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Arbeitsrecht Diese Überstunden-Regeln muss man kennnen

Arbeiten von 9 bis pünktlich 17 Uhr? Für viele unrealistisch. Aber wie kommen Beschäftigte an einen Ausgleich für ihre Überstunden?

15.02.2021, 09:27

Düsseldorf (dpa) l Die Überstunden häufen sich. Für Arbeitnehmer ist das oft Alltag. Aber hat das längere Arbeiten nicht auch seine Grenzen? "Ja, das hat es", sagt Regine Windirsch, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Düsseldorf. Sie verweist auf das Arbeitszeitgesetz. Darin ist festgelegt, dass die maximale Wochenarbeitszeit bei 48 Stunden liegt.

Basis ist das Prinzip der Sechs-Tage-Woche. Pro Tag sind also acht Stunden Arbeit erlaubt. Ein Arbeitgeber darf die tägliche Arbeitszeit eines Beschäftigten auf zehn Stunden verlängern. Dann darf aber innerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen im Schnitt eine Arbeitszeit von acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

Was viele nicht wissen: "Überstunden und Mehrarbeit sind nicht das Gleiche", sagt Tjark Menssen, Leiter der Rechtsabteilung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Mehrarbeit liegt vor, wenn die regelmäßige Arbeitszeit von acht Stunden überschritten wird. "Überstunden hingegen sind die Stunden, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen", so Menssen.

Konkret kann das zum Beispiel bedeuten: Wer halbtags arbeitet, macht zwar schon Überstunden, wenn er acht Stunden arbeitet, leistet aber keine Mehrarbeit. Generell gilt: Arbeitnehmer müssen nur dann Überstunden leisten, wenn sie dazu durch ihren Arbeits- oder Tarifvertrag beziehungsweise durch eine Betriebsvereinbarung verpflichtet sind.

Für Überstunden gibt es normalerweise einen Ausgleich – entweder zeitlicher oder finanzieller Art. "Hierfür müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine einzelvertragliche Vereinbarung treffen, falls dies nicht anderweitig geregelt ist, etwa in einem Tarifvertrag", sagt Windirsch. Liegt eine Vereinbarung nicht vor, müssen Arbeitgeber Überstunden in der Regel ausbezahlen.

Für geleistete Überstunden kann es einen Zuschlag geben, in anderen Fällen erfolgt die Bezahlung entsprechend zur Grundvergütung. Mitunter haben Beschäftigte auch die Wahl, sich Überstunden vergüten zu lassen oder Freizeit zu nehmen. "In vielen Bereichen sind jedoch die Löhne so gering, dass sich Beschäftigte gar nicht leisten können, Überstunden abzufeiern", so Menssen.

Verweigern kann der Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden nicht, "wenn er denn die Überstunden angeordnet oder zumindest geduldet hat", so Menssen. Es gibt aber auch vertragliche Regelungen, in denen Überstunden mit dem Monatsgehalt abgegolten sind.

"Diese Klauseln sind nur wirksam, wenn sie klar und verständlich sind, etwa eine bestimmte Zahl von Überstunden beziffern." Mitunter müssen Arbeitnehmer aber auch mit unbezahlten Überstunden rechnen. "Das ist etwa bei leitenden Angestellten der Fall, deren Jahresgehalt über der Beitragsbemessungsgrenze liegt", sagt Windirsch.

Und falls es doch ein Freizeitausgleich sein soll: Kann ein Arbeitnehmer, wenn er etwa für drei Wochen Überstunden angesammelt hat, einfach drei Wochen freimachen? "Das sollte der Beschäftigte immer mit dem Arbeitgeber absprechen", rät Windirsch.

Der Arbeitgeber kann allerdings einen Mitarbeiter, wenn wenig Arbeit anfällt, auch nach Hause schicken, damit er Überstunden abfeiert. "Das muss der Arbeitgeber von Gesetzes wegen sogar, weil er dafür zu sorgen hat, dass der Mitarbeiter die durchschnittliche Arbeitszeit von acht Stunden einhält", so Menssen. Gibt es keine betriebliche oder vertragliche Regelung, darf der Arbeitgeber die Freistellung alleine bestimmen.

Was mitunter auch vorkommt: Ein Arbeitnehmer ist dabei, seine Überstunden abzubauen – und erkrankt. "Nachholen kann er den Überstunden-Abbau aber nicht", sagt Windirsch. Sie verweist auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2003 (Az.: 6 AZR 374/02), wonach der Arbeitgeber keinen zusätzlichen Freizeitausgleich gewähren muss.

Die Justiz beschäftigt sich immer wieder mit dem Thema Überstunden, zum Beispiel wenn es um den Nachweis der geleisteten Arbeit geht. Vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern wollte eine Buchhalterin von ihrem Arbeitgeber die Auszahlung von 276 Überstunden einklagen, es ging um 3353 Euro. Das Gericht wies die Klage ab, weil die Frau die Überstunden nicht zweifelsfrei nachweisen konnte (Az.: 5 SA 73/19).

"Grundsätzlich muss immer der Arbeitnehmer den Nachweis bringen, Überstunden geleistet zu haben", erklärt Windirsch. Die Richter in Rostock hatten erklärt, dass die von der Klägerin vorgelegten Computerausdrucke ausschließlich auf ihren eigenen Angaben beruhten.

Wer Überstunden leistet, sollte, um einen Nachweis zu haben, etwa den nächst höheren Vorgesetzten bitten, zu unterschreiben, dass und in welchem Umfang Überstunden angeordnet wurden, empfiehlt Windirsch. Einfacher ist es, wenn es bei dem Unternehmen eine Zeiterfassung gibt, zum Beispiel per Software. "Dann lassen sich Überstunden problemloser nachweisen", so Windirsch.

Üblicherweise verjähren Überstunden nach drei Jahren. Im Arbeits oder Tarifvertrag kann jedoch ein kürzerer Zeitraum festgelegt sein. Generell gilt: "Kein Arbeitnehmer kann zu Überstunden verpflichtet werden, wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist", betont Windirsch.

Es gibt jedoch Situationen, in denen der Arbeitgeber Überstunden anordnen kann. Das können etwa Notlagen wie nach einem Brand oder nach einer Überschwemmung sein.