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Hochzeitsplanung Julia zeigt, wie man sich traut

Julia Hohn ist Managerin, Dekorateurin und Restaurantkritikerin in einem. Seit zwei Jahren plant sie Hochzeiten - auch für wenig Geld.

Von Elisa Sowieja 12.09.2015, 01:01

Magdeburg l Motto-Hochzeiten reißen sie persönlich ja nicht vom Hocker. Märchen, Western, Mittelalter – alles viel zu viel Tamtam für Julia Hohn. Einmal aber, da hat das Tamtam die Hochzeitsplanerin auch privat umgehauen. Denn das Thema passte perfekt zu ihren Kunden, fand sie: „Miami Weiß“ hieß es und gehörte zu einer freien Trauung zweier Männer.
„Miami“ deshalb, weil beide liebend gern reisten. So war jeder Tisch nach einer Weltstadt benannt, diente ein Ami-Bus als Hochzeitsauto, wurden die Gäste mit Hula-Ketten begrüßt. Und „Weiß“ wegen einer sehr originellen Alternative zum Brautpaar mit Braut: haufenweise Bräute unter den Gästen. Eine Schneiderin dekorierte vor Ort mit Stoff, Stecknadel und Schleier alle gewillten Damen um. Auch sämtliche Männer trugen Weiß – ohne Schleier und mit Hose, versteht sich.
Bei dieser Feier konnte sich die 27-Jährige in ihrer ganzen Angebots-Palette austoben: Restaurant, Deko, Musik, Fotos, Auto, Blumen,?... Worauf man bei all diesen Dingen achten muss, damit eine Hochzeit nur im positiven Sinne unvergesslich wird, hat sie in keiner Ausbildung gelernt. In ihrem ursprünglichen Beruf hielt sich der Romantik-Bezug eher in Grenzen: Julia Hohn ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte. „Das wurde mir aber schnell zu trocken“, erzählt sie und rümpft die Nase. Versunken in Aktenbergen kann man sich diese quirlige Frau mit rotem Haar auch kaum vorstellen.
Direkt nach der Ausbildung hatte die Magdeburgerin zum ersten Mal mit dem Gedanken gespielt, Hochzeitsplanerin zu werden. Dass ihr das Organisieren Spaß macht, wusste sie aus jahrelangem Ehrenamt bei Jugendprojekten. Es gab aber einen Haken: „Ich war noch nicht verheiratet. Und als Ledige kann man doch keine Hochzeits-Empfehlungen geben!“ Also arbeitete sie weiter und studierte nebenbei Journalistik. Als sie dann mit ihrem Abschluss keinen passenden Job fand, kramte Hohn die alte Idee wieder aus. Denn praktischerweise trug sie inzwischen einen Ring am Finger.
Beim Organisieren ihrer eigenen Hochzeit hatte Hohn übrigens auch gleich den Beweis angetreten, dass sie, wie es sich für diesen Beruf gehört, hoffnungslos hochzeitsverrückt ist. „Mit der Planung habe ich vier Jahre vor meiner Verlobung angefangen“, berichtet sie stolz. In einschlägigen Internetforen und Zeitschriften recherchierte sie damals, wo man mit wie vielen Gästen zu welchen Preisen heiraten kann. „Mein Mann hatte später aber überall ein Mitspracherecht – ehrlich!“
Um nun fremde Hochzeiten planen zu können, musste sich Hohn wieder in die Recherche stürzen, diesmal noch deutlich detaillierter – zu Einladungen, Deko-Ideen, Hochzeitsorten. Parallel dazu ließ sie sich in einem Gründerkurs fit machen in Buchhaltung, Recht und Grafik.
Dann begann das große Kennenlernen: Hohn bat Fotografen um Arbeitsproben, traf Floristen, schaute sich Standesämter und Restaurants an – bei Letzteren ging sie vorm Gespräch mit dem Chef auch mal inkognito essen. Was ihr zusagte, nahm die Magdeburgerin in eine Tabelle auf samt Angaben zu Stil, Ausstattung, Kapazität und Preiskategorie.
