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Magdeburger Ärzte klären über neue Behandlungen bei Vorhofflimmern auf Wenn das Herz aus dem Takt kommt

Noch bis zum 7. Juni ist Welt-Herzrhythmuswoche. Eine der häufigsten Störungen ist das Vorhofflimmern, das mit anfallartigen Beschwerden einhergeht. Dagegen können Kardiologen etwas tun.

Von Uwe Seidenfaden 02.06.2015, 03:36

Magdeburg l Der 66-jährige Peter R. aus Magdeburg - normalgewichtig, Nichtraucher und Hobby-Fußballer - verspürt am Mittagstisch plötzlich eine starke innere Unruhe. "Etwas stimmt nicht", denkt er sich und öffnet das Fenster. Doch sein Zustand verschlechtert sich. Er hat Atemnot und plötzlich starke Angst. Ist es ein Herzinfarkt? Seine Frau ruft den Notdienst.

In der Klinik dann Entwarnung. Kein Herzinfarkt! Der Verdacht der Kardiologen: Ein vorübergehendes Vorhofflimmern. "Dabei kommt es zu vielen unregelmäßigen elektrischen Entladungen in den Herzvorhöfen", erklärt Prof. Dr. Rüdiger Braun-Dullaeus, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie des Uniklinikums. Dadurch fließt das Blut in bestimmten "Ruhezonen" des Herzens langsamer. So wie sich an den Buhnen von Flüssen mitgeführte Schwebstoffe ablagern, kommt es in Teilen des Herzens und den Blutgefäßen zur Bildung von Blutgerinnseln. Wenn sie sich lösen, können sie in den Gefäßen des Gehirns Blutstaus auslösen. Die Folge ist ein Schlaganfall. Bei Vorhofflimmern ist dieses Risiko deutlich erhöht.

Vorhofflimmern tritt im Alter häufiger auf
Vorhofflimmern tritt mit zunehmendem Alter häufiger auf. Während nur etwa zwei bis fünf Prozent der über 60-Jährigen betroffen sind, sind es unter den über 75-Jährigen bereits doppelt so viele. Die Therapie orientiert sich an den Grunderkrankungen und den Beschwerden des Patienten. Ein hoher Blutdruck, die Schilddrüsen-Überfunktion und Störungen des Elektrolytstoffwechsels können mit Medikamenten behandelt werden. Verengungen der Herzkranzgefäße können Kardiologen minimalinvasiv mit aufblasbaren Ballons und Gefäßstützen (Stents) aufweiten. Ist das nicht möglich, können Herzchirurgen operativ Umgehungsbahnen (Bypässe) schaffen.

"In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Mediziner herausgefunden, dass die zum Vorhofflimmern führenden elektrischen Überladungen meistens in den mündungsnahen Abschnitten der Lungenvenen am linken Herzvorhof entstehen", so Dr. Blerim Luani, Oberarzt im Bereich Elektrophysiologie der Kardiologischen Uniklinik. Zwar verhindert eine zentrale Zell-Schaltstelle, der sogenannte AV-Knoten, meist eine tödliche Übertragung der unkontrollierten elektrischen Aktivität auf die Herzkammern, lebensbedrohlich ist das Vorhofflimmern durch das erhöhte Risiko der Blutgerinnselbildung aber dennoch. "Meist müssen Patienten mit Vorhofflimmern gerinnungshemmende Medikamente (wie Falithrom oder die neueren Thrombin- und Faktor-Xa-Hemmer) einnehmen", so Prof. Braun-Dullaeus. Bei schwerkranken Herzpatienten mit zusätzlichen Einschränkungen der Nierenfunktion kann ein Katheter-Implantat im "linken Herzohr" eine optimale Lösung sein.

Betablocker zur Herzfrequenzkontrolle
Medikamente zur Korrektur des Vorhofflimmerns - sogenannte Antiarrhythmika - sind nur begrenzt für die Patienten geeignet, denn sie können nach mehrjähriger Anwendung zu Herzrhythmusstörungen oder Komplikationen führen. Symptomfreien Patienten empfehlen Ärzte neben der Blutgerinnungshemmung eine medikamentöse Frequenzkontrolle. Dafür kommen Medikamente aus der Gruppe der Betablocker, Kalzium-Antagonisten und Digitalis-Präparate in Frage. Sie unterstützen den AV-Knoten in dessen leitungsverzögernden Funktion. Bei Beschwerden wie Atemnot, innerer Unruhe, allgemeinem Unwohlsein und Schwindel, die nachweislich durch Vorhofflimmern ausgelöst werden, verspricht eine sogenannte Katheter-Ablation in mehr als zwei Drittel der Fälle eine Besserung.

Bei diesem Eingriff werden dünne Katheter unter Röntgenkontrolle bis in den linken Herzvorhof geschoben. Durch gezielte Stromabgaben werden die Zentren mit unkontrollierter elektrischer Aktivität, die das Vorhofflimmern auslösen, unschädlich gemacht. Die Ärzte sprechen von Katheter-Ablation bzw. -verödung. "Das Ablations-Verfahren zur Beseitigung von Vorhofflimmern wurde durch computergestützte, dreidimensionale Bildgebungssysteme deutlich verbessert", so Dr. Luani. Die Röntgen-Bestrahlungsdauer konnte dadurch reduziert werden. Zudem ermöglichen moderne Ablationskatheter eine effektivere Verödung, bei geringerer Gefahr für Blutungen in den Herzbeutel und Gerinnselbildungen. Alternativ gibt es die lokale Vereisung (Kryoablation). Statt des Stroms erfolgt hier eine Kühlung auf bis zu minus 70 Grad Celsius. "Beide Verfahren haben sich in klinischen Studien mit mehreren Tausend Patienten als erfolgreich erwiesen", so Dr. Luani. Die europäische und deutsche Gesellschaft für Kardiologie raten zu dieser Therapie, wenn keine Herzerkrankungen oder ein symptomatisches Vorhofflimmern bei den Patienten vorliegt.