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Technik Gute Plattenspieler sind nicht billig

Schallplatten sind beliebt. Und immer noch werden Plattenspieler produziert. Was macht ein gutes Gerät aus?

Von Jochen Wieloch 30.08.2015, 23:01

Hamburg (dpa) l Totgesagte leben länger. Davon können Vinyl-Liebhaber weltweit ein Lied singen. Denn die Schallplatte galt mit dem Siegeszug der CD zeitweise schon als ausgestorben und technisch antiquiert. Doch sie war nie ganz verschwunden und erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance.

Gingen in Deutschland im Jahr 2006 gerade mal noch 300 000 Schallplatten über die Ladentische, waren es im vergangenen Jahr nach Angaben des Bundesverbandes Musikindustrie 1,8 Millionen – gut 27 Prozent mehr als 2013. Nicht nur Liebhaber ersetzen ihre Geräte, sondern es gibt vermutlich auch viele Neueinsteiger. Gerade ihnen stellt sich die Frage, welches Modell mit welcher Technik infrage kommt.

„Für den Hi-Fi- beziehungsweise Heimbereich hat sich der Riemenantrieb durchgesetzt, hier wird der Motor vom Plattenteller durch den Antriebsriemen entkoppelt“, erklärt Torge Benthien, Hi-Fi-Experte aus Hamburg. „Gleichlaufschwankungen und Laufgeräusche des Motors werden durch den Antriebsriemen abgepuffert und vom Plattenteller und damit auch von Schallplatte und Nadel ferngehalten.“

Für einen guten Plattenspieler sollte man ab etwa 300 und bis 1000 Euro rechnen. „Unter diesen Preisen gibt es Plastik vom Discounter und Kaffeeröster, aber garantiert keine Klang- und Verarbeitungsqualität“, sagt Benthien.

Ein häufig diskutiertes Thema ist die Phono-Vorverstärkung. Sie muss dann verwendet werden, wenn die Ausgangsspannung des Systems für den Verstärkereingang zu gering ist, was vor allem bei Magnetsystemen wichtig ist.

Benthien hält einen Phono-Vorverstärker für sinnvoll. Der Grund: Das Signal auf der Schallplatte ist verzerrt aufgenommen: „Für tiefe, kräftige Bassimpulse bräuchte man viel zu große Rillenauslenkungen“, erklärt Benthien. „Deshalb werden die Bässe bei der Schallproduktion abgesenkt, man benötigt also einen Entzerrer-Vorverstärker, auch Phonoverstärker genannt.“ Dieser sei bei vielen Hi-Fi-Anlagen oder Verstärkern als sogenannter Phono-Eingang integriert oder als Zusatzgerät erhältlich.

Die gute Nachricht für alle, die noch einen Plattenspieler besitzen: Ersatznadeln – auch ältere Typen – sind meist noch ohne Probleme erhältlich und können meist in Eigenregie gewechselt werden. Muss aber das komplette Abtastsystem erneuert werden, also die Nadel samt Halterung, die am Tonarm verschraubt ist, sollte besser ein Fachmann die Arbeit übernehmen. Denn in diesem Fall müssen unter anderem Kröpfung, Überhang und Auflagegewicht neu eingestellt werden, erklärt Benthien. Beim Neukauf eines Abtastsystems gilt zu klären, ob dieses auch zum Tonarm und zum Plattenspieleranschluss passt. Preislich sind neue Nadeln und Abtastsysteme ab 30 Euro zu bekommen.

Wie bei kaum einer anderen Gerätegattung aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik verschwimmen bei Plattenspielern die Grenzen zwischen plausiblem Preis-Leistungs-Verhältnis und irrationaler Liebhaberei. Plattenspieler aus durchsichtigem Acryl, poliertem Aluminium oder mit mehreren Tonarmen sind natürlich auch Eyecatcher, so Benthien. Einen realen Gegenwert, der auch klanglich nachvollziehbar sei, erhält man seiner Meinung nach noch bei Geräten bis zu einem Preis von 3000 Euro.

Benthien geht von rund 50 Unternehmen aus, die immer noch oder wieder Plattenspieler produzieren. Und die Presswerke produzierten rund um die Uhr Neuauflagen alter Aufnahmen und natürlich auch neue Alben. Dazu komme ein riesiger Gebrauchtmarkt.