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Förderung behinderter Kindern Spezielle "Hausbesuche" der Logopädin in der Schule

15.06.2009, 09:00

Mit großen Sprachauffälligkeiten brauchen zwei geistig behinderte Kinder aus der Altmark dringend logopädische Behandlungen. Darauf haben ihre Lehrer in der Förderschule immer wieder hingewiesen.

Die dem Heimatort nächst gelegene logopädische Praxis erwies sich als völlig ausgebucht. Bliebe noch die Möglichkeit, die beiden Kinder, wenn sie als "Fahrschüler" nach der Schule nach Hause kommen, von ihren Eltern mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Praxis eines Logopäden in Stendal oder Salzwedel zu bringen. Dann wären sie aber nicht mehr aufnahmefähig, stellte Frau Thinibel von der Sozialpädagogischen Familienhilfe in Bismark fest.

Sie fand eine Logopädin, die bereit ist, in die Schule zu kommen und die Kinder dort zu therapieren. Das scheiterte beinahe an der Zustimmung der Krankenkasse zu diesen speziellen "Hausbesuchen".

Im Rahmen einer Einzelfallentscheidung hatte die AOK Sachsen-Anhalt für die ersten zehn Behandlungen in der Bildungseinrichtung einer Kostenübernahme zugestimmt, jedoch nur im Rahmen einer Krankenbehandlung. "Die Logopädie im Rahmen der Heilpädagogik ist beim zuständigen Träger, dem Landkreis Stendal, zu beantragen", informierte die Krankenkasse. Denn Heilmittel dürften nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden, "wenn an sich störungsbildspezifische heilpädagogische Maßnahmen geboten sind".

Die die Familie betreuende Sozialpädagogin wurde also beim Sozialamt vorstellig, wo ihr gesagt wurde, dass für logopädische wie für ergotherapeutische Behandlungen immer die Krankenkasse zuständig sei. "Ich bin jetzt mit meiner ‚Weisheit’ am Ende. Wie soll es weitergehen, wenn das Rezept für die ersten zehn Behandlungen in der Schule abgearbeitet ist?", schrieb sie.

Der Sozialhilfeträger sei in diesem Fall wirklich nicht zuständig, informierte auch uns das Landratsamt, denn logopädische Leistungen seien Heilmittel, auf die der Versicherte Anspruch habe. Und Leistungen der Sozialhilfe bekommt nicht, wer diese von anderen Trägern wie der Krankenkasse erhält bzw. erhalten könnte.

Da blieb dann doch nur die AOK Sachsen-Anhalt, um das Problem im Interesse der Kinder zu klären. Dort aber lagen für beide gar keine neuen Heilmittelverordnungen vor. Daher konnte eine Weiterführung der Therapie nicht geprüft werden, teilte die Krankenkasse mit.

Ein neues Rezept wurde deshalb noch nicht eingereicht, weil die Logopädin vorher die verbindliche Zusage haben wollte, dass die Krankenkasse der Behandlung der Kinder im Schulgebäude zustimmt. Denn das darf sie nach den geltenden Regelungen eigentlich nicht.

Grundlage für die Kostenübernahme logopädischer Behandlungen sind die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung. Details zu stimm-, sprech- und sprachtherapeutischen Leistungen regelt ein gesonderter Rahmenvertrag. Und in dem steht, dass die Behandlung in der zugelassenen Praxis erfolgen muss – es sei denn, der Arzt verordnet Hausbesuche. Dann werden dem Heilmittelerbringer auch die damit verbundenen Fahrkosten von der Krankenkasse erstattet. Von möglichen Behandlungen außerhalb der Praxis außer bei ärztlich verordneten Hausbesuchen steht nichts im Rahmenvertrag.

In diesem Fall sei es aus Sicht aller am Wohl der beiden Kinder Interessierten aber sinnvoller und erfolgversprechender, wenn die logopädische Behandlung nicht erst am späten Nachmittag daheim, sondern noch in der Schule erfolgt, meint Sozialpädagogin Thinibel. Und ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass der Weg der Logopädin zur Schule auch nicht weiter ist als der zum Elternhaus der Kinder. Da sie in der Schule ohnehin ein anderes Kind betreut, würde sie auch nicht für jede einzelne Behandlung Fahrkosten abrechnen.

Um Fahrkosten geht es hierbei nicht allein. Viel entscheidender: Ohne Zustimmung der Krankenkasse darf sich die Logopädin laut ihrem Rahmenvertrag der kleinen Patienten nicht in einer Einrichtung annehmen, wenn vom Arzt "Hausbesuch" verordnet wurde. Damit wegen fehlender rechtlicher Regelungen aber nicht die Kinder die Leidtragenden sind, stimmte die AOK in diesem Fall der weiteren logopädischen Behandlung im Schulhaus zu. (goe)