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Existenzgründertipps Keine Gewerbesteuer für Freiberufler

Über Steuerarten für Existenzgründer informierten gestern Experten des Steuerberaterverbandes Niedersachsen Sachsen-Anhalt e. V.

Von Uwe Seidenfaden 21.06.2017, 01:01

Welche Kosten der Existenzgründung können steuerlich geltend gemacht werden?

Alle Kosten sind zu berücksichtigen, die die Aufnahme der Tätigkeit erfordert. Das gilt auch für Aufwendungen, die vor Beginn der eigentlichen Tätigkeit entstehen, wie zum Beispiel Reise- oder Beratungskosten.

Ich trage mich mit dem Gedanken, eine eigene Firma zu gründen. Welche Rechtsform ist eigentlich aus steuerlicher Sicht optimal?

Bereits vor der Gründung eines Unternehmens ist es wichtig, sich für eine geeignete Rechtsform zu entscheiden. Mögliche Formen der Gründung können das Einzelunternehmen oder eine Partnerschaftsgesellschaft – zum Beispiel eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – oder auch die Kapitalgesellschaft sein. Eine Kapitalgesellschaft wie die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) empfiehlt sich, wenn sich bei der Tätigkeit Haftungsprobleme ergeben könnten. Die Gründung einer GmbH ist mit höheren Vorkosten verbunden, beispielsweise durch eine Notareintragung. Außerdem gelten bei Kapitalgesellschaften stärkere formelle Bedingungen. Als Einzelunternehmen können in der Gründungsphase entstehende Verluste mit anderen positiven Einkünften verrechnet werden.

Muss jeder Existenzgründer Gewerbesteuer zahlen?

Diese Steuer für Selbständige betrifft den gewerblichen Betrieb. Die Gewerbesteuer müssen Gewerbetreibende zahlen, nicht aber Freiberufler. Die Gewerbesteuer wird von den Gemeinden erhoben, in denen der Unternehmenssitz liegt. Von den Gemeinden werden unterschiedliche Hebesätze erhoben, was die Höhe der zu zahlenden Gewerbesteuer beeinflusst. Durch eine optimale Wahl des Standortes kann somit jährlich viel Geld gespart werden. Teile der Gewerbesteuer können auf die Einkommensteuer angerechnet werden. Einzelunternehmen und Personengesellschaften steht pro Jahr ein Freibetrag von 24.000 Euro zu Verfügung. Der Freibetrag sowie die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer gelten nicht für Kapitalgesellschaften.

Meine Tochter will in der ambulanten Pflege arbeiten. Welche Gewinnermittlungsarten gelten für sie?

Ambulante Pflegekräfte üben eine freiberufliche Tätigkeit aus. Für Freiberufler gilt die Einnahme-Überschuss-Ermittlung. Von den Einnahmen sind die Ausgaben für die Tätigkeit, wie Kosten für das Auto, abzuziehen.

Können auch Gewerbetreibende die Einnahme- Überschuss-Ermittlung nutzen?

Ja, diese Gewinnermittlungsart kann auch von Gewerbetreibenden genutzt werden. Sie müssen also „keine Bücher führen“. Trotzdem gelten auch für solche Einnahme-Überschuss-Rechner umsatzsteuerliche Aufzeichnungspflichten. Das hat Vorteile: Sie müssen keine Bilanz erstellen und brauchen auch keine Inventur zu machen. Zur Bilanzierung sind Sie verpflichtet bei einem Umsatz von über 600.000 Euro pro Jahr, oder einem Gewinn von über 60.000 Euro pro Jahr. Bei Überschreiten einer dieser Grenzen müssen Sie bilanzieren: wirtschaftliche Zuordnung nach Entstehen der Erlöse bzw.Kosten. Zur Bilanzierung sind alle Kaufleute und Kapitalgesellschaften ab der Gründung verpflichtet.

Gibt es für Existenzgründer steuerliche Vergünstigungen?

Für Unternehmensgründer existieren keine speziellen Steuervergünstigungen. Vor der Gründung können Sie sich bei der Investitionsbank nach Zuschüssen bzw. zinsgünstigen Darlehen erkundigen. Auch die Bundesagentur für Arbeit gewährt Zuschüsse, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Was bedeutet die Kleinunternehmerregelung?

Mit der Kleinunternehmerregelung wird Existenzgründern bürokratischer Aufwand erspart. Wenn Sie sich für die Kleinunternehmerregelung entscheiden, führen Sie keine Umsatzsteuer an das Finanzamt ab und brauchen demzufolge auch keine Umsatzsteuervoranmeldung einzureichen. Voraussetzung ist, dass Sie nur geringe Umsätze haben werden. Der Umsatz im Vorjahr darf nicht größer als 17.500 Euro gewesen sein und der geplante Umsatz im aktuellen Geschäftsjahr darf die Grenze von 50.000 Euro nicht überschreiten. Außerdem entfällt die Möglichkeit, die auf Eingangsrechnungen von Dienstleistern oder Lieferanten ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer beim Finanzamt geltend machen zu können. Je nach Unternehmen und Kundenkreis kann die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung sinnvoll sein. Am besten sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater darüber.

Worauf ist bei der Umsatzsteuervoranmeldung zu achten?

