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Europameisterschaft Jubel mit 90 Sekunden Verzögerung

Die einen jubeln schon, die anderen warten noch aufs Tor: Liveübertragungen der Fußball-Europameisterschaft sind nicht ganz live.

09.06.2016, 16:17

Berlin (dpa) l Zur Fußball-WM 2014 hat der Effekt schon für Aufregung gesorgt: Die ersten Jubelschreie nach einem gefallenen Tor sind fast schon verhallt, da braust die Begeisterung rund eineinhalb Minuten später in der Nachbarstraße erneut auf. Auch bis Freitag wird sich daran nichts geändert haben, wenn die französische Mannschaft zum Auftakt der Europameisterschaft auf Rumänien trifft. Denn die Liveübertragung ist auch bei moderner Technik nicht wirklich live.

Wo als Erstes gejubelt wird, hängt davon ab, woher die Signale kommen und über welche Technik der Fernseher seine Bilder bezieht. Die verschiedenen Wege über Satellit, terrestrisch, Kabel oder IPTV seien physikalisch bedingt unterschiedlich lang, erklärt eine Sprecherin des ZDF. Dabei sei es schon fast unmöglich, eine Reihenfolge festzulegen. Lediglich der Verbreitungsweg über das Internet weise wegen der hohen Datenreduzierung grundsätzlich sehr hohe Verzögerungen auf.

Auf dem Weg zum Sender würden die Signale mehrfach moduliert und komprimiert, erklärt Ulrike Kuhlmann vom IT-Fachmagazin „c‘t“. Für die Ausstrahlung wird es dann codiert, übertragen und am Ende beim Empfänger wieder decodiert. Auch regional kann es Unterschiede geben.

Zumindest für den Standort Hannover hat die „c‘t“ für ihr aktuelles Heft den Test gemacht – und eine relativ klare Reihenfolge festgestellt. Nach den aktuellen Messungen der Redaktion variiert die Übertragung je nach Sender und Empfangskanal zwischen wenigen Sekunden und fast einer Minute. Zusätzlich benötigt auch die Bildaufbereitung im Empfangsgerät Zeit, was teilweise eine Sekunde dauern könne.

Wie schon vor zwei Jahren kann demnach derjenige als Erster jubeln, der sein Fernsehbild über Satellit bezieht – oder sich alternativ den Bericht im Radio über analoges UKW anhört. Weit abgeschlagen rangiert dem Test zufolge weiterhin, wer über IP-Technik der Entertain-Box der Telekom sein Fernsehprogramm bezieht. Dabei schnitt das neue Modell des Receivers, das die Telekom erst kürzlich auf den Markt brachte, allerdings um wenige Sekunden besser ab.

Aber auch die Auflösung des Fernsehbildes entscheidet über die Schnelligkeit mit. Wer in ARD und ZDF die Übertragungen in Standardauflösung anschaut und das Signal per Satellit empfängt, jubelt demnach als Allererster. Unwesentlich später kommt der Empfang eines HD-Signals an. Das gleiche gelte für die terrestrische Übertragung. „DVB-T2 HD läuft im ZDF sogar gleichzeitig mit den Sat-Signalen“, schreibt Kuhlmann. Und das trotz HD-Auflösung. „Das war für uns eine echte Überraschung.“

Erst mit sechs Sekunden Verzögerung kommen Kabel-Kunden in den Genuss – was bei einem Elfmeter schon mal ziemlich kritisch sein kann, wenn die Nachbarn bei offenem Fenster ihre Freude oder ihren Schock bereits hörbar zum Ausdruck gebracht haben. Schlusslicht am Fernseher bildet nach wie vor das IP-Signal auf dem Entertain-Receiver der Telekom. Die Redakteure maßen elf Sekunden und mehr Verspätung – „eine gefühlte Ewigkeit“.

Wer mobil auf dem Notebook die Spiele verfolgen will, dem raten die „c‘t“-Redakteure, einen DVB-T-Stick zu nutzen. Andernfalls kann es spät werden: Die für Streaming-Dienste wie Zattoo, Couchfunk, Das Este Live, ZDF Mediathek und Magine aufbereiteten Datenströme hinken dem „c‘t“-Test zufolge zwischen 30 und 90 Sekunden dem TV-Programm hinterher. Damit lasse sich ein Fußballspiel allenfalls einsam im Wald, wo sonst niemand guckt, ertragen, sagt Kuhlmann.