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Patientenrechte Hilfe im Konfliktfall

Die Verjährungsfristen für den Schmerzensgeldanspruch wurden auf drei Jahre verkürzt.

Von Uwe Seidenfaden 26.04.2016, 01:01

Magdeburg l Kranke können medizinische Hilfe erwarten. Ein Recht auf Heilung gibt es nicht. Im Graubereich dazwischen kann es leicht zu Fehlern kommen. Wie lässt sich das vermeiden?

Nicht immer stellt sich ein Behandlungserfolg sofort ein. Ärzte klären ihre Patienten in der Regel darüber auf. Treten danach ungewöhnliche Beschwerden auf, die nicht geklärt werden können, hat der Patient mehrere Möglichkeiten.

Wurde man beispielsweise von einem Arzt in einer Klinik behandelt, kann man sich an die Klinikleitung wenden. Unterstützung erhalten Patienten auch von den Unabhängigen Patientenberatungs- stellen und der Krankenkasse, bei der sie versichert sind, und von der Schlichtungsstelle der Norddeutschen Ärztekammern. Letztlich besteht jederzeit auch die Möglichkeit, einen Rechtsanwalt mit Spezialisierung Medizinrecht einzuschalten.

In der Regel liegt die Beweislast vor Gericht immer beim Patienten und nicht beim Arzt oder der Klinik. Der Patient muss einen Zusammenhang zwischen dem ihn entstandenen Schaden und dem Fehler des Arztes oder der Klinik belegen können. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Arzt grob fahrlässig gehandelt hat. Dann gilt die sogenannte Umkehr der Beweislast. Dann muss der Arzt beweisen, dass der Schaden des Patienten nicht mit der Behandlung zusammenhängt.

Grob fahrlässiges Verhalten bedeutet, dass der Arzt eindeutig gegen ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen hat und er „einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf“, urteilte der Bundesgerichtshof im Jahr 2001 (Az: VI ZR 418/99).

Grob fahrlässiges Verhalten ist beispielsweise, wenn die gesunde Niere statt der kranken Niere operiert wurde. Ein Verstoß gegen „die anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst“ liegt vor, wenn Ärzte ein Röntgenbild falsch auswerten. In einem vor dem Oberlandesgericht Köln verhandelten Fall, hatte ein Orthopäde bei einer Frau einen Fersenbruch übersehen. Als Folge der Fehldiagnose kam es zu einer Gehbehinderung. In diesem Fall gestanden die Richter der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 15  000 Euro zu (Az.: 5 U 226/01).

Ein Fall von Körperverletzung kann aber auch schon vorliegen, wenn eine Röntgenuntersuchung unnötig durchgeführt wird und der Patient nachweislich zunächst keine gesundheitlichen Probleme davontrug, urteile der Bundesgerichtshof (Az.: 2 StR 397/97). Die Richter entschieden so, weil Röntgenstrahlen zu genetischen Veränderungen im Körper führen und das Krebsrisiko erhöhen können.

Ein Verstoß gegen die ärztliche Sorgfaltspflicht kann auch vorliegen, wenn der Patient vor der Behandlung nicht ausreichend über mögliche Komplikationen und Folgeschäden aufgeklärt wurde.

Bei dem Verdacht einer Fehlbehandlung sollte man sich möglichst umgehend um Hilfe bemühen. Der Grund ist eine Neuregelung der Verjährungsfrist. „Seit dem 1. Januar 2002 gilt eine regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld von drei Jahren, nachdem der oder die Patientin Kenntnis vom Behandlungsfehler erlangt hat“, so Annette Holthöfer Rechtsassessorin der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland.

Für Fälle, in denen die Verjährungsfrist bereits vor dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hatte, sieht das Gesetz Übergangsvorschriften vor. Für die Aufbewahrungsfristen der Krankenunterlagen gelten verschiedene Regelungen. So sieht die Röntgenverordnung eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren für Röntgenbilder vor. Allgemein gilt eine Aufbewahrungsdauer für Krankenakten von 30 Jahren.

Patienten können durch eine sogenannte Schweigepflicht-Entbindungserklärung einen Vertreter ihrer Krankenkasse bevollmächtigen, die Krankenhausakte einzuholen. Die Kasse hilft auch dabei, vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein Sachverständigengutachten einzuholen, das der Versicherte nicht extra bezahlen muss.

Kostenfrei für den Patienten sind nach Auskunft von Simone Heinemann-Meerz, Präsidentin der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, auch die Verhandlungen vor der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern (siehe Infokasten). Die Schlichtung erfordert einen formlosen schriftlichen Antrag des Patienten.

Die Ärzte, Juristen und Patientenvertreter in der Schlichtungsstelle arbeiten ehrenamtlich. Eventuelle Gutachterkosten tragen die Versicherer des Arztes bzw. der Krankenhausträger. Schlichtungsstellen geben allerdings nur Empfehlungen ab. Sie fällen keine Urteile und legen auch nicht die Höhe des Schmerzensgeldes fest.

Über finanzielle Ansprüche muss man sich entweder außergerichtlich mit der Haftpflichtversicherung des Arztes einigen oder die Forderung vor einem Gericht einklagen.

Finanzielle Ansprüche können neben Schmerzensgeld zum Beispiel auch Schadenersatz bei Verdienstausfall, für zusätzlich entstandene Kosten bei der Haushaltsführung oder für die Kosten von Hilfsgeräten (z.B. Rollstuhl) bestehen.

Wer mit dem Ergebnis der Schlichtungsverhandlungen unzufrieden ist, kann den Rechtsweg über ein Zivil- oder Strafrechtsverfahren einschlagen. Hilfe bei der Suche nach einem versierten Anwalt gibt die Anwaltskammer Sachsen-Anhalt und die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein.

Wichtig zu wissen: Bei der Einschaltung eines Rechtsanwalts entstehen Kosten. Die Mitarbeiter der Unabhängigen Patientenberatung empfehlen deshalb, vorher zu klären, mit welchen Kosten zu rechnen ist. Ein Problem ist leider, dass medizinrechtliche Verfahren vor Gerichten oftmals viele Jahre dauern. Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, sollte vorher unbedingt eine Deckungszusage einholen.

Kläger, die keine Rechtsschutzversicherung haben, können unter Umständen Prozesskostenhilfe beanspruchen. Diese deckt allerdings nicht die Prozessführungskosten der Gegenseite, falls man selbst den Prozess verliert.