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Umzug macht keinen Sinn Opfer von Einbrüchen sollten über ihre Ängste reden

Von Stefan Säemann 22.01.2010, 04:52

Mehr als 150 000 Einbrüche wurden 2009 in Deutschland verzeichnet. Auf den ersten Blick entsteht dabei nur Sachschaden. Doch oft werden die Betroffenen psychisch geschädigt. Einbruchsopfer sind vernachlässigte Opfer, wissen Experten, und raten zur Auseinandersetzung mit dem Geschehenen.

Mainz / Homburg ( ddp ). Marie und Stefano verabschieden sich gutgelaunt von ihren Kollegen ins Wochenende. Das junge Ehepaar ahnt nicht, dass im selben Moment Unbekannte ihr Schlafzimmer durchwühlen und Bargeld, Kreditkarten und persönliche Dokumente in einen Kopfkissenbezug stecken und mitnehmen. Dazu den Schmuck, den die junge Frau erst ein halbes Jahr zuvor zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte. Zu Hause angekommen, dann der Schock für Marie und Stefano : Das Schloss ihrer Haustür ist aufgebrochen.

" Dieses Gefühl, dass da jemand in unseren Privaträumen war – das war schrecklich ", erinnert sich Stefano. Erst danach kam die Überlegung, was die Einbrecher wohl geklaut haben könnten. Am Schlimmsten sei es wenige Tage später gewesen, als ihr Mann auf Geschäftsreise musste und sie alleine in der Wohnung blieb, erzählt Marie : " Es war, als wären die Einbrecher noch da. "

Der Einbruch bei dem jungen Ehepaar war laut Kriminalstatistik deutschlandweit einer von mehr als 150 000 im vergangenen Jahr. Jeden Tag füllen entsprechende Meldungen die Randspalten der Zeitungen. " Trotzdem sind Einbruchsopfer vernachlässigte Opfer ", sagte Helmut Rüster von der Opferschutzorganisation " Weißer Ring " in Mainz. Opfer im Sinne des Opferschutzgesetzes sei zum Beispiel nur, wer einen " tätlichen Angriff " erleiden musste. Dabei sei das Erlebnis eines Einbruchs für Betroffene ähnlich schlimm und traumatisch wie eine Körperverletzung.

" Der Einbruch in die Wohnung ist ein Einbruch in die engste Intimsphäre ", erklärt der Homburger Psychologe Günther Deegener. Die Wohnung sei ein privater Rückzugsraum, der Sicherheit gebe. " Nach einem Einbruch wird die eigene Wohnung vielen fremd. " Die psychischen Verwundungen wögen oft schwerer als der materielle Schaden. Einer Studie zufolge fühlten sich sieben von zehn Opfern psychisch belastet.

Die psychischen Reaktionen von Einbruchsopfern seien denen von Opfern von Gewalttaten ähnlich, erläutert Deegener. Manche Menschen leiden unter Ängsten und Albträumen, Schweißausbrüchen oder Schlafstörungen. Einige kapseln sich ab, trauen sich nicht mehr aus dem Haus. Hinzu kommen bisweilen Schuldgefühle, die Wohnung nicht genügend gesichert zu haben. Auch entwickeln manche Menschen Ticks und Kontrollzwänge. " Sie prüfen beispielsweise mehrmals, ob die Wohnung tatsächlich abgeschlossen ist ", erzählt Deegener.

Ein erster Schock ist durchaus normal. " In aller Regel versteht man das Geschehen nicht sofort ", sagt Psychologe Deegener. Auch Ängste und quälende Fragen sind nicht ungewöhnlich, solange diese nach einigen Wochen abklingen. Am wichtigsten ist Deegener zufolge, sich aktiv und schnellstmöglich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen. Sich die Last von der Seele zu reden, zunächst bei Freunden oder Verwandten. " Die Opfer müssen erkennen, was passiert ist und was in ihnen selbst vorgeht. " Unter keinen Umständen sollte man zur Tagesordnung übergehen oder zu Alkohol oder Beruhigungspillen greifen, um zu vergessen, rät Deegener.

Stattdessen rät der Psychotherapeut : " Den Einbrecher symbolisch aus der Wohnung werfen. " Zum Beispiel mit einer " Rauswurf-Party ", oder indem man die durchwühlte Wäsche entsorgt. " Von einem Umzug rate ich eindringlich ab, weil das einer Flucht gleichkommt ", ergänzt er. Wer sich in den eigenen vier Wänden nicht wohlfühle, solle die Wohnung streichen oder umdekorieren. Helmut Rüster vom " Weißen Ring " merkt an, Opfer müssten sich immer bewusst halten : " Schuld ist nie das Opfer, sondern immer der Täter. "

Sollten all die Selbsthilfemaßnahmen nicht reichen, empfiehlt der " Weiße Ring ", psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Opferschutzorganisation habe bundesweit ehrenamtliche Helfer. Diese seien geschult und unterstützten Opfer in Erste-Hilfe-Gesprächen, bei Behördengängen und Versicherungsangelegenheiten.

In der Regel helfe bereits ein Gespräch. " Wir betreuen die Menschen aber, solange sie Hilfe brauchen, bei Bedarf über Jahre hinweg ", betont Rüster. In besonders harten Fällen werden auch psychotherapeutische Behandlungen vermittelt.