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Politischer Aschermittwoch Söder und Kramp-Karrenbauer teilen aus

Bissig und zuweilen mit Häme teilen die Parteien gegen ihre Gegner aus. Zum Teil ging es auch heftig gegen den Koalitionspartner. Die CDU-Chefin geht zum Gegenangriff auf ihre Kritiker über.

05.03.2019, 23:01

Passau/Vilshofen/Demmin (dpa) - Die Spitzen von CDU und CSU haben den politischen Aschermittwoch zur Attacke auf die Rechtspopulisten von der AfD genutzt. Drei Monate vor der Europawahl rief CSU-Chef Markus Söder gemäßigte AfD-Mitglieder zum Austritt aus der Partei auf.

"Kehrt zurück und lasst die Nazis alleine in der AfD. Es ist Zeit für einen Richtungswechsel", sagte der bayerische Ministerpräsident in Passau. Insbesondere der Flügel um den Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke sei klar auf dem Weg ins Rechtsextreme. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte am Abend mit Blick auf die AfD: "Wer Hass will, wer Ausgrenzung will, wer Nationalismus will, wer will, dass Deutschland aus der EU heraus fällt, der kann die wählen."

Kramp-Karrenbauer ging im Streit über ihre Karnevals-Äußerungen zur Einführung von Toiletten für das dritte Geschlecht zum Gegenangriff über. Über vieles habe sie hier nur den Kopf schütteln können, sagte sie beim politischen Aschermittwoch der CDU in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern. "Wenn wir da so verkrampfen, wie wir es in den letzten Tagen getan haben, dann geht ein Stück Tradition und Kultur in Deutschland kaputt und das sollten wir nicht zulassen." Die Dinge seien künstlich hochgepuscht worden.

Kramp-Karrenbauer hatte mit einer Fastnachtsrede in Stockach empörte Reaktionen ausgelöst. Zu der Einführung von Toiletten für das dritte Geschlecht hatte sie gesagt: "Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür, dazwischen, ist die Toilette."

Die CDU-Chefin kritisierte in Demmin auch die Debatte darüber, ob Kinder als Indianer oder Scheichs verkleidet Karneval feiern dürfen - nachdem diese Kostüme in einer Hamburger Kita für unerwünscht erklärt worden waren. Unter großem Beifall rief sie, sie wünsche sich ein Deutschland, in dem Kinder Cowboy und Indianer spielen dürften und "in dem sie im Kindergarten wahlweise mit der Puppe oder mit Lego spielen dürfen, wie sie es wollen. Ohne dass man ihnen mit drei Jahren schon sagt, dass sie kultursensibel sein müssen. Das ist doch alles ein Wahnsinn, was wir hier erleben."

Grünen-Chef Robert Habeck hatte Kramp-Karrenbauer zuvor aufgefordert, sich für ihre umstrittenen Äußerungen zu entschuldigen. Es sei immer billig, auf Minderheiten herumzureiten, sagte er in Biberach.

Die AfD holte ihrerseits zum verbalen Rundumschlag gegen alle anderen Parteien, Medien, Kirchen, den Verfassungsschutz, die Europäische Union und demonstrierende Schüler aus. So nannte der niederbayerische AfD-Bezirkschef Stephan Protschka die Europäische Union schlicht obsolet. "Die EU ist ein Konstrukt, das keiner braucht."

Söder übte in Passau den Schulterschluss mit der Schwesterpartei CDU. In der Zuwanderungspolitik arbeiteten die Unionsparteien künftig eng zusammen. "Wir sind zwei Parteien, aber beim Thema Zuwanderung: ein Kurs", betonte der Ministerpräsident. "Es gibt eine neue Linie der CDU, die die alte der CSU ist." Die Grünen kritisierte er dagegen und schloss Schwarz-Grün wegen Differenzen in der Flüchtlingspolitik auf absehbare Zeit aus. Söder warnte die SPD, mit unrealistischen Reformplänen die Zukunft der Bundesregierung zu gefährden.

Mit ruhigeren Tönen trat CSU-Vize Manfred Weber, der gemeinsame Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) bei der Europawahl in knapp drei Monaten. Er spannte den großen Bogen von den Ursprüngen der EU bis zu aktuellen Entwicklungen. Weber drohte US-Präsident Donald Trump mit spürbarem Gegenwind für den Fall, dass dieser tatsächlich Strafzölle auf deutsche Fahrzeuge einführe. "Wir lassen uns als Europäer nicht erpressen."

Den aktuell brisanten Konflikt innerhalb der EVP sprach Weber dagegen nicht an. Am 20. März könnte der EVP-Vorstand die ungarische Regierungspartei Fidesz ausschließen, nachdem es Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban mit seiner Anti-Brüssel-Kampagne offenbar endgültig übertrieben hat.

Die SPD-Europaspitzenkandidatin und Justizministerin Katarina Barley warf der CSU in Vilshofen Versagen im Umgang mit Fidesz vor. "Wer Viktor Orban so lange so hofiert hat, wie das die CSU getan hat, ihn immer wieder auf ihre Parteitage eingeladen hat, so jemand will kein funktionierendes Europa, das auf einem solidarischen Geben und Nehmen beruht", sagte Barley.

Die FDP-Spitzenkandidatin Nicola Beer sagte in Dingolfing, es gehe um ein Europa, das gestärkt werden müsse und mit einer gemeinsamen, starken Stimme spreche. Der ehemalige Linken-Vorsitzende Klaus Ernst sagte, es gehe darum, "die EU in eine Union umzuwandeln, in der es nicht nur um die Interessen der Wirtschaft geht, sondern vor allem um gleichwertige Lebensbedingungen".

Die Grünen warfen der CSU Scheinheiligkeit in der Klima- und Umweltpolitik vor. Die Chefin der bayerischen Landtags-Grünen, Katharina Schulze, sagte mit Blick auf Söder: "Ich warte ja nur darauf, dass er irgendwann pressewirksam in Latzhose, Jesuslatschen und mit Jutebeutel in die Staatskanzlei marschiert."

Der politische Aschermittwoch feiert in diesem Jahr seinen 100. Jahrestag: 1919 hatte der bayerische Bauernbund anlässlich des Viehmarkts im niederbayerischen Vilshofen erstmals zu einer Kundgebung geladen - das Politspektakel war geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der politische Aschermittwoch von der Bayernpartei wiederbelebt, bevor die CSU und auch alle anderen Parteien folgten.

CSU-Chef Markus Söder sieht die AfD in den westdeutschen Bundesländern auf dem absteigenden Ast. Foto: Peter Kneffel
CSU-Chef Markus Söder sieht die AfD in den westdeutschen Bundesländern auf dem absteigenden Ast. Foto: Peter Kneffel
dpa
Volles Haus: Tausende CSU-Anhänger beim politischen Aschermittwoch der CSU in der Dreiländerhalle in Passau. Foto: Peter Kneffel
Volles Haus: Tausende CSU-Anhänger beim politischen Aschermittwoch der CSU in der Dreiländerhalle in Passau. Foto: Peter Kneffel
dpa