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Moderne Behandlunsstrategien Bei andauernden Schmerzen ist Tapferkeit fehl am Platze

Von Uwe Seidenfaden 20.11.2009, 05:51

Der Schmerz kann viele Ursachen haben. Normalerweise ist er ein Warnsignal des Körpers. Doch er kann sich auch in das Gedächtnis einbrennen und zu einem Dauerbegleiter werden. Auf einer Patientenveranstaltung, die in der vergangenen Woche am Klinikum Magdeburg stattfand, informierten Mediziner über moderne Behandlungsstrategien.

Magdeburg. Industrieroboter sind Meister im routinemäßigen Arbeiten. Den Menschen dagegen machen einseitige körperliche Belastungen auf Dauer krank. Das gilt für Fließbandarbeit ebenso wie für stundenlanges, angespanntes Sitzen am Computer. Wird der akute Schmerz ignoriert, kann er seine Warnfunktion verlieren. " Er besteht dann unabhängig vom Auslöser fort ", sagt Dr. Ingrid Harnisch, Leiterin der Abteilung Schmerztharapie am Klinikum Magdeburg. Die Betroffenen fühlen sich dem Schmerz ausgeliefert und " zum Leiden verdammt ". Die meisten Berufsunfähigkeiten sind Folge chronischer Schmerzen.

Damit es nicht so weit kommt, sind eine frühzeitige Diagnostik, Vermeidung der Schmerzursachen und eine angemessene medizinische Therapie wichtig. Das jedoch scheint einfacher gesagt als getan, denn eine Vielzahl von Ursachen können zu einer Chronifizierug des Schmerzes führen.

Das beginnt bei Verletzungen und infektiösen Entzündungen, reicht über Verschleißerkrankungen der Gelenke und dem Wachstum von Krebsgeschwüren bis hin zu Phantomschmerzen amputierter Gliedmaßen. Nicht zuletzt entscheidet auch die Psyche des Menschen darüber, wie stark der Schmerz empfunden wird. Ein einheitliches Maß, vergleichbar dem Blutdruck oder den Blutzuckerwerten, gibt es nicht. Das erschwert es Ärzten, die Beeinträchtigung eines Patienten durch die Schmerzen richtig einzuschätzen und entsprechend zu behandeln.

Hilfe bei der Beurteilung der Schmerzintensität leisten " Schmerz-Lineale ". Auf ihnen können Patienten den Grad ihrer Beeinträchtigung auf einer Skala von eins bis zehn zeigen. Diese Information kann helfen, eine angemessene Schmerztherapie zu wählen. Ärzte folgen dabei einem Mehr-Stufen-Schema der Weltgesundheitsorganisation WHO.

1. Stufe : Zum Einsatz kommen entzündungslindernde, nichtsteroidale Wirkstoffe wie Acetylsalicyläure ( zum Beispiel Aspirin ), Diclofenac, Ibuprofen, Paracetamol und Metamizol. Wegen möglicher Nebenwirkungen auf die Verdauungsorgane sollten diese Medikamente aber nicht über mehrere Monate unkontrolliert eingenommen werden – insbesondere nicht von Menschen über 65 Jahren und ohne einen zusätzlichen medikamentösen Magenschutz.

Ergänzend können nichtmedikamentöse Therapien wie Krankengymnastik, Psychotherapien, Massagen, Wärmeund Kältebehandlung, autogenes Training, progressive Muskelrelaxation und Reizstrom ( zum Beispiel TENS ) oder alternativmedizinische Therapien wie die Akupunktur zur Anwendung kommen.

2. Stufe : Es kommen Stoffe mit schwachopioider Wirkung, etwa Tramadol oder Valoron, zum Einsatz – zum Beispiel als Tabletten, Hautpflaster oder Zäpfchen. Auch in der 2. Stufe der Schmerzbehandlung können zusätzliche, nichtmedikamentöse Therapien für Schmerzlinderung sorgen.

Medikamentenpumpe für sehr schwere Fälle

3. Stufe : Wenn in der ersten und zweiten Stufe keine Besserung erzielt wird, können Ärzte Opioide, zum Beispiel Morphin oder Methadon, verordnen. Zusätzlich können andere Medikamente, zum Beispiel Antidepressiva und Medikamente gegen die Opioid-Nebenwirkungen ( zum Beispiel Verstopfungen ) zum Einsatz kommen.

4. Stufe : " In sehr schweren Fällen können die Opiate auch über eine Medikamentenpumpe kontinuierlich und genau dosiert abgegeben werden ", sagt der Neurochirurg Dr. Werner Braunsdorf vom Klinikum Magdeburg. Solche Schmerzmittelpumpen sind etwa so groß wie ein Handy und werden unter die Bauchdecke implantiert. Sie geben die Medikamente direkt in den Rückenmarkskanal. Das senkt den Medikamentenverbrauch drastisch und verringert zudem die Nebenwirkungen.

Ist die Medikamentenpumpe leer, kann der Arzt sie relativ einfach durch eine Injektion durch die Bauchdecke auffüllen. Die Kosten werden meistens von den Krankenkassen übernommen, sofern der Arzt die Notwendigkeit bescheinigt. " Die Risiken während der Operation sind relativ gering ", versichert Dr. Braunsdorf. Dennoch ist nicht jeder Patient für den Einsatz einer Schmerzmittelpumpe geeignet. Eine Anwendung finden die Medikamentenpumpen zum Beispiel bei Patienten mit starken Schmerzen infolge eines Bandscheibenschadens oder als Folge von Krebserkrankungen.