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Partnerschaft Seitensprung ist ein lebenslanges Trauma

Manche tragen Verletzungen und Kränkungen durch den Partner jahrelang mit sich herum. Verzeihen dauert, loht sich aber oft.

26.10.2018, 23:01

Berlin (dpa) l „Verzeih mir.“ Eine Bitte, die manchmal flüchtig und am Rande ausgesprochen wird. Je nach Dimension der Verletzung verlangt sie einem aber viel ab – etwa dann, wenn es der eigene Partner war, der den Schmerz verursacht hat.

Ein Beispiel ist das Fremdgehen. „Es ist ein leidiges Thema und häufiger Vorstellungsgrund von Paaren“, erzählt der Psychologe Rüdiger Wacker. In seiner Praxis berät er Paare, die teilweise schon eine längere Leidensgeschichte mit verschiedenen Lösungsversuchen hinter sich haben. Die Suche nach externer Hilfe sei für viele häufig der letzte Schritt.

Oftmals meldet sich zunächst nur ein Partner. „Es braucht aber meist beide Parteien, um zu einer Lösung zu kommen“, sagt Wacker. Und es braucht Zeit: „Für viele ist Fremdgehen ein geradezu traumatisierendes Ereignis. Da kann der Prozess des Verzeihens dauern – manchmal ein ganzes Jahr und länger.“

Am Anfang des Weges steht für ihn ein Schuldeingeständnis. „Derjenige, der verletzt hat, muss auch zugeben, dass er etwas falsch gemacht hat. Und zwar glaubwürdig.“

Was zunächst etwas banal klingt, sei immens wichtig. Wer Verantwortung für das Geschehene übernimmt, schafft die Grundvoraussetzung fürs Verzeihen. Erst das mache es dem Verletzten möglich, zum nächsten Schritt überzugehen: eine Entschuldigung einzufordern.

Ein kleiner Schritt, ohne Zweifel. Aber auch ein aktiver, der zumindest ein Stück weit helfen kann, aus der Opferrolle herauszukommen. Denn Opfer ist nur, wer sich nicht wehren kann, der den Dingen ausgeliefert und hilflos ist.

Gerade bei partnerschaftlichen Konflikten ist die Rollenverteilung von Opfer und Täter aber nicht immer ganz eindeutig, sagt Elke Paland. „In vielen Fällen sind beide Parteien beteiligt“, erklärt die Heilpraktikerin für Psychotherapie. „Für den anderen gab es oft auch einen Auslöser, der ihn dazu gebracht hat, zu verletzen.“ Es lohne sich daher, die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.

Das sieht Wacker nicht anders. Er beschreibt es so: „Ist die Entschuldigung ausgesprochen und nach ausreichender Bedenkzeit ganz oder in Teilen angenommen, dann kommt man – ganz langsam – in den Bereich, wo es um den möglichen Eigenanteil geht: Welche Gründe könnte der andere für seine Tat bei mir gesehen haben? Hat er sich vielleicht nicht ausreichend beachtet oder wertgeschätzt gefühlt?“

Und dieser Teil des Prozesses hat es in sich. Denn Fehler einzugestehen, kostet besonders viel Kraft. Es wirkt dem natürlichen Impuls des Menschen entgegen, sich selbst für eigenes Fehlverhalten zu rechtfertigen, um negativen Gefühlen aus dem Weg zu gehen – Wissenschaftler sprechen hier von kognitiver Dissonanz.

Der eigene Umgang mit dem Schmerz ist ebenfalls nicht einfach. Aus dem Grund sind geschlossene Sitzungen in einem kleinen, intimen Rahmen hilfreich. „Dann kann man auch mal mit der Faust in ein Kissen hauen. Oder den Schmerz herausschreien“, sagt Paland.

Die Familientherapeutin Renate Zwicker-Pelzer hält es sowieso für schwierig, den Weg des Verzeihens ohne externe Hilfe zu gehen. „Wie schwer es ist, zu verzeihen, hängt auch davon ab, wie oft und lange ein Mensch verletzt wurde“, sagt sie. „Ich nenne das das Verletzungskonto. Bei manchen Menschen, gerade bei Frauen, kann sich auf dem Verletzungskonto sehr viel anstauen.“ Das loszulassen, sei dann schon ein größeres Projekt, weswegen eine professionelle Beratung sinnvoll sei.

Zwar übernehmen die Krankenkassen Leistungen wie Ehe- oder Familienberatung nicht. Es gibt aber günstige und teilweise sogar kostenlose institutionelle Angebote – etwa von der evangelischen oder katholischen Kirche. Organisationen wie Pro Familia, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung oder der Deutsche Arbeitskreis für Familienhilfe bieten ebenfalls Beratungen an. In manchen Situationen entscheiden sich Menschen ganz bewusst, nicht zu verzeihen. „Und auch das ist ein Ergebnis“, sagt Wacker. „Es kann helfen, mit Dingen, die waren, abzuschließen.“

Und wenn man es doch geschafft hat? „Dann spürt man das“, sagt Zwicker-Pelzer. Man könne dem Partner wieder in die Augen sehen, ohne Hass zu verspüren. „Das ist schon ein Erfolg.“