschneidende Konsequenzen bei der Polizei.

Beuth warf am Donnerstag speziell dem Landeskriminalamt (LKA) schwere Versäumnisse vor. Dass von einem Polizeirechner die persönlichen Daten der Linksfraktionschefin abgefragt worden seien, habe er erst am Mittwoch erfahren, sagte er in Wiesbaden. Das LKA habe einen Polizisten dazu befragt, diese Informationen aber nicht weitergegeben. Angesichts der Tragweite dieser Ermittlungen sei dies völlig inakzeptabel.

Als Konsequenz soll laut Beuth nun ein Sonderermittler eingesetzt werden. Dieser soll die Ermittlungen zu den Drohmails federführend übernehmen und direkt an den Landespolizeipräsidenten berichten. Gegen den vernommenen Polizisten gebe es keinen Tatverdacht, er werde als Zeuge geführt, betonte der Innenminister. Offensichtlich habe das zuständige LKA aber nicht die dringend notwendige Sensibilität walten lassen, "die ich in so einem wichtigen Verfahren erwarte".

Wissler hatte im Februar ein Drohschreiben mit der Unterschrift "NSU 2.0" erhalten. Am Sonntag wurde nach Angaben von Beuth erneut eine Drohmail an die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken sowie weitere Adressaten des hessischen Landtags verschickt. Am Montag hätten auch Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und er selbst diese Mail erhalten, berichtete der Innenminister. Wissler hatte nach Erhalt der ersten Mails von einer Todesdrohung gesprochen. Auch von zahlreichen rechtsextremen Bezügen war die Rede.

Mit "NSU 2.0" waren auch mehrere Drohschreiben an die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz unterzeichnet, die diese erstmals im August 2018 erhielt. Die Juristin hatte im Münchner Prozess um die rechtsextremen Morde des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) Opferfamilien als Nebenklägerin vertreten.

Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die persönlichen Daten der Anwältin von einem Rechner im 1. Polizeirevier in Frankfurt abgerufen worden waren. Wer die Schreiben versandte, ist allerdings bis heute unklar. Der Anwältin und ihren Angehörigen wurde darin der Tod angedroht.

Beuth erklärte, er habe stets gesagt, dass es kein rechtes Netzwerk bei der hessischen Polizei gebe. Es sei auch weiterhin so, dass ihm keine Belege für ein solches Netzwerk vorliegen. Dass es - nach den Drohmails gegen eine Frankfurter Anwältin und dem zuvor erfolgten Datenabruf von einem Polizeirechner - aber nun erneut einen Fall gebe, "nährt den Verdacht", betonte der Minister. "Dieser Verdacht wiegt schwer. Ich erwarte von der hessischen Polizei, dass sie nichts unversucht lässt, diesen Verdacht zu entkräften."

Diesem Verdacht werde der Sonderermittler ebenfalls nachgehen, kündigte der Innenminister an. "Die hessische Polizei, und damit jede Polizistin und jeder Polizist, müssen sich tadellos verhalten. Wer diese Voraussetzungen nicht erfüllt, muss die hessische Polizei verlassen." Weil offenkundig stellenweise Missstände herrschten, "die ich nicht akzeptieren werde", müsse die Polizeiführung in Hessen nun umso entschlossener durchgreifen.

Als weitere Konsequenz sollen die Abfragemechanismen innerhalb der polizeilichen Systeme nochmals auf den Prüfstand gestellt werden. Jeder Polizist müsse für seine Anfrage in den polizeilichen Systemen einen dienstlichen Grund haben und diesen auch belegen können, sagte Beuth. Anderenfalls dürfe kein Zugriff erfolgen.

© dpa-infocom, dpa:200709-99-730180/4

Angelika Warmuth
Angelika Warmuth
dpa