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Infarktrisiko Dauerstress schadet dem Herzen

Das Herz ist mehr als nur eine Blutpumpe: Dauerhafter Stress kann ihm schaden. Zu entspannen, ist daher wichtig.

Von Uwe Seidenfaden 04.06.2018, 01:01

Magdeburg l Der Tag der Hochzeit, die Geburt des ersten eigenen Kindes oder der Verlust eines lieben Angehörigen: Die schönen und die traurigen Erlebnisse können uns zu Herzen gehen. Im übertragenem Sinne kann das Herz vor Glück aus der Brust springen. Und es kann am Ende einer Liebe brechen.

Wie gut wir Menschen mit dem alltäglichen Stress umgehen, ist individuell verschieden. „Es hängt unter anderem von Erlebnissen ab“, so Prof. Dr. Jörg Frommer, Direktor der Magdeburger Uniklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Wer beispielsweise als kleines Kind einmal von einem Hund gebissen wurde, der werde wahrscheinlich auch im höheren Lebensalter mit einem beschleunigten Herzschlag reagieren, wenn plötzlich lautes Hundegebell ertönt.

Gesteuert wird der Herzschlag durch das vegetative Nervensystem und durch Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin. Gefährlich für das Herz wird es, wenn Menschen mit einer als bedrohlich empfundenen Situation überfordert sind und sich hilflos ausgeliefert fühlen. „Dann können Symptome auftreten, die denen eines Herzinfarktes stark ähneln, obwohl eine lebensbedrohliche Verengung bzw. Verstopfung von Herzkranzgefäßen nicht nachzuweisen ist“, erklärt Prof. Dr. Rüdiger Braun-Dullaeus, Direktor der Magdeburger Uniklinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie.

Erst in den 1990er Jahren konnten japanische Ärzte die organische Ursache feststellen: In diesen Fällen ist oftmals die linke Herzkammer im unteren Teil zeitweilig bioelektrisch inaktiv und anatomisch aufgeweitet, während der obere Bereich der Herzkammer verengt ist. Die Kardiologen aus Fernost nannten diese Herzstörung „Tako-Tsubo“ nach einer japanischen Tintenfischfalle, die einer bauchigen Vase mit starker Taille ähnelt. Unter Kardiologen in Europa ist dafür auch der Begriff Stress-Kardiomyopathie gebräuchlich.

„Im Vergleich zu echten Herzinfarkten tritt eine rein stressbedingte Tako-Tsubo-Kardiomyopathie seltener auf“, sagt Professor Braun-Dullaeus. Und sie bleibt seltener ohne bleibende Schäden am Herzmuskel als ein wirklicher Herzinfarkt. Voraussetzung ist jedoch, dass die Herzkranzgefäße des betroffenen Patienten noch in einem guten Zustand sind und keine Hinweise auf entzündliche Gefäßablagerungen bestehen. Überprüfen können Kardiologen das mit modernen Ultraschallgeräten und Kathetertechniken. Bis vor wenigen Jahren schätzten Experten die Prognose von Patienten mit einer stressbedingten Herzstörung als besser ein als die von sogenannten echten Herzinfarktpatienten.

Neuere Studien, die vor wenigen Wochen auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim präsentiert wurden, lassen jedoch Zweifel aufkommen. Wenn nämlich die Herzkranzgefäße durch entzündliche Ablagerungen vorgeschädigt sind, dann kann zusätzlicher emotionaler Stress durchaus einen lebensbedrohlichen Infarkt oder Schlaganfall auslösen.

Die Folgerung daraus: Stressgeplagte Menschen und Trauernde mit einem organischen Herzrisiko (Bluthochdruck, Diabetes, Raucher etc.), sollten die Warnzeichen eines Infarktes nicht verdrängen, sondern beim Auftreten ungewöhnlicher Symptome den Notarzt rufen.

„Niemand wird ihnen einen Vorwurf machen, wenn wir bei den Untersuchungen statt eines echten Herzinfarktes eine stressbedingte Kardiomyopathie feststellen“, bekräftigt Prof. Braun-Dullaeus. Und was ist vorbeugend zu tun? Mit psychischem Stress umzugehen will gelernt sein. Autogenes Training, Yoga, Muskelentspannung nach Jakobsen sind nur einige der körperlichen Übungen, die sich positiv auf Geist und Körper auswirken. Krankenkassen und andere Dienstleister bieten Trainingskurse an. „Ebenso wichtig ist der Erhalt sozialer Beziehungen für trauernde Menschen“, so Professor Jörg Frommer. Das erfordert ein mutiges Zugehen aufeinander unter Trauernden, Angehörigen und Freunden. Werden Trauer und sozialer Rückzug auch nach mehreren Wochen nicht überwunden, kann eine fachliche Hilfe von Psychotherapeuten sinnvoll sein.