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Entbindungen Wehenschmerz mit Lachgas mildern

Das Stendaler Johanniter-Krankenhauses bietet Gebärenden ein Distickstoffmonoxidgemisch an, das den Wehenschmerz mildert.

Von Kerstin Singer 30.05.2016, 01:01

Stendal l Braucht eine Frau während der Geburt eine Schmerzlinderung, dann kann sie am Johanniter-Krankenhaus Lachgas ausprobieren. Petra Keller, Leitende Hebamme, rollt dann eine große Gasflasche herein, die mit einem Gemisch aus 50 Prozent Lachgas (Distickstoffmonoxid) und 50 Prozent Sauerstoff gefüllt ist. „Innerhalb von drei Minuten setzt die Wirkung ein, so schnell ist sie nach dem Absetzen der Maske auch wieder weg“, erklärt Oberarzt Dr. Alexander Neumann. Über eine Atemmaske kann die Gebärende selbst dosieren, wie viel sie einatmen möchte. Der Wehenschmerz ist dadurch nicht völlig weg, sondern ihm werden die Spitzen genommen.

Das kann Eileen Reinhold bestätigen. Die 33-Jährige aus Tangermünde hat im Mai in Stendal ihre zweite Tochter entbunden und etwa drei Stunden vor der Geburt Lachgas ausprobiert. Sie empfand es als Erleichterung. „Ich fühlte mich etwas benebelt, ja fast euphorisch“, berichtet sie. Es sei angenehm gewesen, über die Maske ein- und auszuatmen. Die Schmerzlinderung sei bei ihr genauso stark gewesen wie bei der PDA, die sie bei der Geburt ihrer ersten Tochter hatte.

Neumann sieht einen großen Vorteil des Lachgases gegenüber anderen Schmerzmitteln darin, dass der Geburtsverlauf nicht verzögert wird. Auf seiner Station hat er es zunehmend mit sehr langen Geburten zu tun. Gebremst werden diese zum Beispiel durch Periduralanästhesien (PDA) und Spinalanästhesien (SP), bei denen die Betäubung nahe dem Rückenmark geschieht. Im Gegensatz zu diesen beiden Methoden kann Lachgas in allen Geburtsphasen und auch bei Frauen angewendet werden, die unter Gerinnungsstörungen leiden.

Lachgas als Schmerzmittel ist nichts Neues in der Geburtsmedizin. Das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle wendet es seit 2013 an, in Skandinavien ist es ebenfalls weit verbreitet, in Magdeburg bietet es derzeit noch keine Klinik an. In den 1960er und -70er Jahren war es jedoch in deutschen Geburtskliniken noch im Angebot. Damals habe es aber noch keine fertigen Gemische gegeben, dadurch habe die Gefahr einer Überdosierung für Mutter und Personal bestanden, so Neumann. Das sei jetzt nicht mehr der Fall. Das Krankenhauspersonal bekomme nichts mehr ab, weil die Frauen durch die Maske ein- und ausatmen.

Allerdings gibt es Frauen, die sich durch Lachgas schwindelig und benommen fühlten, unter Übelkeit und Erbrechen litten. „Mein Gesicht fing an zu kribbeln, der Kreislauf ging runter“, berichtet Eileen Reinhold über die Symptome, als sie das Lachgas zu lange einatmete. Insgesamt nutzte sie es nach eigener Einschätzung für eine Dreiviertelstunde. Als sie die Maske absetzte, verschwanden die Nebenwirkungen jedoch nach wenigen Minuten.

Warum Distickstoffmonoxid auch Lachgas genannt wird, ist nicht ganz klar. „Es könnte an der manchmal leicht euphorisierenden Wirkung liegen“, vermutet Neumann. Es sei aber nicht zu befürchten, dass die Gebärende Lachkrämpfe bekäme. Auswirkungen auf das Kind konnte der Oberarzt bislang nicht feststellen. Der Apgar-Test beim Baby nach der Geburt habe keine Abweichungen gezeigt.

Es gibt jedoch Vorbehalte. In einer gemeinsamen Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin sowie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe wird darauf hingewiesen, dass die Nebenwirkungen für Mutter und Kind noch nicht hinreichend erforscht und weitere Studien nötig seien. Bei jeder Geburt sollten daher Nutzen und Risiko gegeneinander abgewogen werden.

Hebamme Petra Keller sieht im Lachgas ein zusätzliches Angebot für die Frauen. Erst innerhalb der Geburt lasse sich herausfinden, welche Schmerzlinderung passe. Bislang sei es bei den Gebärenden sehr gut angekommen. „Ich würde es wieder machen“, so Eileen Reinhold.