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Urologie Immuntherapien schützen die Blase

Spezialisten aus ganz Deutschland beraten in Magdeburg über Neuerungen in der Urologie.

Von Uwe Seidenfaden 18.01.2016, 00:01

Magdeburg l Am Wochenende diskutierten mehr als 250 Urologen, Krebsmediziner und Strahlentherapeuten in Magdeburg über neue diagnostische und therapeutische Entwicklungen. Ein Themenschwerpunkt war der Blasenkrebs.

Wie bei den meisten Tumorarten gilt auch für das Harnblasen-Karzinom, dass die Überlebenschancen umso besser sind, je frühzeitiger es entdeckt wird. Meist beginnt dieser Tumor mit Veränderungen des Inneren der Harnblase. Im Frühstadium können Urologen die Tumorzellen mit einer durch die Harnröhre eingeführte Elektroschlinge abtragen. Mediziner sprechen dabei von einer transurethralen Resektion, abgekürzt TUR. Die Harnblase bleibt bei dieser Therapie erhalten.

Leider wächst der Blasenkrebs meist sehr aggressiv. Zum Zeitpunkt der Diagnose ist er oftmals schon in die Muskelschicht der Blasenwand vorgedrungen. Dann müssen die Urologen die gesamte Harnblase entfernen, und dazu meist auch noch einen Teil der umgebenden Organe wie Prostata oder Gebärmutter und Eierstöcke. Um auch diejenigen Tumorzellen zu zerstören, die sich der operativen Entfernung entzogen haben, sollte im Anschluss eine Chemotherapie durchgeführt werden.

Die meist älteren, von weiteren Erkrankungen wie Herz- und Nierenschwäche betroffenen Patienten, vertragen leider nicht immer diese sehr aggressive Chemotherapie, schränkte Professor Ulrich Keilholz vom Comprehensive Cancer Center an der Charité Berlin ein. Das ist ein Grund dafür, dass über die Hälfte der Patienten mit einem Harnblasen-Karzinom innerhalb von fünf Jahren verstirbt. Auf dem Kongress wurde teils kontrovers darüber diskutiert, ob künftig mehr Patienten eine Chemotherapie vor der Blasenentfernung angeboten werden sollte. Das Ziel der sogenannten neoadjuvanten Chemotherapien ist es, den Tumor vor der OP zu schrumpfen. Leider gelingt das nicht bei jedem Patienten.

Bislang gibt es beim Harnblasen-Karzinom keine diagnostische Möglichkeit, die wirklich geeigneten Patienten herauszufinden, bemängelte Professor Markus Kuczyk von der Klinik für Urologie und urologische Onkologie der Medizinischen Hochschule Hannover. So kommt es leider immer wieder vor, dass Patienten durch die Platinhaltigen Zellgifte der Chemotherapie einen zusätzlichen Verlust an Lebensqualität erleiden, und der Krebs trotzdem weiterwächst.

Die gute Nachricht vom Symposium ist, dass vermutlich schon in wenigen Jahren neuartige Immuntherapien die Behandlung des fortgeschrittenen Harnblasen-Karzinoms deutlich verbessern werden. Die neuen Therapien beruhen auf den jüngsten Erkenntnissen der Molekularbiologie, so Tagungsleiter Professor Martin Schostak von der Magdeburger Uniklinik für Urologie und Kinderurologie. So lassen sich inzwischen durch genetische Tests an bestimmten Eiweißen namens NMP 22 und PD-1, die mit dem Urin ausgeschieden werden, erkennen, ob und in welchem Umfang gesunde Zellen durch den Krebs zugrunde gehen. Das führte zu neuen, zielgerichtet auf die genetischen Veränderungen wirkenden Medikamenten wie Atezolizumab, Nivolumab und Pembrolizumab. In multizentrischen Studien mit Krebspatienten zeigten sie bereits einen deutlichen Überlebensvorteil bei vergleichsweise geringen Nebenwirkungen.

Privatdozentin Dr. Gunhild von Amtsberg, Onkologin am Universitätsklinikum Hamburg/Eppendorf, stellte einige mutmachende Studienergebnisse vor. Vieles spricht dafür, dass schon in naher Zukunft die Vielfalt der Behandlungsmöglichkeiten des Harnblasen-Karzinoms deutlich zunehmen wird. Das macht es aber auch umso wichtiger, die geeigneten Patienten für die zunehmende Zahl der Therapie-Regime zu finden. Diese Aufgabe müssen sich Urologen, Onkologen und Strahlenmediziner künftig gemeinsam und mit Unterstützung von Fachgesellschaften und Organisationen wie der Deutschen Krebshilfe stellen, fasste Professor Jan Roigas vom Vivantes Prostatazentrum in Berlin zusammen.

Ungeachtet dessen kann jeder Mann und jede Frau selbst etwas zur Verringerung des eigenen Blasenkrebs-Risikos tun. Das größte Risiko ist nämlich das Rauchen. Die im Tabakrauch enthaltenen Zellgifte werden u.a. in der Nieren verstoffwechselt und mit dem Harn ausgeschieden. Zuvor werden sie aber stundenlang in der Blase zwischengespeichert – Zeit genug, die Schleimhautzellen zu schädigen und bösartig entarten zu lassen. Dazu muss es nicht kommen.