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Organspende Nach dem Tod Leben retten

Organ- und Gewebespenden können Patienten in lebensbedrohlichen Situationen helfen, doch leider gibt es auch in Sachsen-Anhalt zu weinige.

Von Uwe Seidenfaden 01.06.2018, 01:01

Magdeburg l Organtransplantationen können Leben retten. Doch der Bedarf an gesunden Organen ist viel größer als die Zahl der Organspenden. Darüber sprach Uwe Seidenfaden mit Transplantations-Medizinern aus der Region.

Seit mehreren Jahren liegt die Zahl der freiwilligen Organspender in Deutschland unterhalb der Bedarfsgrenze. Es gibt deutlich mehr Menschen, die einen Organersatz benötigen als Transplantationen. Welche Voraussetzungen müssen Organspender in Deutschland erfüllen?

Voraussetzungen für eine Organtransplantation in Deutschland sind u.a. die fachärztliche Diagnose des Hirntodes und eine Zustimmung zur Organspende. In einem Organspende Ausweis kann man vermerken, ob und wenn ja, welche Organe und welches Gewebe anderen Menschen zugutekommen sollen.

Viele Menschen möchten am Lebensende auf eine künstliche Lebensverlängerung durch intensivmedizinische Maßnahmen verzichten. Doch ohne organerhaltende Maßnahmen nach einem Hirntod ist keine Organspende möglich. Ist das kein Widerspruch?

Wer zu einer Organspende bereit ist, kann in seiner Patientenverfügung festlegen, dass intensivmedizinische Maßnahmen in diesem Fall für einen begrenzten Zeitraum bis zur Organentnahme erlaubt sind. Das sollte eindeutig formuliert werden.

Gibt es Altersbeschränkungen für eine Organspende?

Es gibt keine Altersobergrenze. Manche Patienten kommen mit 80 Jahren noch als Organspender in Frage. Wichtiger als das biologische Alter ist die medizinische Diagnostik. Gegen die Organspende sprechen beispielsweise bösartige Tumorerkrankungen.

Können auch Jugendliche und Kinder, die nicht volljährig sind, zum Organspender werden?

Ja, es können auch bei Kindern und Jugendlichen Organentnahmen vollzogen werden. Voraussetzung ist aber die Zustimmung der Erziehungsberechtigten. Die Gespräche, die Ärzte zuvor mit den nächsten Angehörigen führen, sind auch für Mediziner nicht einfach.

In Deutschland ist eine Organspende ohne Einwilligung nicht möglich. Würde eine Widerspruchserklärung die Organspende-Zahlen erhöhen?

In vielen EU-Ländern gilt die Widerspruchsregelung. Dort kann jeder Bürger zum Organspender werden, sofern dieser nicht zu Lebzeiten der Organentnahme schriftlich widersprochen hat. Ich meine, dass eine Widerspruchsregelung der bessere Weg wäre. In Österreich funktioniert das sehr gut. Das Land hat mehr Transplantationen. In jüngster Zeit haben sich mehrere Fachgesellschaften in Deutschland für eine Widerspruchsregelung ausgesprochen. Letztlich entscheiden muss der deutsche Gesetzgeber.

Wie gerecht ist die Organvergabe innerhalb der EU? Bekommen Länder mit mehr Spendern einen Bonus?

Deutschland gehört zum Eurotransplant-Verbund. Die gemeinnützige Stiftung Eurotransplant ist für die Vermittlung aller Organe zuständig, die in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Slowenien, Kroatien und Ungarn verstorbenen Menschen zum Zwecke der Transplantation entnommen werden. Im Jahr 2017 wurden 434 Organe aus Deutschland in andere Eurotransplant-Länder transplantiert, 609 Organe kamen aus anderen Ländern nach Deutschland.

Müssen deutsche Bürger, die sich in einem EU-Land mit Widerspruchsrecht aufhalten, damit rechnen, ungefragt zum Organspender zu werden?

Grundsätzlich unterliegt jeder Deutsche, der sich in einem anderen Land aufhält – auch in der EU – den dortigen Gesetzen. In der Praxis führen Ärzte aber auch in anderen EU-Ländern Gespräche mit den Angehörigen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet für Auslandsaufenthalte Organspende-Ausweise in verschiedenen Sprachen an.

In welchen Kliniken Sachsen-Anhalts können Spenderorgane Patienten entnommen werden oder werden Patienten transplantiert?

Alle Kliniken in Deutschland sind verpflichtet, einen Transplantationsbeauftragten zu haben. Dessen Aufgabe ist es, in Abstimmung mit der DSO, potentielle Organspender zu finden.

Die Organtransplantationen erfolgen nur an medizinischen Zentren, die viel Erfahrung damit haben. In Sachsen-Anhalt sind das die Universitäten in Halle und Magdeburg. In Halle hat man sich auf die Transplantation von Nieren spezialisiert. Die Chirurgie des Magdeburger Universitätsklinikums vollzieht Leber-Transplantationen. Herz- und Lungentransplantationen erfolgen vor allem an universitären Zentren außerhalb unseres Bundeslandes.

Können Angehörige von Organspendern in irgendeiner Weise über die Transplantation mitentscheiden?

Angehörige haben zwar keinen Einfluss auf die Organvergabe. Sie können aber anonym erfahren, ob die Transplantation der gespendeten Organe erfolgreich war.

Bekommen Kliniken oder die Angehörigen eines Organspenders eine Gegenleistung?

Ich bin der Meinung, dass Organspenden eine solidarische Leistung an die Gesellschaft bleiben sollten. Kliniken erhalten dafür eine pauschale Aufwandsentschädigung, die angesichts des medizinisch-technischen und personellen Aufwandes auch gerechtfertigt ist.

Die Pauschalen, die Kliniken für Organspenden erhalten, decken nicht immer den Aufwand. Bei älteren Menschen oder Organspendern mit Vorerkrankungen werden die Untersuchungen, die zum Schutz der Empfänger notwendig sind, aufwendiger. Wir plädieren daher für eine aufwandsbezogene Erstattung.

Wie können künftig mehr Menschen durch eine Organspende gerettet werden?

Notwendig ist eine gesellschaftliche Anerkennung der Organspende als Ausdruck von Solidarität. Spender und deren Angehörige sollten mehr Anerkennung erfahren. Außerdem sollten erfolgreiche Organspenden ein Qualitätsmerkmal für ein Krankenhaus sein.