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Nachwuchs Kinder früh auf Geschwister vorbereiten

Stolz und Eifersucht sind bei den ersten Kindern nicht selten, wenn wieder Nachwuchs kommt. Eltern können dem aber frühzeitig vorbeugen.

19.03.2019, 23:01

Berlin/Nürnberg (dpa) l "Du bekommst ein Geschwisterchen!" – diese Botschaft sorgt bei Kindern nicht nur für helle Begeisterung. Denn neben Vorfreude kann dabei auch Eifersucht aufkommen. Das muss aber nicht sein. "Wenn sich die Eltern auf das zweite Kind freuen und diese Freude vermitteln, dann freut sich auch das erste Kind", sagt Heidemarie Arnhold. Sie rät zu einem altersgemäßen Einbeziehen des ersten Kindes von Anfang an. "Wenn der Bauch schon da ist, kann man das Große den Bauch anfassen lassen", rät die Vorstandsvorsitzende des Arbeitskreises Neue Erziehung (ANE). "Wenn er noch nicht da ist, kann man sagen: "Da wird bald ein dicker Bauch sein, da ist das Kind drin, aber jetzt ist das noch ganz klein.""

Eltern können daraus schon vor der Geburt ein Ritual machen. Sie können abends etwa immer sagen: "Jetzt singen wir dem Baby noch ein Lied", schlägt Judith Peltner vor. Sie ist Pflegedienstleiterin für das Eltern-Kind-Zentrum im Klinikum Nürnberg. Das Ungeborene höre das schon im Mutterleib. Und wenn es auf der Welt ist, könne das Große ihm das vorsingen, wenn es unruhig ist.

Zugleich sollten sie falschen Erwartungen entgegenwirken. Häufig stellen Geschwisterkinder sich vor, dass sie mit dem neuen Bruder oder der neuen Schwester gleich spielen können. "Hier kann man ihnen erklären: Das ist ein Baby, das ganz viel Hilfe braucht, das kann nicht gleich mit dem Auto oder der Puppe spielen", sagt Peltner.

Wochenbettbesucher sollten sich nicht ausschließlich um das Baby kümmern, sondern auch das andere Kind noch wahrnehmen, empfiehlt Inés Brock, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin in Halle (Saale). Drei Jahre sind der schwierigste Altersabstand, hat Judith Peltner beobachtet. "Dann ist das Geschwisterkind in der Trotzphase." Es habe gelernt, die alleinige Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen. "Es steckt sowieso gerade seine Grenzen ab, und dann kommt, in den Augen des Großen, ein Rivale ins Haus."

Hier sind vor allem die Väter gefragt, betont Brock: "Sie können ihre Aufmerksamkeit stärker auf das ältere Kind richten, wenn die Mutter vom jüngsten voll in Anspruch genommen ist." Eine Konkurrenz entsteht nach Ansicht von Heidemarie Arnhold nur, wenn Eltern diese fördern, etwa indem sie die Kinder gegeneinander ausspielen. Was überhaupt nicht geht, sei ein Satz wie: "Du hast ja immer so viel geschrien, und dieses schreit überhaupt nicht!" Bewertungen und Vergleiche sollten Eltern tunlichst unterlassen. Hilfreich kann vielmehr sein, mit dem Großen noch einmal eigene alte Babybilder anzusehen.

Wenn ein Kind helfen möchte, darf es das gerne. Viele Kliniken oder Geburtshäuser bieten sogenannte Geschwisterkurse an, so auch das Klinikum Nürnberg. In einer Stunde lernen dort drei- bis sechsjährige Kinder an einer Puppe, ein Baby zu wickeln, zu halten oder die Flasche zu geben. "Es wäre vermessen, wenn wir sagen würden: "Wir können damit die Eifersucht verhindern."", schränkt Pflegedienstleiterin Peltner ein. "Was wir möchten, ist, den Stolz auf das Geschwisterkind zu stärken." Die Kinder seien immer ganz konzentriert bei der Sache und suchten sich eine Puppe aus, die "ihrem" Baby ähnlich sieht.

Eltern sollten nicht zu besorgt sein, die Großen auch an das Kleine heranzulassen, rät Peltner. Was sie immer wieder fasziniert: Wenn Geschwisterkinder mit dem kleinen Baby umgehen, seien sie manchmal recht grob. "Da wird über den Kopf gerubbelt und an der Hand gezogen - aber die Babys schreien oft gar nicht. Da ist schon eine Verbindung zwischen den Geschwistern." Das kann Heidemarie Arnhold bestätigen: "Kontakt unter Geschwistern ist etwas sehr Positives. Kinder reagieren auf Kinder, das können Sie schon bei Babys sehen." Werde mal etwas zu grob gestreichelt, weil ein Kind noch nicht so feinfühlig ist, könne man ihm das freundlich sagen und zeigen.

Wenn das Baby da ist, will manches ältere Geschwisterkind auf einmal auch wieder Baby sein. Eine ganz normale Reaktion, findet Inés Brock. "Für einen Drei-, Vier-, Fünfjährigen ist das natürlich faszinierend zu beobachten, dass das Baby schreit und einkackt, und alle freuen sich drüber." Entsprechend will das Große das auch ausprobieren, möchte aus der Flasche oder an der Brust trinken oder nässt vielleicht sogar wieder ein. "Sie versuchen, das Verhalten des Babys nachzuahmen, um zu sehen, ob Mama auch so reagiert."

Kein Grund zur Sorge, findet Brock. "Man kann das spielerisch aufgreifen und gleichzeitig die Vorteile des Großseins wieder in den Vordergrund rücken." So sollten Eltern etwa das Kind für Dinge loben, die es schon kann. Aus ihrer Erfahrung ist dieses Verhalten immer nur eine Übergangsphase.

Tut das große Kind dem Baby absichtlich weh, indem es kneift, beißt oder kratzt, sollten Eltern Ruhe bewahren, rät Peltner. "Man kann sich fragen, ob sich das große Kind vielleicht zurückgesetzt fühlt." Eltern sollten aber auch klar sagen: "Du möchtest das auch nicht, das tut weh."

Für Brock ist Eifersucht verständlich, wenn ein neues Kind in die Familie kommt. "Wenn wir überlegen, wir müssten unseren allerliebsten Menschen plötzlich mit jemandem teilen, haben wir natürlich starke Gefühle." Nur das Verhalten sei je nach Alter unterschiedlich. Ein Zweijähriger kneift, ein Vierjähriger schmeißt sich auf den Boden, eine Siebenjährige verschwindet schmollend und türenknallend im Zimmer. Je gelassener Eltern damit umgehen, desto besser. "Sorgen muss man sich erst machen, wenn es über eine lange Zeit so bleibt. Dann sollten sich Eltern Beratung suchen", so Brock.