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Herzschrittmacher Mini-Taktgeber für kranke Herzen

Die Miniaturisierung der Elektronik schreitet voran. Jüngstes Beispiel: Ein Herzschrittmacher, der kaum größer als ein Fingernagel ist.

Von Uwe Seidenfaden 03.03.2016, 00:01

Magdeburg l Das Herz ist eine natürliche Pumpe. Ein kleiner Bereich von Zellen in der oberen rechten Herzkammer (der Sinusknoten) erzeugt elektrische Impulse, die zu regelmäßigen Kontaktionen des Herzmuskels führen. So wird das Blut durch den Körper gepumpt.

Menschen mit einem gesunden Herzen haben in Ruhe etwa 50 bis 90 Herzschläge pro Minute. Bei Menschen mit Herzklappenfehlern kann es zu längeren Pausen zwischen den Herzschlägen kommen. Die von Ärzten als Bradykardie bezeichnete Rhythmusstörung kann zu vorübergehenden Schwäche- und Schwindelanfällen bis hin zur Bewusstlosigkeit führen. Eine Folge davon können schwere Unfälle sein.

„In der Behandlung der Bradykardie haben sich seit über fünf Jahrzehnten Herzschrittmacher bewährt“, so Prof. Rüdiger Braun-Dullaeus, Direktor der Kardiologie des Universitätsklinikum Magdeburg. Weltweit leben schon mehrere Millionen Menschen mit solchen technischen Implantaten – in Deutschland sind es nach Angaben der Deutschen Herzstiftung mehr als 250  000.

Die künstlichen Taktgeber bestehen bislang aus einem Aggregat, das mit zwei isolierten Drähten (Elektroden) verbunden ist. Das Aggregat enthält die Batterie und Elektronik. Es wird bei einem kleinen operativen Eingriff meist im Brustbereich unter die Haut implantiert. Die Elektroden setzen die Kardiologen endoskopisch mittels eines Herzkatheters ein.

In den 1970er Jahren waren die Schrittmacher-Aggregate so groß wie eine Schuhcremedose. Mittlerweile schrumpften sie um mehr als die Hälfte etwa auf die Größe einer Herren-Armbanduhr.

Herzschrittmacher sind nicht nur Impulsgeber. Sie überwachen auch Herzfunktionen und können sich automatisch der körperlichen Belastung anpassen.

„In jüngster Zeit zeichnet sich eine neue Generation von Herzschrittmachern ab, die noch wesentlich kleiner sind und ohne Elektroden direkt in das Herz eingesetzt werden“, so Dr. Blerim Luani, Oberarzt im Bereich Elektrophysiologie der Kardiologischen Uniklinik. Sie ähneln einem kleinen Zäpfchen mit weniger als zwei Zentimeter Länge und einer Hülle aus Titan. „Wir setzen sie mit Hilfe eines Herzkatheters ein, den wir unter Röntgensicht von der Beinvene bis in das Herz vorschieben“, erklärt der Oberarzt.

Der Vorgang ähnelt dem Einsetzen der Elektroden bisheriger Schrittmacher. Neu ist, dass der Minischrittmacher ohne Elektroden auskommt. Weltweit gibt es derzeit zwei Arten kabelloser Schrittmacher, die sich in der Art der Verankerung unterscheiden. Während das sogenannte „NanostimTM-System“ mit einer Helix in den Herzmuskel „eingeschraubt“ wird, verankert sich das „MicraTM-System“ mit vier kleinen Haken im Gewebe der rechten Herzkammer. Außerhalb von klinischen Studien ist in Deutschland bisher nur das „MicraTM-System“ zugelassen.

Die Klinik für Kardiologie des Magdeburger Uniklinikums ist das erste Krankenhaus in Sachsen-Anhalt, das diese Implantate einer US-Firma einsetzt. Bislang kann der neue Schrittmacher nur eine Herzkammer stimulieren. Er kommt prinzipiell in Frage für ältere Patienten mit

– einem zu langsam schlagenden Herzen als Folge einer Störung des Sinusknotens und

– ungünstigen Voraussetzungen für das Einsetzen einen Schrittmacher-Aggregates. Die grundsätzlichen Vorteile sieht Dr. Luani in der prinzipiell geringeren Komplikationsrate aufgrund des Fehlens von Elektroden und der deutlich geringeren Größe.

Zu erwarten ist eine durchschnittliche Lebensdauer der Batterie von etwa zehn Jahren, ähnlich den bisherigen Einkammer-Herzschrittmachern. Für die Kontrolle durch den Kardiologen gelten ähnliche Nachsorgetermine. Eine spätere Entnahme des Mini-Gerätes ist nicht vorgesehen. Man kann es aber abschalten und durch ein neues ersetzen.

Die bisherigen Erfahrungen mit mehreren hundert Patienten weltweit, denen ein Mini-Schrittmacher eingesetzt wurde, seien sehr ermutigend, so Professor Braun-Dullaeus. In Entwicklung sind bereits weitere Mini-Herzschrittmacher, die mehrere Herzkammern stimulieren und mit implantierten Elektroschocksystemen (Kardioverter-Defibrillator, ICD) kommunizieren können.