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Umweltbundesamt warnt vor Reizstoffen in Schwimmbädern Babyschwimmen im Hallenbad kann das Asthmarisiko erhöhen

13.01.2011, 04:26

Babyschwimmen erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Doch das Umweltbundesamt in Dessau rät vom Plantschen mit den Kleinsten ab, wenn die Eltern, Brüder oder Schwestern an Allergien leiden. Ge- chlorte Schwimmbäder produzieren Reizstoffe, durch die Kinder aus "Allergiker-Familien" Asthma bronchiale bekommen können.

Dessau/Magdeburg (dpa/use). 2001 hatten belgische Forscher von der Katholischen Universität Löwen im Rahmen eines EU-Projektes Hinweise darauf gefunden, dass ein Besuch im Hallenbad besonders Kindern auf die Lunge schlägt.

Die Studie sorgte für viele kontroverse Diskussionen. Damals hieß es noch: "Alles halb so schlimm, denn in Deutschland wird das Wasser in geringeren Konzentrationen als in Belgien gechlort". Doch heißt das auch, dass die Luft in Deutschlands Hallenbädern besser und ungefährlich für Kinder ist, deren Atmungs- und Immunsystem sich noch in Entwicklung befindet? Wiegen die Vorteile einer frühzeitigen Wassergewöhnung für Muskulatur, Motorik und Knochen die möglichen Risiken nicht sogar auf, wie die Befürworter des Babyschwimmens sagen?

2008 legten Wissenschaftler vom norwegischen Zentrum für öffentliche Gesundheit die Ergebnisse einer weiteren, umfangreicheren Studie mit rund 30 000 Müttern und Kindern vor. Etwa ein Viertel der Kinder hatte im Alter in den ersten sechs Monaten nach der Geburt an Babyschwimmkursen teilgenommen. Die Studienergebnisse unterstützen die belgischen Forscher. Es ergab sich ein leicht erhöhtes Asthma-Risiko für Kinder, die am Babyschwimmen teilgenommen hatten.

Chlor und Urin erzeugen Luftreize

Zehn Jahre nach den ersten Hinweisen im Ausland hat jetzt auch das Umweltbundesamt (UBA) in Dessau-Roßlau auf einen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen Asthma sowie anderen chronischen Erkrankungen mit dem Schwimmen in gechlortem Wasser hingewiesen. Durch die Reaktion von Chlor mit Urin und anderen organischen Stoffen im Beckenwasser entstehen asthmaverdächtige Substanzen, die den bekannten Schwimmbadgeruch auslösen. In der Hallenluft deutscher Bäder fand das Umweltbundesamt hohe Konzentrationen der asthmaverdächtigen Substanzen, die bis zu 37 Mal höher waren als von der Weltgesundheitsorganisationen empfohlen. In diesen Fällen habe entweder die Wasseraufbereitung oder die Belüftung des Hallenbades nicht den Regeln entsprochen. 90 Prozent der gemessenen Werte hätten hingegen deutlich unter den Richtwerten gelegen. Gerade im Kinderbecken seien oft mehr verdächtige Substanzen vorhanden, weil dort die Wassertemperatur höher ist und mehr Urin ins Wasser gelangt.

Professor Jens Schreiber, Leiter des Fachbereiches Pneumologie am Magdeburger Universitätsklinikum Magdeburg, empfiehlt denn auch schon seit mehreren Jahren asthmakranken Kindern, die Zeit in öffentlichen Hallenbädern "nicht über Gebühr" auszudehnen. Was das konkret heißt, ist im Einzelfall zu klären, denn generell gehört das Schwimmen zu den "günstigsten Sportarten für Asthmatiker", so der Lungenfacharzt.

Das UBA empfiehlt Kindern unter zwei Jahren, in deren Familien Allergien wie Dermatitis, Heuschnupfen und Asthma auftreten, sich generell nicht in Hallenbädern aufzuhalten. "Als familiär vorbelastet gelten Kinder, wenn mindestens ein Elternteil oder ein Geschwister eine solche Diagnose hat", sagte die leitende Toxikologin des Trink- und Badebeckenwassers des Umweltbundesamtes, Tamara Grummt. Die Eltern dieser Kleinkinder sollten einen Arzt konsultieren und sich außerdem über die Qualität des Beckenwassers informieren.

Vor dem Schwimmen gründlich duschen

Außerdem fordert Umweltbundesamt-Chef Jochen Flasbarth die Bevölkerung dazu auf, vor dem Schwimmen immer gründlich zu duschen. Nicht nur durch Urin, sondern auch durch Schweiß, Kosmetika und Hautschuppen entstünden die Reizgase. Von den Hallenbadbetreibern verlangt Flasbarth genügend Frischwasserzufuhr und eine ausreichende Belüftung.

Grundsätzlich sollen Desinfektionsmittel aber auch weiterhin in das Beckenwasser gegeben werden, um vor Infektionen zu schützen.

Im Umweltbundesamt laufen derzeit Messungen, um die Höhe der gefährlichen Dosis der asthmaverdächtigen Substanz zu ermitteln. Die Untersuchungen sollen Ende 2012 abgeschlossen sein, dann sind auch erste Ergebnisse zu erwarten.

Doch selbst eine Absenkung der Chlor-Konzentration senkt möglicherweise nicht alle Risiken des Babyschwimmens. Eine zwischen 2003 und 2005 vom GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit im Neuherberg bei München durchgeführte Studie mit 2191 Kindern belegte, dass Babyschwimmen in den ersten zwölf Lebensmonaten in Schwimmbädern vermehrt zu Infektionen (Mittelohrentzündungen und Durchfallerkrankungen) führt.