In den ersten beiden Veranlagungsjahren sind Sie verpflichtet, die Umsatzsteuervoranmeldung monatlich abzugeben, auf Kleinunternehmer trifft das nicht zu. Auf Dienstleistungen oder Waren, die Sie verkaufen, berechnen Sie Umsatzsteuer. Diese müssen Sie dann an das Finanzamt abführen. Beziehen Sie Waren oder Dienstleistungen als Vorleistung, können Sie die darauf berechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer von der zu leistenden Umsatzsteuer abziehen. Das mindert dann den Betrag, der an das Finanzamt abzuführen ist.

Wann ist es günstig, sich als Kleinunternehmer freiwillig zur Umsatzsteuerpflicht zu entscheiden?

Sollten zu Beginn Ihrer Tätigkeit hohe Betriebsausgaben und Anfangsinvestitionen entstehen, ist es sinnvoll, freiwillig die Umsatzsteuerpflicht in Anspruch zu nehmen. Ihnen steht es nun zu, die Ihnen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer vom Finanzamt erstatten zu lassen. Lassen Sie sich im Vorfeld beraten, ob Sie mit oder ohne Umsatzsteuerpflicht besser gestellt sind. Sollten Ihre Kunden überwiegend vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer sein, hat es Sinn, sich für die Umsatzsteuer zu entscheiden.

Mein Mann und ich wollen uns mit der Produktion und dem Verkauf von Kunsthandwerk selbständig machen. Ist für uns die Kleinunternehmerregelung von Vorteil?

Wenn Ihre Abnehmer vorwiegend private Kunden sind und Ihr Umsatz zum Zeitpunkt der Eröffnung der Tätigkeit laut Ihrer Prognose unter 17 500 Euro pro Jahr fällt (gilt zeitanteilig) sollten Sie die Regelung nutzen, da Sie sonst aus Ihren Einnahmen Umsatzsteuer abführen müssten.

Neben meiner Angestelltentätigkeit beziehe ich Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Muss ich die ebenfalls versteuern?

Ja. Im Nebengewerbe gelten die gleichen steuerlichen Regelungen. Die Erfassung der Nebeneinkünfte erfolgt im Rahmen Ihrer Einkommensteuererklärung.

Ich will ein Kleinunternehmen zur Vermarktung von Industrietextilien gründen. Muss ich die doppelte Buchführung anwenden?

Eine doppelte Buchführung ist für Unternehmen vorgesehen, die Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches sind. Alle anderen Kleinunternehmen, die einen Umsatz von über 600 000 Euro bzw. einen Gewinn von 60 000 Euro pro Jahr erwirtschaften und nicht im Handelsregister eingetragen sind, sind nach steuerlichen Vorschriften buchführungspflichtig.

Was ist zu beachten, wenn ich Familienmitglieder in meinem Unternehmen beschäftigen will?

Helfen Familienmitglieder beim Aufbau des Unternehmens mit, sollten mit diesen ebenso wie mit fremden Arbeitnehmern Arbeitsverträge mit genauer Tätigkeitsangabe geschlossen werden. Auch hier gilt der Mindestlohn. Die Arbeitsverträge müssen einem Fremdvergleich standhalten, d. h. inhaltlich müssen sie dem eines Vertrages unter Fremden entsprechen.

Für mein Geschäft möchte ich gerne mit einem Subunternehmer zusammenarbeiten. Worauf ist zu achten?

Werden Subunternehmer für Sie tätig, sollten Sie vor Beginn der Tätigkeit klären, ob es sich hierbei um eine selbständige Tätigkeit oder Angestelltentätigkeit handelt. Scheinselbständigkeit sollte ausgeschlossen werden. Im Zweifelsfall sollten Sie eine fachkundige Stelle hinzuziehen, darunter fallen beispielsweise Steuerberater oder Rechtsanwälte.

Welche Kosten für Werbegeschenke können bei den Betriebsausgaben steuerlich geltend gemacht werden?

Die Kosten für Werbegeschenke sind nicht unbegrenzt abzugsfähig. Diese Grenze liegt derzeit bei netto 35 Euro pro Kunde und Wirtschaftsjahr.

Wann gehört der Firmenwagen zum Betriebsvermögen?

Ob Ihr Firmenwagen dem Betriebsvermögen oder Ihrem Privatvermögen zugeordnet wird, entscheidet sich durch die Nutzung des Fahrzeugs. Wenn Sie den Firmenwagen zu mehr als 50 Prozent betrieblich nutzen – dazu zählen auch Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte – gehört er zwingend zum Betriebsvermögen. Liegt die Nutzung unter zehn Prozent, gehört er zum Privatvermögen. Bei einer Nutzung zwischen zehn und 50 Prozent haben Sie die Wahl, ob Sie das Fahrzeug dem Betriebs- oder dem Privatvermögen zuordnen wollen.

Sind die Verluste zu berücksichtigen, wenn ich als Einzelunternehmer scheitere?

Die Verluste sind im Rahmen der Einkommensteuererklärung dem Finanzamt zu erklären. Hierzu sollten Sie alle Unterlagen als Nachweis aufbewahren. Das Finanzamt prüft im Rahmen der Veranlagung, inwieweit die Verluste berücksichtigt werden.