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Essen Pilzgenuss aus dem eigenen Garten

Nicht nur in Wäldern lassen sich jetzt schmackhafte Pilze finden. Auch im Garten lassen sie sich züchten.

Von Melanie Öhlenbach 19.08.2016, 06:03

Kassel (dpa) l Wenn irgendwo Pilze schmoren, wird der Kriminalist unwillkürlich hellhörig, soll die englische Krimi-Autorin Agatha Christie einst über Pilze gesagt haben. Die Vertreter aus dem Reich Fungi genießen aber nicht nur den Nimbus einer potenziellen Mordwaffe. Ganz im Gegenteil. „Pilze sind gesünder, als die meisten denken“, sagt Ulrich Groos, Pilzanbauberater beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen in Kassel.

Seine Liste an Vorzügen ist lang: „Pilze sind reich an Eiweiß, Ballaststoffen, seltenen Vitaminen und Mineralien, haben aber gleichzeitig nur wenige Kalorien“, erklärt Groos. Auch die Gesundheitsforschung interessiere sich wegen der Heilwirkung zunehmend für sie. Doch in Freizeitgärten sind Speisepilze bislang eher selten anzutreffen.

Dabei seien einige Arten kinderleicht zu Hause anzubauen, wenn man einige Grundregeln beachtet, sagt Peter Marseille, Pilzzüchter und Speisepilzbotschafter des Bundes Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer. „Pilze lieben Feuchtigkeit und ein kühles, schattiges Plätzchen. Ansonsten sind sie relativ anspruchslos.“

Diese Ansicht teilt Holger Wehner, Sprecher des Arbeitskreises Pilzkunde und Ökologie im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Grundsätzlich lassen sich alle Pilzarten relativ leicht kultivieren, die sich saprobiontisch, also von totem organischem Material ernähren.“

Besonders gut eignen sich aus Sicht der Fachleute Champignons (Agaricus), Seitlinge (Pleurotus) wie Kastanien-, Austern-, Limonen oder Kräuterseitling sowie Igel-Stachelbart (Hericium erinaceus), Riesen-Träuschling (Stropharia rugosoannulata) und Rauchblättriger Schwefelkopf (Hypholoma capnoides). Sie wachsen auf Sägemehl, Stroh, Kaffeesatz, Holz oder Baumstümpfen – und das nicht nur im Garten, sondern auch auf dem Balkon, der Fensterbank und sogar in der Garage.

Auch wenn sich Pilze durch Sporen vermehren, empfiehlt Marseille für den Anbau eine Pilzbrut: Getreidekörner, die mit den wurzelähnlichen Myzelien der Pilze besiedelt sind. Mit dieser werden die Materialien „geimpft“, indem sie beispielsweise gewässertem Stroh oder Sägemehl beigemengt werden. Anschließend kann sich das Myzel über einen längeren Zeitraum in einem feuchten Klima entwickeln und ausbreiten.

Wer Speisepilze auf Sägemehl kultivieren will, sollte das Material nach dem ausgiebigen Wässern zunächst noch dämpfen, erklärt Marseille. „63,8 Grad Celsius ist die magische Zahl, bei der Bakterien und Sporen von unerwünschten Pilzen absterben, die sich bereits im Holz ausgebreitet haben.“ Nach dem Abtropfen kommt das Sägemehl in einen Plastikbeutel, die Samenbrut hinzu und der Beutel fest verschlossen an einen schattigen, windgeschützten und wohltemperierten Platz. „Pilze mögen Sonne ganz und gar nicht, weil sie zu schnell austrocknen“, sagt Marseille. Trockenheit, aber auch Hitze ist tödlich für die sonst recht pflegeleichte Pflanze. „Bei Temperaturen über 30 Grad Celsius stirbt das Myzel in der Regel ab.“

Sogar zu einem Hingucker kann sich eine Pilzkultur auf abgeholzten Buchen-, Eichen-oder Birkenholzstämmen entwickeln, die mit speziellen Impfdübeln präpariert sind. Dazu wird das Holz angebohrt, die mit Myzel durchwachsenen Holzstecker in die Löcher eingeführt und in den ersten Monaten mit Heu oder Stroh abgedeckt. „Dadurch bleibt das Holz schön feucht und die Pilze haben gute Bedingungen zum Wachsen“, erläutert Pilzexperte Groos das Prozedere.

Je nach Material dauert es unterschiedlich lange, bis sich das Myzel ausgebreitet hat. Bei einer Kultur auf Stroh und Sägespänen gehen die Fachleute von drei Monaten aus, bei einer Zucht auf Holzstämmen kann es gut ein halbes Jahr dauern. Dann können die Plastikfolien entfernt werden und der Fruchtkörper entwickelt sich. Je nach Sorte ist er bereits in drei Wochen reif und kann einfach mit der Hand abgebrochen werden. „Wenn man den Pilz schön pflegt, kann man das ganze Jahr hindurch ernten“, erklärt Marseille. Auch eine Überwinterung im Freien ist möglich. Allerdings sollte dann der Fruchtkörper entfernt werden, damit sich die Pilze ins Pflanzmaterial zurückziehen.

„Wenn man den Pilz schön pflegt, kann man das ganze Jahr hindurch ernten“, erklärt Marseille. Auch eine Überwinterung im Freien ist möglich. Allerdings sollte dann der Fruchtkörper entfernt werden, damit sich die Pilze ins Pflanzmaterial zurückziehen. Wer hofft, auf diese Art auch Pfifferlinge sowie Maronen, Steinpilze oder weitere Röhrlinge im Garten oder auf dem Balkon zu kultivieren, wird allerdings keinen Erfolg haben. Als symbiotisch lebende Pilze benötigen diese einen lebenden Wirt, mit dem sie eine wechselseitige Zweckbeziehung eingehen können, erläutert BUND-Experte Wehner.

Zwar könnten inzwischen die Wurzeln junger Bäume mit dem Myzel einer entsprechenden Pilzart geimpft werden. Die Fruchtkörper bilden sich in der Regel aber erst nach einigen Jahren aus. Wenn überhaupt – eine Erfolgsgarantie gibt es nicht.