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Ernährung Bei Zucker macht die Dosis das Gift

Wer in der Fastenzeit Süßigkeiten meidet, kann dem Zucker dennoch nicht entkommen.

03.02.2016, 00:01

Magdeburg l Karola Lind ist eine Naschkatze. Die Magdeburgerin steht dazu. Dennoch will sie in dieser Fastenzeit auf Kuchen und Schokolade verzichten. Sie nennt das „ Zuckerdiät“ und hofft, zu Ostern ein paar Pfunde weniger zu wiegen.

Das sei schon mal ein guter Anfang, bestätigt Constanze Schulz. Die Diätassistentin/ Diabetesberaterin an der Magdeburger Universitätsklinik sagt aber: „Zucker steckt auch in fast allen zubereiteten Lebensmitteln aus dem Supermarkt. Deshalb sollten wir beim Einkaufen das Zutatenverzeichnis lesen. Das steht auf dem Etikett.“ Und was da zu lesen ist, bringt sogar die Fachfrau zum Staunen: Ein Weißkrautsalat aus dem Supermarkt besteht zu einem Zehntel aus Zucker. „200 Gramm aus dem Ein-Kilo-Eimerchen enthalten 21 Gramm Zucker, das ist so viel wie sieben Würfelzucker“, sagt sie. „Auf ein Kilo kommen dann 105 Gramm“, rechnet Karola Lind nach und staunt: „Das ist ja genauso viel Zucker, wie an einen Hefekuchenboden für einen Apfelkuchen kommt.“ Wohlgemerkt: Hier geht es um einen vermeintlich gesunden Rohkostsalat.

Constanze Schulz kennt viele solcher Zuckerfallen: Tiefkühlpizza, Ketchup, Cornflakes. Zucker steckt in Lebensmitteln, wo wir ihn nicht vermuten. Und auf dem Zutatenverzeichnis stößt man auf Substanzen, die süßen Geschmack bringen, aber nicht sofort als solche zu erkennen sind. „Es gibt 56 bis 60 Begriffe für Süßungsmittel“, sagt Constanze Schulz. „Alle Zutaten, die auf,-ose‘ enden, weisen auf eine Zuckerart hin“, erklärt sie. Also: Glukose, Laktose, Saccharose, Maltose, Fruktose (weiteres im Infokasten). Wir essen Zucker im Überfluss. Jeder Deutsche verdrückt pro Jahr etwa 35 Kilogramm Zucker. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Frauen 24 Gramm täglich = 8,76 kg im Jahr und für Männer 30 Gramm täglich = 10,95 kg im Jahr.

Süßes bestimmt unseren Geschmack. Im Bündnis mit Aromen führt der Zucker zu einer geschmacklichen Täuschung. So glaubt nicht nur Karola Lind, Kirschjoghurt zu essen, obwohl in einem 150 Gramm-Becher nur eine oder zwei Kirschen stecken. Doch nicht nur das: Immer, wenn wir Zucker zu uns nehmen, rast der Blutzuckerspiel in die Höhe. Das ist das Signal für die Bauchspeicheldrüse, viel Insulin zu produzieren. Dieses Hormon befördert den Zucker aus dem Blut in die Muskel- und Leberzellen. Danach fällt der Blutzuckerspiegel wieder ab und wir haben Hunger. Karola Lind gönnt sich in so einem Fall meist einen süßen Snack. Und dann: Ihr Blutzuckerspiegel steigt, in Strömen fließt das Insulin, Zucker ergießt sich in die Muskelzellen – und die Fettverbrennung hat Dauerpause. Der Körper nährt die Fettzellen kräftig und wird rund und runder. Und anfälliger für Diabetes und Bluthochdruck. Das mag als Beleg dafür gelten, dass die Dosis das Gift macht.

Eben darum mag Constanze Schulz nicht von wirklichem „Verzicht“ sprechen. Denn die in Obst, Gemüse und in Milch natürlich enthaltenen Zuckerarten reichen meist völlig aus. Deshalb kann der Mensch gut ohne zusätzlichen Industriezucker und vor allem Fructose leben. Karola Lind lässt bei ihrer ,Zuckerdiät‘ nur das weg, was sie ohnehin nicht braucht. Und das ist gut so. „Wir tun uns etwas Gutes zum Erhalt unserer Gesundheit und beugen damit Krankheiten vor.“ Die Expertin kennt so manchen Bericht, dass man sich wohler und munterer fühlt, nachdem der Zuckerverzehr deutlich verringert wurde.

Schwierig sei zuckerfreie Ernährung für Kinder. Kindern könne man das Naschen nicht verbieten, weiß Simone Luttat, Diätassistentin in der Magdeburger Uni-Kinderklinik. Gegen einen Keks oder ein Stück Kuchen zum Kindergeburtstag sei nichts einzuwenden. Aber Eltern sollten beachten, was sie ihren Kindern zu essen geben. „Selbstgemachtes Müsli aus Haferflocken, frischem Obst und Nüssen ist besser als Fertig-Müsli aus dem Supermarkt. Und anders als die sogenannten Fruchtbomben hat frisches Obst Ballaststoffe und viel weniger Zucker. Das ist auch besser für die Zähne, die obendrein etwas zum Kauen bekommen. Die ,Quetschies‘ brauchen die Kinder ja nur zu schlucken“, sagt Frau Luttat (siehe Kurzinterview).

Eigentlich sollte Zucker wie ein Gewürz verwendet werden, meint Constanze Schulz. Weil aber aller Anfang schwer ist, ermutigt sie jeden, der „Süßigkeitsfasten“ betreiben will, noch ein Stück weiterzugehen und Schritt für Schritt vom Zuckerberg herunterzukommen.

Man könne zum Beispiel für den Süßgeschmack etwas Obst einsetzen, Fruchtsäfte mit Wasser verdünnen und statt der stark gezuckerter Fertigmüslis aus dem Supermarkt sich selbst ein Müsli zubereiten. Und selbstgemachter Weißkrautsalat ohne Zucker schmeckt und ist gesund. „Je weniger Süßes gegessen wird, desto weniger möchten wir davon haben“, sagt Constanze Schulz. Vielleicht macht auch Karola Lind mit ihrer „Zuckerdiät“ diese Erfahrung. Sie muss nur durchhalten.