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107. Tour de France Schachmanns Tour der Leiden: "Schmerz-Level sinkt"

1983 verteidigte Pascal Simon bei der Tour de France tagelang mit einer schweren Schulterverletzung sein Gelbes Trikot. Und 2003 fuhr Tyler Hamilton mit Schlüsselbeinbruch auf den vierten Gesamtrang. So weit ist Maximilian Schachmann noch nicht, aber auf einem guten Weg.

Von Stefan Tabeling und Tom Mustroph, dpa 31.08.2020, 10:03
Olivier Matthys
Olivier Matthys AP

Sisteron (dpa) - Der letzte Termin des Tages führt Maximilian Schachmann regelmäßig in das Zimmer von Osteopath Markus Stephani. "Da habe ich dann eine Sonderbehandlung, um das Schlüsselbein wieder locker zu bekommen", berichtet der Berliner Radprofi.

Eine Spezialeinheit, damit der 26-Jährige seine Tour der Leiden auf den Landstraßen Frankreichs fortsetzen kann. Denn seit zwei Wochen quält sich Schachmann mit einem Schlüsselbeinbruch herum. Erlitten bei der Lombardei-Rundfahrt, als ihn eine betagte Frau - wie auch immer sie mit ihrem SUV auf die Strecke gelangt war - abräumte.

Das Ende aller Tour-Träume? Nicht so bei Schachmann. Ihm sei bescheinigt worden, dass er sehr schmerztolerant sei, sagt er. Manche würden ihn auch als wahnsinnig bezeichnen. Jedenfalls saß Schachmann trotz einer Verletzung, die normalerweise eine Ausfallzeit von sechs Wochen nach sich zieht, zwei Tage nach dem Sturz wieder auf der Rennmaschine. "Seitdem sinkt mein Schmerz-Level von Tag zu Tag", versichert der deutsche Meister von 2019.

Dass es durchaus funktioniert, zeigte er etwa auf der Bergetappe am Sonntag. War er beim Auftakt im Regen von Nizza noch "wie meine Omi" die Abfahrten runtergefahren, hielt sich der Allrounder am Tag darauf bereits in der Favoritengruppe an der Seite von Teamkollege Emanuel Buchmann, Egan Bernal und Co. auf. Am Ende wurde er sogar Neunter. "Das Ergebnis hat gezeigt, dass ich konkurrenzfähig bin", sagt der Radprofi und berichtet von einem weiteren Erfolgserlebnis: "Ich konnte sogar eine Trinkflasche annehmen."

Ob er es bis nach Paris schafft? "Ich kann nicht in die Glaskugel schauen. Das Wichtigste ist für mich hier, dass ich nicht stürze", sagt Schachmann und fügt hinzu: "Für mich ist der erste Ruhetag ein wichtiges Zwischenziel." Dann sei er halbwegs über den Berg. Der Bruch auf der rechten Seite sei "relativ stabil", musste nicht operiert werden. Muskeln, Bänder und blaue Tape-Bänder halten die Stelle zusammen. Und trotzdem: Jedes Schlagloch, jeder Griff an die Bremse bereitet höllische Schmerzen.

Schachmann hat prominente Vorgänger in der langen Tour-Historie. Der Amerikaner Tyler Hamilton brach sich 2003 zu Beginn der Rundfahrt das Schlüsselbein und kämpfte sich bis auf Platz vier der Gesamtwertung vor. Und 1983 verteidigte Pascal Simon trotz einer schweren Schulterverletzung tagelang tapfer sein Gelbes Trikot.

Das Bora-hansgrohe-Team ist das Risiko mit Schachmann bewusst eingegangen. "Wenn wir nicht gedacht hätten, dass er eine gute Tour fahren kann, hätten wir ihn nicht nominiert. Wir werden versuchen, eine Etappe zu gewinnen. Auch mit Max, warum nicht?", meinte Sportdirektor Enrico Poitschke.

Und auch Schachmann betont, dass er die Tour-Nominierung durch seine Leistungen gerechtfertigt habe. Noch vor der Corona-Pause hatte Schachmann die Traditions-Rundfahrt Paris-Nizza gewonnen, beim Neubeginn knüpfte er gleich an seine starken Vorstellungen an. Und bei der Tour will er sich schließlich austesten, wie gut er eine dreiwöchige Rundfahrt durchstehen kann. Womöglich will er zukünftig auch mal in Richtung Gelbes Trikot gehen.

Im vergangenen Jahr musste er bei der Tour aufgeben, nachdem er drei Knochenbrüche in der linken Mittelhand beim Einzelzeitfahren in Pau erlitten hatte. Das soll ihm diesmal nicht noch einmal widerfahren.

© dpa-infocom, dpa:200831-99-371860/2

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