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Medizin Wenn der Kloß im Hals den Appetit verdirbt

Am Universitätsklinikum Magdeburg werden mit moderner Diagnostik Entzündungen an der Speiseröhre untersucht.

Von Uwe Seidenfaden 04.07.2016, 01:01

Magdeburg l Unwillkürliche Rülpser und unangenehmer Mundgeruch sind den meisten Menschen peinlich. Häufig Grund für schlechten Atem sind üppige Mahlzeiten mit reichlich Knoblauch oder Rettich. Auch Alkohol oder eine schlechte Mundhygiene können ein Auslöser sein.

Häufiges saures Aufstoßen, ein brennendes Gefühl im Brustkorb, Schluckstörungen sowie ständiger Räusperzwang können allerdings auch Hinweise auf krankhafte Veränderungen der Speiseröhre (Ösophagus) sein. Deshalb raten Mediziner, die Ursache derartiger, wiederholt auftretender oder länger als vier Wochen anhaltender Beschwerden von Ärzten abklären zu lassen.

Die Speiseröhre von Erwachsenen ist ein etwa 20 Zentimeter langer und etwa zwei Zentimeter dünner elastischer Muskelschlauch. Er beginnt auf der Höhe des Kehlkopfes, zieht eng am Herz vorbei und endet am Mageneingang. In Struktur und Funktion ist die Speiseröhre eine Einbahnstraße. Mit wellenförmigen Bewegungen sorgt sie dafür, dass die im Mund vorzerkleinerten Speisen in Richtung Magen gelangen.

Nur etwa sechs bis zehn Sekunden dauert dieser Transport. Schließmuskel verhindern, dass saurer Magensaft zurück in die Speiseröhre strömt – auch nicht im Liegen oder bei einem Kopfstand.

Viele gesundheitliche Beschwerden entstehen, wenn die Speiseröhre ihre Funktion als Einbahnstraße verliert. Dann kann die eindringende Magensäure zu Entzündungen und krankhaften, mitunter sogar bösartigen Veränderungen der Zellen führen. Die oben genannten Symptome sind selten eindeutig.

Häufig erfahren Patienten erst spät, dass sie an einem Speiseröhrenkrebs erkrankt sind. Vorbeugende Kontrolluntersuchungen in Form eines Screenings wie beim Brust- oder Darmkrebs gibt es nicht. Die Fachärzte für Erkrankungen der Verdauungsorgane – sogenannte Gastroenterologen wie Professor Dr. Peter Malfertheiner vom Magdeburger Uniklinikum – hoffen, diese Situation mit Hilfe neuer diagnostischer Techniken verbessern zu können.

Leidet ein Patient wiederholt oder über Wochen an Brennen hinter dem Brustbein oder in der Magengegend, das nicht durch Herzprobleme oder eine Infektion mit dem Magenkeim Helicobacter pylori ausgelöst wird, erhält er zunächst meist Medikamente, die den Magensäurespiegel senken. Führt das nach vier bis acht Wochen nicht zu einer Besserung, oder treten noch andere Symptome wie Schluckbeschwerden, ein ständiges Kloßgefühl im Schlund, unerklärlicher Reizhusten oder säuerliches Aufstoßen auf, wird der Hausarzt meist weitergehende Untersuchungen beim Gastroenterologen veranlassen.

Zu den modernen Untersuchungen in Kliniken zählt die hochauflösende Endo-Mikroskopie – eine Weiterentwicklung der bisherigen Endoskopie. Während der Patient in Narkose oder lokaler Betäubung ist, führt der Arzt einen fingerdicken Schlauch durch den Mund in die Speiseröhre und gegebenenfalls weiter bis zum Zwölffingerdarm ein.

Mit hochauflösenden Mikroskop-Kameras suchen Ärzte nach entzündlich-krankhaften Zellveränderungen. Bei einem Magensäurerückfluss treten diese meist zuerst in der Nähe des Eingangs zum Magen auf. „Mit speziellen Licht-Filtertechniken können wir nicht nur die Ausdehnung, sondern auch die Art der Zellveränderungen, beispielsweise Dysplasien und Neoplasien innerhalb der Barrett-Schleimhaut, beurteilen“, so Professor Malfertheiner. Zur Sicherheit werden während der Endoskopie mit winzigen Zangen stichprobenartig kleine Gewebestücke für die weiterführende Diagnostik im Labor entnommen.

Auch bei der Untersuchung der Speiseröhren-Beweglichkeit und der Funktion des Schließmuskels am Mageneingang setzen die Fachärzte auf endoskopische Techniken.

Mit Sensoren (Elektroden) von Stecknadengröße, die in einem bleistiftdünnen Schlauch über die Nase bis an den Mageneingang gelangen, messen sie den Widerstand, den der spiralförmige Muskelring dem Rückfluss von Magenflüssigkeiten entgegensetzt und wie stark und säurehaltig der Flüssigkeitsrücklauf wirklich ist.

„Die Untersuchung (die kombinierte Impedanz und pH-Metrie-Messung) dauert 24 Stunden, währenddessen der Patient zu Hause normalen Tätigkeiten nachgehen kann und ein Tagebuch über die Einnahme von Speisen, Flüssigkeiten und Medikamenten führt“, erklärt Dr. Arne Kandulski von der Uniklinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie. Ein Rekorder, der 24 Stunden getragen wird, zeichnet dazu die Messdaten aus der Speiseröhre auf. Beides zusammen wertet der Arzt am Folgetag aus. „Solche Untersuchungen sind bei der Wahl weiterführender medikamentöser Behandlungen oder der Operationsplanung sehr wertvoll“, erklärt Professor Malfertheiner.

Um das Risiko von Entzündungen und bösartigen Erkrankungen zu reduzieren, raten die Mediziner die allgemeinen Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, den erhöhten Alkoholkonsum sowie eine einseitige Ernährung mit viel gepökeltem Fleisch zu vermeiden.

Eine hundertprozentige Sicherheit ist das jedoch nicht. Welche genetischen Faktoren bei der Entwicklung von Krebs in der Speiseröhre eine Rolle spielen, ist noch Gegenstand der Forschung.