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Ernährung Cranberry ist völlig überschätzt

Stiftung Warentest und Ernährungswissenschaftler sind sich einig: Säfte aus Cranberry, Granatapfel und Aronia sind keine Vitamin-Bomben.

Von Kerstin Singer 17.11.2016, 00:01

Magdeburg l Bis zu 10 Euro pro Liter kosten fertige Säfte aus Cranberrys, Granatäpfeln oder Aroniabeeren. Nach Einschätzung der Stiftung Warentest sowie Ernährungswissenschaftler Dr. Ronald Biemann von der Universitätsklinik Magdeburg kann man sich diese Investition jedoch sparen.

Anders als die frischen Beeren enthielten die Säfte zum Beispiel überhaupt kein Vitamin C mehr. Auch andere gesundheitliche Vorteile sind nicht belegt. Cranberrysaft soll beispielsweise vorbeugend gegen Blasenentzündung wirken. Im Labor konnte tatsächlich gezeigt werden, dass die Wirkstoffe das Festsetzen von Bakterien an der Blasenwand verhindern. Studien an Menschen brachten jedoch keinen Beleg dafür.

Granatapfelsaft soll durch einen hohen Gehalt an Polyphenolen vor Herz- und Krebserkrankungen schützen, Aroniabeeren durch Anthocyane gegen Entzündungen wirken und Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugen. Laut Stiftung Warentest fehlt bislang der wissenschaftliche Nachweis, dass die drei Früchte wesentlich besser für die Gesundheit seien als eine ausgewogene Ernährung mit Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und Nüssen. Dr. Ronald Biemann hält es auch aus ökologischen Gründen für sinnvoller, auf heimisches Obst und Gemüse zu setzen, statt auf exotische Beeren, die in südlichen Ländern unter erheblichem Aufwand und mit schädlichen Auswirkungen für Umwelt und Mensch angebaut werden.

„Streng genommen ist auch die Kartoffel ein Superfood, ebenso wie der Apfel. Beides sind wahre Vitaminbomben, direkt aus dem Garten“, erklärt er. Unter Vitamin-C-Mangel leidet heutzutage kaum ein gesunder Menschen. Denn der Bedarf lässt sich leicht über die Ernährung befriedigen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt erwachsenen Männern, 110 Milligramm, und Frauen, 95 Milligramm Vitamin C aufzunehmen. Dies entspricht einer halben Paprikaschote, einem 0,2-l-Glas Orangensaft, zwei Kiwis oder drei großen Kartoffeln. Daneben sind aber auch Spinat, Rosenkohl, Grünkohl und Brokkoli sehr reich an Vitamin C.

Die Hypothese, dass eine tägliche Einnahme von hohen Dosen an Vitamin C vor Erkältungskrankheiten schützt, sei bereits seit langem widerlegt, so Biemann. Wer jedoch erkältet sei, könne durch Vitamin C die körpereigenen Abwehrkräfte möglicherweise unterstützen.

So deuten zahlreiche Studien darauf hin, dass Vitamin C zumindest Dauer und Schwere der Erkältungskrankheit positiv beeinflussen kann. „Jedoch sind auch diese Ergebnisse nicht ganz eindeutig“, sagt der Ernährungswissenschaftler. Aus diesen Gründen könne er nicht allgemein empfehlen, die Vitamin-C-Zufuhr im Winter zu steigern. Kritischer sieht er hingegen eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D, besonders im Winter. Vitamin D wird vor allem in der Haut gebildet, wenn sie mit den UV-Strahlen des Sonnenlichts in Kontakt kommt. Bei älteren Menschen nimmt diese Fähigkeit jedoch ab. Im Winter lebt der Körper von seinen Reserven aus dem Sommer. Denn die UV-Strahlung ist in Deutschland zu schwach. Biemann rechnet damit, dass 80 Prozent der Bevölkerung im Winter unterversorgt seien. Das hat Folgen.

Neuere Studien weisen darauf hin, dass Vitamin D einen direkten Einfluss auf unser Immunsystem hat, indem es spezielle Immunzellen aktiviert. Diese können Krankheitserreger gezielt angreifen. „Möglicherweise können niedrigere Vitamin-D-Spiegel im Winter Grund dafür sein, dass Krankheitserreger leichteres Spiel haben“, vermutet Biemann.

Ob eine zusätzliche Einnahme von Vitamin D vor Krankheiten schützt, wird laut Biemann derzeit in Langzeitstudien getestet. Mit Lebensmitteln wie Butter, Milch oder Fisch sei es nicht möglich, den empfohlenen Tagesbedarf zu decken. Risikogruppen und ältere Menschen sollten ihren Arzt zu einer Vitamin-D-Einnahme befragen.