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NahrungsgifteWie viel Gift steckt in unserem Essen?

Nahrungsgifte tauchen nicht auf der Zutatenliste auf oder werden verharmlost. Für Konsumenten können sie dennoch gefährlich werden.

Von Nuno Ramos und Sven Gernand 17.08.2018, 23:01

Magdeburg l Eigentlich ist der Fall klar: Wer sich gesund ernähren will, muss nur auf die Inhaltsstoffe achten. Logisch, wo viel Fett und Zucker draufsteht, erwartet niemand einen Gesundmacher. Doch was ist mit den Stoffen, die nicht in der Packungsangabe stehen? Was ist mit den Zutaten, die sich durch Hitze oder in Kombination mit anderen Mitteln verändern?

Im Sommer 2016 ließ die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Bombe platzen: Palmöl kann krebserregend sein, wenn es auf über 200 Grad Celsius erhitzt wird. Palmöl wird in unzähligen Lebensmitteln verwendet, weil es günstiger als Sonnenblumen- oder Rapsöl ist. Das Problem: Um dieses Öl überhaupt in Lebensmitteln verarbeiten zu können, muss es bei mehr als 200 Grad Celsius verarbeitet werden – ist also potenziell immer gefährlich. Schokoladen, Margarine, Müslis, Backwaren und Fertiggerichte: Italienische Supermarktketten verbannten daraufhin mehr als 200 Produkte mit Palmöl. Erste Hersteller geben jetzt aber an, Palmöl in einem Verfahren zu behandeln, das keine 200 Grad Celsius erreicht.

Bei einer Fertigpizza ist es hingegen egal, ob das Palmöl schonend aufbereitet wurde – die Pizza landet eh bei über 200 Grad im Backofen. Dabei entstehen nicht nur aus dem Palmöl giftige Glycidyl-Fettsäuren, der Pizzateig selbst gibt das krebserregende Acrylamid ab, und sollte es sich um eine Salamipizza handeln, steuert die Wurst noch Nitrosamine bei, die im Verdacht stehen, Tumore auszulösen. Auf der Packung sucht man vergeblich nach solchen Hinweisen – für erst noch entstehende Gifte gibt es keine Deklarationspflicht. Durch die Auswertung neuester Studien konnten Zusatzstoffe identifiziert werden, die gar nicht oder nicht ausreichend in den Zutatenlisten aufgeführt sind. Food-Experten haben diesen Stoffen Nahrungsmittel zugeordnet, ihre Gefährlichkeit analysiert und Möglichkeiten aufgezeigt, diesen Giften aus dem Weg zu gehen.

Aluminium ist zum Beispiel solch ein Stoff, den der Mensch überwiegend über seine Nahrung aufnimmt. So werden beispielsweise Aluminium-Lacke zum Färben von Süßigkeiten genutzt. Generell gilt laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): „Aluminium kann bereits in unverarbeiteten Lebensmitteln enthalten sein. Einige Aluminiumverbindungen werden als Lebensmittelzusatzstoffe verwendet. Eine weitere Quelle sind Verpackungen oder Kochgeschirr aus Aluminium, aus denen Aluminium-Ionen in Lebensmittel übergehen können.“

Das Leichtmetall reichert sich im Körper an und kann dort ein sehr hohes Schadpotenzial entwickeln – zum Beispiel für das Nervensystem (Alzheimer, Parkinson) und die Fruchtbarkeit. Die EFSA empfiehlt, wöchentlich nicht mehr als 1 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht aufzunehmen. Laut BfR kommt ein Erwachsener auf bis zu 1,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht täglich. So werden zum Beispiel Backmischungen Aluminium-Verbindungen als Stabilisatoren zugesetzt, in Tafelsalz und Trinkwasser konnte es nachgewiesen werden sowie im Vanillepulver und Laugengebäck.

Der Weg des Aluminiums aus einem Topf in unsere Lebensmittel kann wohl am einfachsten unterbunden werden. Doch wie funktioniert das überhaupt? „Aluminium ist unter dem Einfluss von Säure oder Salz löslich“, erklärt das Bundesinstitut für Risikobewertung. „Aus diesem Grund werden Verpackungen auf der Innenseite beschichtet, um einen Übergang von Aluminium-Ionen auf das Lebensmittel zu verhindern. Dennoch kann das Leichtmetall aus Aluminiumfolie in säure- und salzhaltige Lebensmittel übergehen.“ Tatsache ist auch: Die Freisetzung von Aluminium in Lebensmitteln ist so verbreitet, „dass die wöchentlich tolerierbare Aufnahmemenge wahrscheinlich bei einem Teil der Bevölkerung alleine dadurch ausgeschöpft“ ist. Problematisch wird das aus Sicht der Bundesbehörde vor dem Hintergrund, dass „bei langfristiger Anwendung aluminiumhaltiger kosmetischer Mittel (zum Beispiel Deos) die wöchentlich tolerierbare Aufnahmemenge in Einzelfällen dauerhaft überschritten ist“.

Konsumenten sollten nur daher noch unbeschichtete Kochutensilien (Töpfe, Pfannen) aus Stahl verwenden. Unbehandeltes, schwefelhaltiges Quellwasser oder Mineralwasser nutzen (auch zum Kochen), häufig Bohnen und Knoblauch essen. Der Grund: Schwefelverbindungen helfen bei dem Abbau und der Ausleitung von Schwer- und Leichtmetallen aus dem Körper. Niemals auf Aluminiumbackblech backen. Immer Backpapier verwenden.