Nun fehlten nur noch eine schicke Internetseite und ein Facebook-Auftritt, und dann ging‘s auch schon los. Allerdings sehr schleichend. „Im ersten Jahr meldeten sich nur zwei Paare“, erzählt die 27-Jährige. Inzwischen hat sie sich mit ihrem Geschäft gemausert. Bei 14 Hochzeiten in diesem Jahr hat oder hatte sie ihre Finger im Spiel. Eine Hälfte kommt auf Empfehlung, die andere übers Internet.
Die wenigsten machen es allerdings wie die „Miami-Weiß“-Jungs und buchen das Gesamtpaket. „Das hatte ich erst dreimal“, erzählt Hohn. Je nach Aufwand muss man dafür auch um die 1500 Euro auf den Tisch legen – dafür ist dann allerdings die 24-Stunden-Bereitschaft inklusive, samt Ausheul-Option im Falle plötzlicher Absagen oder sonstiger persönlicher Katastrophen.
In erster Linie beauftragen Paare die Hochzeitsplanerin mit der Suche nach Restaurants. Für Pi mal Daumen 150 Euro findet sie dann heraus, welche Locations zu den Vorgaben ihrer Kunden passen und am Wunschtermin frei sind, dazu gibt‘s die passenden Kostenvoranschläge. Nachgefragt sind auch Beratungsstunden, in denen Paare zum Beispiel Fotografen-Empfehlungen einholen und Angebote bewerten lassen. Manchmal ist Hohn selbst bei der Hochzeit dabei. Dann schaut sie Kellnern auf die Finger, trommelt die Verwandtschaft für Fotos zusammen, gibt dem DJ das Zeichen für den Hochzeitstanz.
Im Prinzip macht Julia Hohn also das Gleiche wie ihr Promi-Pendant Frank „Froonck“ Matthée im Fernsehen. Zur Erinnerung: Das war dieser schräge Vogel, der auf Pro Sieben in einer Doku-Soap die Hochzeit der inzwischen schon wieder geschiedenen Sarah Connor organisierte und danach seine eigene Sendung „Frank – der Weddingplaner“ bekam. Nur gibt‘s bei der Magdeburgerin einen großen Unterschied: die Klientel. „Meine Kunden sind keine Paare mit viel Geld“, sagt sie. „Oft kommen sogar Studenten.“
Viele, erzählt sie weiter, wollen eine Hochzeitsplanerin, weil sie außerhalb Sachsen-Anhalts wohnen. Weil sie zwar hier aufgewachsen sind, aber heute keinen Schimmer haben, wo man gut essen, geschweige denn mit einer halben Hundertschaft feiern kann. Andere Kunden wiederum kommen, weil ihnen als Eltern die Zeit für viel Planerei fehlt.
Julia Hohn ist davon überzeugt, dass man mit ihr nicht nur Zeit, sondern auch Geld sparen kann. „Erstens habe ich schon so viele Angebote gesehen, dass ich weiß, was überteuert ist“, erklärt sie. Zweitens kenne sie Tricks: zum Beispiel den, dass man beim Floristen sparen kann, wenn man Blumen der Saison bestellt. Drittens handele sie mit ihren Partnern oft Sonderkonditionen aus. Provision, versichert die 27-Jährige, erhalte sie von ihnen nicht.
Ihre eigene Hochzeit hat die Magdeburgerin auf der Westerburg im Harz gefeiert. Damit liegt sie voll im Trend, erzählt sie: „Schlösser und Burgen sind derzeit absolut angesagt.“ Gefragt sind auch Gartenhochzeiten im Vintage-Stil; vereinfacht heißt das: Man leihe sich zum Dekorieren einen Schwung Sammeltassen aus Omas Vitrine und stelle an die Hochzeitstafel ein paar aufgehübschte Klappstühle. Auch in Mode: Candybars. Dabei füllt man Schälchen und Töpfchen mit diversen süßen Kalorienbomben.
Und dann gibt es noch einen Trend, für den Julia Hohn jetzt ihre Angebotspalette aufstockt: freie Trauungen. Bei fast jeder zweiten Hochzeit, erzählt sie, bucht sie für ihre Kunden einen freien Redner. Demnächst will sie das einfach selbst übernehmen. Ab Oktober macht die 27-Jährige dafür eine Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer in Rheinland-Pfalz.
Also, wenn sie ihre erste Rede genauso akribisch vorbereitet wie ihre erste Hochzeit, dann dürfte da eigentlich nichts schief gehen.