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Fördergelder seit halbem Jahr Zweifel an Wirkung von "Gute-Kita-Gesetz"

Seit einem halben Jahr bekommen die Länder über das sogenannte Gute-Kita-Gesetz viel Geld vom Bund für bessere Kitas. Gewerkschaften und Kinderschützer sehen bis jetzt aber keine großen Fortschritte und haben Zweifel, ob das Gesetz langfristig wirkt.

Von Jörg Ratzsch, dpa 16.06.2020, 04:34
Julian Stratenschulte
Julian Stratenschulte dpa

Berlin (dpa) - Mehrere Kitas in Deutschland können sich heute über Extra-Geld freuen, wenn wieder der Deutsche Kita-Preis vergeben wird. Es winken Preisgelder von 10.000 bis 25.000 Euro.

Seit genau sechs Monaten fließen nun auch die Fördergelder aus dem sogenannten "Gute-Kita-Gesetz" - hier hält sich der Jubel allerdings in Grenzen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutsche Kinderschutzbund ziehen eine kritische Zwischenbilanz. Familienministerium und Experten sagen dagegen, es sei noch zu früh, die Auswirkungen des Gesetzes zu bewerten.

Über das "Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung", wie das von Familienministerin Franziska Giffey (SPD) zum "Gute-Kita-Gesetz" umgetaufte Förderprogramm eigentlich heißt, bekommen die Bundesländer bis 2022 5,5 Milliarden Euro. Am 16. Dezember vergangenen Jahres begann die Auszahlung.

Das Geld kann in mehr Erzieherstellen, eine bessere Bezahlung des Personals, längere Öffnungszeiten oder auch die Neugestaltung von Räumen und Spielflächen investiert werden. Auch die Senkung von Kita-Gebühren ist möglich. Jeden dritten Euro des Fördergelds verwenden die Länder dafür.

Genau das kritisiert der Deutsche Kinderschutzbund, der selbst Träger vieler Kitas in Deutschland ist. "So nachvollziehbar die Entlastung für Eltern ist, halten wir diese Prioritätensetzung zum aktuellen Zeitpunkt allerdings für falsch", sagte Präsident Heinz Hilgers der Deutschen Presse-Agentur.

Der Fachkräftemangel in den Erzieherberufen sei dramatisch. Gründe dafür seien die schlechte Bezahlung und die Arbeitsbedingungen. "Der mutmaßliche Mord an einem Kleinkind in Viersen, war ein historischer Einzelfall. Dass aber dennoch eine offensichtlich ungeeignete Erzieherin immer wieder neue Arbeitsstellen antreten konnte, zeigt, dass der Fachkräftemangel das vordringlichste Problem ist." Damit das Gute-Kita-Gesetz wirklich gute Kitas schaffe, müssten die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung für Erzieherinnen und Erzieher nachhaltig verbessert werden.

Die Kritik an den Gebührensenkungen oder -befreiungen ist nicht neu. Experten, Opposition und auch der Städte- und Gemeindebund hatten das wiederholt bemängelt. Familienministerin Giffey hatte entgegnet: "Wir wollen in beide Richtungen gehen: Wir wollen mehr Qualität in der Kindertagesbetreuung, aber wir wollen auch Zugang und Teilhabe ermöglichen. Wir haben immer noch Eltern in Deutschland, die sagen: Ich würde mein Kind gerne in die Kita geben, aber ich kann mir das nicht leisten."

Kritisch fällt die Zwischenbilanz des "Gute-Kita-Gesetzes" auch bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft aus: "Bisher ist nicht zu erkennen, dass das Gesetz zu mehr Qualität in den Kitas führt", sagte Vorstandsmitglied Björn Köhler der dpa. Eine Bewertung sei momentan wegen der Corona-Krise sehr schwierig, schränkte er ein. Die Gewerkschaft rechnet aber auch langfristig nicht damit, dass das Gesetz zu einer nachhaltigen Qualitätssteigerung führen werde. Dazu sei mehr qualifiziertes Personal notwendig. Ausbildung und laufende Kosten dafür würden aber durch das "Gute-Kita-Gesetz" nicht abgedeckt, sagte Köhler. Schon nachdem das Gesetz beschlossen wurde, hatte er gefordert, dass nicht insgesamt 5,5 Milliarden, sondern jährlich 10 Milliarden Euro für die Kitas nötig wären.

Aus Sicht des Bundesfamilienministeriums ist es für eine Zwischenbilanz des "Gute-Kita-Gesetzes" noch zu früh. Ende des Jahres werde ein erster sogenannter Monitoringbericht erscheinen, sagte eine Sprecherin. Erst dann "können wir erstmals Aussagen über die Veränderungen in der Kindertagesbetreuung, die die Maßnahmen der Bundesländer angestoßen haben, treffen". Das Gesetz schreibt vor, dass die Umsetzung wissenschaftlich begleitet wird und dass die Länder regelmäßig sogenannte Fortschrittsberichte über die Umsetzung der Maßnahmen vorlegen müssen - dies alles fließt dann in den jährlichen Monitoringbericht ein.

Im Auftrag des Ministeriums wird die Umsetzung von zwei Forscherteams um den Professor für Kindheitspädagogik, Stefan Faas (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd) und um die Professorin Maike Rönnau-Böse (Evangelische Hochschule Freiburg) evaluiert. Beide betonen ebenfalls auf Nachfrage, dass es noch zu früh sei, um Aussagen zur Umsetzung des "Gute-Kita-Gesetzes" treffen. "Wir berücksichtigen bei unseren Wirkungsanalysen die Perspektiven von allen Akteuren der frühkindlichen Bildung und Betreuung - von Vertreter*innen auf Landesebene bis hin zu den Eltern und Kindern. Dementsprechend umfassend ist Datenerhebung angelegt und benötigt Zeit für die Durchführung", sagte Rönnau-Böse.