Daneben kann Cadmium Menschen gefährlich werden. Cadium ist wie Blei und Quecksilber ein Schwermetall, das zum Beispiel durch Emissionen aus der Schwerindustrie und dem Straßenverkehr in die Luft gelangt – und sich von dort aus wieder im Boden und im Grundwasser ansammelt. Außerdem ist Cadmium Bestandteil moderner Dünger. So landet das Schwermetall über Umwege in der Nahrungskette und damit im menschlichen Körper, wo es sich über Jahre anreichern kann.

Wenn sich Cadmium im Körper ansammelt, kann das zu Nieren- und Knochenschäden führen. Außerdem steht der Stoff im Verdacht, krebserzeugend zu sein. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt, wöchentlich nicht mehr als 2,5 Mikrogramm je Kilogramm Körpergewicht aufzunehmen. Laut der Lebensmittelchemikerin Ursula Blum sind das umgerechnet auf Bitterschokolade: täglich 27 Gramm Schokolade.

Denn gerade über die Kakaopflanze gelangt Cadmium in die Bitterschokolade. Das Problem: Edelbitter-Produkte dürfen gemäß dem Internationalen Kakaoabkommen nur aus Edelkakao-Pflanzen hergestellt werden – und die wachsen in Südamerika, in der Karibik und in Westafrika. „Dort hat man vulkanisches Gestein“, erklärt die Lebensmittelchemikerin Ursula Blum. „Und Vulkangestein enthält viel Cadmium. Kakaobohnen, die auf solchem Gestein wachsen, sind dann entsprechend cadmiumreich.“ Toxisches Cadmium kann sich im Körper anreichern, da es 30 Jahre dauert, bis der Stoffwechsel es wieder abgebaut hat. Hinzu kommt: Jeder Körper besitzt eine andere Aufnahmebereitschaft. „Bei Personen, die einen Mangel an Eisen oder Calcium haben, ist der Anteil des Cadmiums, das aus der Nahrung in den Körper übergeht, höher“, warnt das BfR.

Grundsätzlich ist es schwierig, Cadmium ganz aus dem Weg zu gehen. Beispielsweise wurden auch in Tiefkühl-Spinat und Pinienkernen hohe Cadmiumwerte gemssen, Salate, die in städtischen Gebieten selbst angebaut werden, sind oft belastet sowie alle Ölsaaten, darunter Mohn, Sesam und Sonnenblumenkerne. Allerdings kann man dem Körper durchaus beim Abbau helfen. Menschen, die viel Vitamin C oder Eisen konsumieren, vermindern dadurch den Cadmiumgehalt im Körper. Zudem empfiehlt es sich, Lebensmittel aus biologischem Anbau zu verwenden, Eisbergsalat statt Kopfsalat, Roggen statt Weizen und eher afrikanische Schokolade als südamerikanische.

Außerdem ist Benzoesäure ein weit verbreitetes Konservierungsmittel (auch bekannt unter der Bezeichnung E 210), das vor allem in aromatisierten Getränken (außer Milchprodukten) eingesetzt wird. Es kommt auch natürlich vor, zum Beispiel in geringen Mengen in Himbeeren, Joghurt und Käse. Gefährlich wird Benzoesäure, wenn sie im Körper oder der Nahrung so reagiert, dass Benzol entsteht. Das geschieht unter anderem, wenn Benzoesäure in einem Getränk auf Ascorbinsäure (E 300, Vitamin C) trifft. Die Folge: Aus zwei an sich harmlosen Stoffen entsteht ein Gift.

Gesundheitsbehörden warnen seit Jahren vor der gefährlichen Reaktion von Benzoesäure mit Vitamin C: „Benzol wirkt krebserzeugend und ist genotoxisch. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Stoff in Keimzellen zu Mutationen führen kann. Für Benzol kann keine Menge angegeben werden, die als gesundheitlich unbedenklich gilt.“ Mit anderen Worten: Benzol ist vielleicht schon in geringen Mengen gefährlich.

Besonders Lebensmittel, die für Babys und Kleinkinder produziert werden, fallen immer wieder durch hohe Benzol-Werte auf. Beispiel Karottensaft: „Es gibt Hinweise, dass Benzol bei der Herstellung aus Inhaltsstoffen der Karotte entsteht, wenn der Saft bei längerer Hitzebehandlung von mehr als 30 Minuten auf über 100 Grad Celsius erhitzt wird, wie es bei der industriellen Herstellung von Karottensaft für Säuglinge und Kleinkinder üblich ist.“ Dennoch wurden für Lebensmittel keine Grenzwerte festgelegt, an denen sich Verbraucher orientieren können. Der Grund sei ein Mangel an aussagekräftigen Studien zum Thema. Das BfR stellt deswegen lediglich fest: „Da sich für Benzol keine Aufnahmemenge festlegen lässt, die gesundheitlich unbedenklich ist, sollte der Benzolgehalt in Lebensmitteln so weit wie möglich reduziert werden.“

Abgesehen von Karottensaft sind Oliven meist besonders stark mit Benzol belastet und auch sauer eingelegtes Gemüse wie Essiggurken, da Benzoesäure hier eingesetzt wird. Zudem lässt sich in Mayonnaise, Senf und Ketchup immer wieder Benzol nachweisen. Es empfiehlt sich deshalb, auf Bio-Produkte zurückzugreifen. Der Grund: Benzoesäure darf für diese Lebensmittel in der Regel nicht verwendet werden. Tipp: Karottenbrei einfach selber machen. Gleiches gilt für Marmelade. Wichtig: Es sollte kein Gelierzucker verwendet werden. Bei dem Einkauf von Ketchup, Mayonnaise, Senf oder Soßen darauf achten, dass vom Hersteller angegeben wird: „Zubereitet ohne Konservierungsstoffe.“