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Gesundheit Korrektur von Engpässen am Herz

Verengungen der Herzkrankgefäße reduzieren die Leistungskraft. Wird nicht gehandelt, ist ein Herzinfarkt vorprogrammiert.

Von Uwe Seidenfaden 07.10.2019, 01:01

Magdeburg l„Manche Patienten empfinden den Herzinfarkt als bedrohliche Brustenge, so als hätte ein Elefant sich auf ihren Oberkörper gesetzt“, sagt Prof. Dr. Hendrik Schmidt, Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Diabetologie im Klinikum Magdeburg und Leiter einer von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zertifizierten „Chest Pain Unit“ (Brustschmerz)-Zentrum in Sachsen-Anhalt. Deren Ziel ist es, Herzinfarktpatienten und Menschen mit einem hohen Infarktrisiko schnellstmöglich einer Behandlung zuzuführen.

Noch bis vor drei Jahrzehnten war es auch in Sachsen-Anhalts Kliniken üblich, die Herzinfarkt-Patienten mit Medikamenten zur Blutgerinnsel-Auflösung zu behandeln. Ablagerungen und Verstopfungen der größeren Herzkranzgefäße, die oftmals bleibende Schäden am Herzgewebe anrichten, konnten damit aber nicht immer beseitigt werden. Als effektiver erwies sich eine minimal-invasive Technik, die Ende der 1970er Jahre erstmals von einem deutschen Kardiologen in Zürich bei Patienten eingesetzt wurde. Dabei schiebt ein Kardiologe unter bildgebender Diagnostik einen dünnen Katheter von der Leiste bis zum verstopften Herzkranzgefäß. Dort angelangt dehnt ein kleiner, aufblasbarer Ballon die Engstelle von innen heraus auf. „Die Technik war ein großer Fortschritt“, resümiert Prof. Schmidt. Dadurch kann das Blut sofort wieder fließen und Herzmuskelschäden werden größtenteils reduziert. Voraussetzung ist, dass der Patient nach Auftreten der Symptome schnellstmöglich behandelt wird, denn „Zeit ist Muskel“, wie die Kardiologen sagen. Heute gehört die sogenannte Ballonkatheter-Intervention zum Standard der Behandlungen bei einem akuten oder drohenden Herzinfarkt, um die wiedereröffneten Koronargefäße möglichst viele Jahre nach der Diagnose offenzuhalten, werden zusätzlich kleine Gefäßstützen am Herzen eingesetzt. Die sogenannten Herz-Stents sind röhrenförmige, biegsame Spezialdrahtgeflechte, etwa so groß wie ein Strohhalm. Sie sind beschichtet und setzen in geringen Mengen Stoffe frei, die eine erneute Gefäßverstopfung sowie die Bildung von Thrombosen verhindern.

Zusätzlich müssen die meisten so behandelten Patienten ein Jahr lang nach dem Stent-Einsatz täglich eine blutverdünnende Tablette (Herz-ASS) und ein weiteres Medikament zur Hemmung der Blutplättchen einnehmen.„Der Stent-Einsatz bei einem akuten Herzinfarkt ist heute der in Deutschland empfohlene Standard. Nur wenn Patienten auf dem Lande nicht rechtzeitig in eine Klinik mit der erforderlichen Technik eingeliefert werden können, ist die medikamentöse Lysetherapie (Gerinnselauflösung) das Mittel der Wahl“, so der Leiter der Magdeburger Klinik. Da die filigranen Gefäßstützen aus Metallen nicht die Elastizität körpereigener Gefäße besitzen, kam vor Jahren die Idee auf, Stents zu entwickeln, die sich nach einer gewissen Zeit der Überbrückung von selbst auflösen. Auch die Implantation biologisch abbaubarer Stents sollte sich das Gefäß gewissermaßen wieder regenerieren.

Doch die erste Generation dieser „bioresorbierbaren Stents“, die 2011 zugelassen wurden, haben sich in wissenschaftlichen Studien noch nicht als überlegen gegenüber den Metallstents erwiesen. Daher werden nach den aktuellen Empfehlungen der Gesellschaft für Kardiologie die beschichteten Metallstents weiterhin als derzeit modernster medizinischer Standard in Deutschland eingesetzt. „Sie sind optimal ausgereift“ sagt auch der Magdeburger Kardiologe. Ganz abzuschreiben ist die Idee der bioabbaubaren Stents aber noch nicht. Im Gegenteil: Auf den bisher enttäuschenden Ergebnissen und deren Gründen aufbauend, arbeiten Forscher weltweit an neuen bioabbaubaren Herz-Gefäßstützen zum Beispiel mit geringerer Strebendicke. Im Rahmen wissenschaftlicher Studien werden sie eingesetzt. Auch die Mediziner am Magdeburger Klinikum beteiligten sich daran. „Die medizinische Forschung erfolgt oftmals in Wellen“, so der Chefarzt des Magdeburger Klinikums. Aus der Analyse enttäuschter Erwartungen erwachsen neue Hoffnungen.