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Grippe Wirbel um Grippeschutzimpfung

Bei Ärzten und Apothekern häufen sich Nachfragen nach einem angeblich besonders wirksamen Vierfach-Impfstoff gegen Grippe.

Von Oliver Schlicht 24.10.2015, 01:01

Magdeburg l Volksstimme-Leser Werner Herkt macht seinem Ärger in einem Leserbrief Luft: „Im Vorjahr gab es massenhaft Grippe-Erkrankungen, weil der durch die Kassen georderte Impfstoff keinen Schutz bot“, schreibt er und fürchtet, dass der „Billig-Impfstoff“ der Kassen auch in diesem Herbst keinen Schutz bietet. „Es gibt bessere Impfstoffe, die nur für Privatversicherte und Selbstzahler vorbehalten sind. Da stellt sich mir die Frage: Sind die normal versicherten Menschen Patienten zweiter Klasse?“

Tatsächlich wird in diesem Jahr viel über einen kostenpflichtigen Vierfach-Impfstoff berichtet, der besser sein soll als der von den Krankenkassen zur kostenlosen Impfung zugelassene Dreifach-Wirkstoff. Letzterer enthält drei Varianten des Grippevirus. Der vierfache Schutz würde also vor einem Grippestamm mehr schützen.

In Deutschland üblich waren bislang Impfstoffe mit dreifacher Virenstammausrichtung. Frei nach dem Motto „Vier ist besser als drei“ grassiert nun der Glaube, nicht den besten Grippeschutz zu bekommen. Anrufe in einigen Magdeburger Apotheken bestätigten das. „Viele Kunden haben danach gefragt. Aber inzwischen sind Vierfachimpfstoffe auch restlos ausverkauft“, so eine Apothekerin. Zum Beispiel der Wirkstoff Influsplit Tetra vom Hersteller GlaxoSmithKline (GSK). Man habe sich am Bedarf des Vorjahres orientiert, sagte gestern eine Sprecherin des Unternehmens dem Internet-Portal „Apotheke adhoc“. Sie kritisierte bestehende Rabattverträge der Krankenkassen: „Den Zuschlag erhalten die billigsten Anbieter.“ Qualität werde nicht berücksichtigt. „Deshalb stehen Kassenpatienten ausschließlich trivalente Impfstoffe zur Verfügung.“

Dr. Hartmut Knebel, praktischer Arzt in Magdeburg, bekam in den vergangenen Wochen häufiger Vertreterbesuch wegen des Vierfachimpfstoffes. „Mein Eindruck war, dass es in erster Linie darum ging, das Medikament den Patienten zu verkaufen.“ Auch er habe viele Gespräche über den richtigen Grippeschutz geführt. „Am Ende ist es die freie Entscheidung des Patienten, welchen Wirkstoff er möchte.“ Seine Empfehlung war aber, dem Dreifachwirkstoff zu vertrauen, dessen Herstellung auf dem Rat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beruht, so der Arzt. Alle Patienten in seiner Praxis seien dieser Empfehlung gefolgt.

Für den Einzelnen wäre die Entscheidung, ob Vier- oder Dreifachschutz, auch völlig irrelevant, sagt Caroline Isner, Medizinerin an der Klinik für Infektiologie und Pneumologie der Berliner Charité, zum Thema in einem Gespräch mit dpa. „Die WHO-Einschätzungen treffen meist zu. Wenn es nicht so richtig passt wie im vergangenen Jahr, ist das die Ausnahme“, so die Expertin.Da müsse man nicht gleich am Impfstoff zweifeln. „Vielleicht hat man etwas mehr Glück mit dem Vierfach-Impfstoff, aber ganz ehrlich: ein Stamm. Da weiß keiner, ob das noch mehr Schutz bringt.“

Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt will auf Nachfrage keine Bewertung darüber abgeben, welcher Impfstoff der bessere sei. Patienten, die auf eigenen Wunsch mit einem nicht rabattierten Impfstoff geimpft werden, müssten aber in jedem Fall die ärztliche Impfleistung und den Impfstoff privat bezahlen.

Eine Dosis des Vierfachimpfstoffes Influsplit Tetra kostet zum Beispiel 23 Euro – falls er auf Privatrezept noch irgendwo zu bekommen ist. Die Impfleistung schlägt laut aktuellem Leistungskatalog mit 10,75 Euro zu Buche.

Dr. Hartmut Knebel wäre sich, wie er sagt, „nicht so sicher, ob die Impfleistung keine Kassenleistung wäre, nur weil der Patient den Impfstoff selber bezahlen will“. Er rät in jedem Fall zur Grippeschutzimpfung zu gehen. Vor allem den Über-60-Jährigen.

Ab diesem Alter empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) die Impfung aller Personen. Im Grippe-Krankheitsfall sind ältere Menschen besonders gefährdet. Nach Angaben des Robert-Koch-Institutes in Berlin gehen nur etwa die Hälfte der Menschen in dieser Altersgruppe zur Impfung.