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Regelanfrage die Ausnahme Verfassungstreue in der Justiz: Bayern prüft am strengsten

Ein Links- oder Rechtsradikaler oder ein Islamist in der Richterrobe? Das will der Staat verhindern. Beamte müssen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einstehen. Ob das in der Justiz der Fall ist, prüfen die Länder unterschiedlich.

05.09.2020, 10:15

Berlin (dpa) - Um Extremisten aus dem Justizdienst fernzuhalten, holt derzeit Bayern als einziges Bundesland routinemäßig Informationen über angehende Richter und Staatsanwälte beim Landesamt für Verfassungsschutz ein.

Das geht aus einer Umfrage des Richterbunds bei den Justizverwaltungen der Länder hervor, deren Auswertung der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Deutsche Richterzeitung berichtet in ihrer an diesem Samstag erscheinenden September-Ausgabe darüber.

"Treffer" hat es seit Einführung der Regelanfrage beim Verfassungsschutz Ende 2016 in Bayern noch nicht gegeben. Mit Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen prüfen derzeit drei weitere Bundesländer eine obligatorische Abfrage zur Verfassungstreue. Eine Prüfung auf mögliche extremistische Tendenzen gibt es demnach aber in allen Ländern bei der Einstellung von Richtern und Staatsanwälten - meist eben ohne eine solche Regelanfrage.

Das Prozedere, um mögliche Extremisten auch ohne eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz auszumachen, ist nach Recherchen des Richterbunds in allen Ländern ähnlich. Vor der Einstellung als Proberichter - die Vorstufe zum Amt als Richter oder Staatsanwalt - wird ein Führungszeugnis eingeholt. Zudem müssen die Bewerber ihre Verfassungstreue schriftlich bestätigen, in Einstellungsgesprächen geht es dann dem Bericht zufolge auch um das Thema. Sollten Zweifel an der Verfassungstreue eines Bewerbers aufkommen, wäre am Ende auch eine Anfrage beim Landesverfassungsschutz möglich.

Nach Recherchen des Richterbunds ist in den vergangenen vier Jahren bundesweit nur ein Richter oder Staatsanwalt wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue aus dem Amt entfernt worden. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz verlor vor zwei Jahren durch einen Beschluss des Richterdienstgerichts in Karlsruhe seinen Beamtenstatus - Seitz legte dagegen Berufung ein. Er hatte in Wahlkämpfen zwischen 2015 und 2017 im Internet unter anderem Begriffe wie "Quotenneger" und "Gesinnungsjustiz" gepostet. Er habe seine Pflichten als Staatsanwalt und die sich daraus ergebenden "Mäßigungspflichten bei der Teilnahme am politischen Meinungskampf" verletzt, erklärte das baden-württembergische Justizministerium damals.

In Sachsen gab es dem Bericht zufolge nach der Auskunft des Justizministeriums zwischen 2017 und 2020 drei Verfahren wegen Dienstvergehen durch öffentliche Äußerungen, bei denen das Mäßigungsgebot verletzt wurde. Entlassungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue gab es den Angaben zufolge aber nicht. Alle anderen Bundesländer verzeichneten keine derartigen Fälle.

Der Geschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, zeigte sich mit den Ergebnissen der Umfrage zufrieden. "Die Auskünfte der Landesjustizministerien bestätigen, dass es der Justiz gut gelingt, mögliche Verfassungsfeinde und Extremisten aller Art aus Gerichten und Staatsanwaltschaften fernzuhalten", bilanzierte er. "Das ist eine wichtige Botschaft in einer Zeit, in der Verdachtsfälle von Extremismus in Sicherheitsbehörden die Öffentlichkeit aufrütteln und beunruhigen."

© dpa-infocom, dpa:200905-99-439916/2