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Gesundheit Maßgeschneiderte Krebs-Therapie

Jeder Vierte wird im Laufe seines Lebens mit der Diagnose Krebs konfrontiert werden. Allerdings muss dies heute kein Todesurteil mehr sein.

Von Prof. Dr. Jens Schreiber und Prof. Dr. Dr. Johannes Haybäck 03.10.2019, 23:01

Magdeburg (vs) l Die Behandlungsmöglichkeiten und die Therapieerfolge haben sich in den letzten Jahren in bisher unvorstellbarem Maße rasant verbessert. Dies ist vor allem auf eine individualisierte, für den konkreten Patienten und den konkreten Tumor maßgeschneiderte Therapie zurückzuführen. Eine derartige personalisierte Therapie muss die Besonderheiten des jeweiligen Patienten und der spezifischen Tumorerkrankung auf der einen, und die biologischen, molekularen und immunologischen Eigenschaften des bösartigen Tumors auf der anderen Seite berücksichtigen.

Für eine Therapieentscheidung sind die Art der Krebserkrankung, die Ausdehnung des Tumors, das Vorliegen von Tochtergeschwülsten, sogenannten Metastasen, der Allgemeinzustand des Patienten und selbstverständlich seine persönlichen Wünsche und Erwartungen wesentlich.

Während noch vor wenigen Jahren das Vorliegen von Metastasen mit Unheilbarkeit gleichgesetzt wurde, wissen wir inzwischen, dass bei nur wenigen Metastasen, der sogenannten Oligometastasierung, immer noch eine Heilung realistisch sein kann. Dies setzt allerdings eine sehr enge Abstimmung zwischen den verschiedenen medizinischen Fachrichtungen voraus.

So muss jede Therapieentscheidung für jeden Patienten mit einer Krebserkrankung in einem interdisziplinären Tumorboard individuell ausführlich diskutiert werden.

In den letzten Jahren hat die medizinische Wissenschaft die Krankheitsmechanismen immer besser geklärt, wie es überhaupt zu einer bösartigen Entartung von Köperzellen und damit zur Krebsentstehung kommen kann. Dies sind molekulare Veränderungen in der Regulation von Zellwachstum und Zellteilung, was ein ungehindertes Zellwachstum ermöglicht. Wichtig sind krankhafte Veränderungen im Erbmaterial der Tumorzellen, die sogenannten Mutationen.

Es wurden und werden zahlreiche, hochwirksame neue Medikamente entwickelt, die ganz gezielt an diesen molekularen Veränderungen der Krebszellen angreifen. Der Einsatz derartiger Medikamente setzt jedoch voraus, dass mit sehr aufwendigen Methoden der molekularen Pathologie, diese Veränderungen im Erbmaterial der Krebszellen nachgewiesen werden, damit die Patienten ganz gezielt und individuell behandelt werden können.

Ein weiterer sehr wichtiger Durchbruch in der Behandlung von Krebserkrankungen war das Verständnis, wie sich die bösartigen Tumore vor dem Immunsystem der Patienten schützen. Krebszellen können an ihrer Oberfläche spezielle Moleküle ausbilden, die es dem körpereigenen Immunsystem unmöglich machen, die Krebszellen als fremd und schädlich zu erkennen und abzutöten. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse führten dazu, dass sogenannte Antikörper entwickelt wurden, die diese Moleküle blockieren. Dadurch wird es möglich, dass das Immunsystem die Krebszellen angreift und abtötet. Auch für diese sogenannte Immuntherapie ist es erforderlich, dass mit speziellen Methoden der Pathologie untersucht wird, welche Moleküle auf den Krebszellen und Immunzellen nachweisbar sind.

Eine weitere wichtige wissenschaftliche Erkenntnis ist, dass sich die molekularen Veränderungen in Krebszellen im Laufe der Zeit und unter einer Behandlung verändern können. Deshalb kann es erforderlich sein, unter einer Therapie erneute Gewebsproben mit Hilfe der molekularen Pathologie zu untersuchen und die Therapie individuell anzupassen. Eine Alternative hierzu kann die sogenannte Liquid Biopsy darstellen. Hierbei werden Mutationsprofile aus dem Blut erstellt, was dem Patienten oftmals eine erneute Biopsie ersparen kann.

Um diesen Entwicklungen gerecht zu werden und für die Patienten die bestmögliche personalisierte Therapie zu finden, werden sogenannte molekulare Tumorboards durchgeführt. In diesen molekularen Tumorboards diskutieren Kliniker, Pathologen, Molekularpathologen und Genetiker die Ergebnisse der molekularpathologischen Analysen und versuchen für die konkreten Patienten die bestmögliche und erfolgversprechendste Therapie zu finden. Dies ist allerdings noch nicht für jede Krebserkrankung möglich. Allerdings ist der Fortschritt in der Krebsdiagnostik und -therapie derartig rasant, dass ständig neue Moleküle entdeckt und neue Medikamente entwickelt und für die Therapie zugelassen werden.Die personalisierte Therapie von Krebserkrankungen stellt einen großen Fortschritt dar. Sie hat Behandlungserfolge ermöglicht, die noch vor wenigen Jahren undenkbar waren. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist neben modernsten diagnostischen Methoden vor allem der enge Dialog zwischen medizinischen und naturwissenschaftlichen Fachrichtungen.