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Fahren im Alter Sinne schärfen, Gefahren erkennen

In Burg können ältere Autofahrer ihre Fahrfähigkeiten ohne Druck erproben.

Von Antonius Wollmann 03.06.2016, 01:01

Burg l Karin Müller ist aufgeregt, als sie Ende Mai auf dem Gelände der Verkehrswacht Jerichower Land in Burg aus ihrem Auto steigt. „Ich habe die ganze Nacht nicht richtig schlafen können“, sagt die 74-jährige Magdeburgerin. Der Grund: Gleich nimmt sie an einem Fahrsicherheitstraining für Senioren teil und fürchtet sich ein wenig vor den Übungen.

Hans-Ulrich Franke, Organisator der Veranstaltung vom Auto Club Europa (ACE), bemüht sich sofort, die Bedenken zu zerstreuen. Freundlich nimmt er alle sieben Teilnehmer in Empfang: „Wir wollen Sie auf gefährliche Situationen im Straßenverkehr aufmerksam machen, Ihnen aber nicht den Führerschein wegnehmen.“ Im vergangenen Jahr konzipierte er einen Lehrgang speziell für Menschen ab 65 Jahren. Nach der Begrüßung geht es aufs Gelände der Bundeswehr. Dort ist der weiträumige Verkehrsübungsplatz bestens für die Veranstaltung geeignet.

Der Lehrgang beginnt auf den ersten Blick nicht sonderlich aufregend. Dennoch ist die richtige Position hinter dem Lenkrad nicht zu unterschätzen. „Man sollte sich als Fahrer möglichst wohlfühlen. Sitzt man bequem, sind die Ermüdungserscheinungen nicht so groß. Und die Konzentration leidet nicht so stark. Die Arme sollten beim Griff ans Lenkrad leicht angewinkelt sein“, erklärt Hans-Ulrich Franke.

Brems-und Gaspedal sollten vom Fahrer immer voll durchgetreten werden können. Ebenfalls wichtig: Die Einstellung der Kopflehne. Idealerweise ist die Oberkannte der Kopfstütze auf Scheitelhöhe des Fahrers. Zu niedrig justiert, kann dies bei einem Crash zu schweren Traumata führen.

Nachdem bei der ersten Übung die fahrerischen Fähigkeiten eher im Hintergrund standen, geht es nun zur Sache. Auf dem Parkplatz haben die Mitarbeiter einen Parcours mit vier Stationen aus Kegeln aufgebaut. „Wir üben, scharf abzubiegen und extrem enge Straßen zu befahren“, sagt er Fahrtrainer. Im Falle von Autobahnbaustellen werde man mit solchen Situationen häufig konfrontiert. Die Schwierigkeit: Der Abstand zwischen den Kegeln wird von Station zu Station geringer. Der Rat für den Parcours: Genauigkeit geht vor Geschwindigkeit. Wichtig ist außerdem, das Lenkrad immer fest im Griff zu haben. „Ich empfehle, das Steuer zu schieben und nicht zu ziehen. Beim Ziehen besteht die Gefahr, mit einem Kleidungsstück hängen zu bleiben“, ergänzt Franke. Mit den Tipps im Gepäck meistern die Fahrer die Hindernisse fast perfekt. Nur wenige Kegel fallen.

Entscheidend ist, beim Einparken die richtige Position zu finden. „In der Stadt sollte man möglichst eng an das Fahrzeug heranfahren, hinter dem man stehen möchte, und ungefähr auf der Höhe des Außenspiegels stehen bleiben. Nach dem Anfahren dann das Lenkrad zweimal voll einschlagen und das eigene Auto sicher in die Lücke schieben“, sagt Fachmann Franke.

Die Situation ereigne sich in der Praxis täglich. „Speziell in Städten hat man sehr selten Platz, um vorwärts einzuparken. Vielen fehlt aber die Übung, um unter Stress zu rangieren“, berichtet Franke. Nach einigen Versuchen und Anweisungen steuern die Senioren ihre Autos meist sicher in die mit Pylonen gekennzeichneten Lücken.

Eine Situation, die jeden Autofahrer treffen kann: Auf der Autobahn streikt der Motor, geradeso schafft man es auf den Standstreifen. Doch ist die Gefahr dann keineswegs vorüber. Immer wieder verunglücken Menschen bei dem Versuch, ihr Fahrzeug zu sichern. Deshalb spielen die Teilnehmer das richtige Verhalten durch. Das heißt: Zuerst wird der Warnblicker eingeschaltet, anschließend die Warnweste übergezogen. Alle Personen verlassen das Auto, um sich hinter die Leitplanke zu begeben, haben dabei aber immer den Verkehr im Auge. Erst danach stellt man das Warndreieck auf, etwa 150 Meter entfernt vom eigenen Auto. Im letzten Schritt wird die Polizei per Handy oder an der Notrufsäule informiert.

Die Helfer fluten die Teststrecke mit Wasser. Damit werden winterliche Verhältnisse hergestellt. Die Haftung entspricht ungefähr der einer festgefahrenen Schneedecke. Bei der ersten Übung geht es darum, ein Gespür für den verlängerten Bremsweg zu entwickeln. Mit moderaten 40 Kilometer pro Stunde fahren die Senioren auf die nasse Fahrbahn und treten dann heftig auf die Bremse, doch die Wirkung liegt fast bei null. Erst nach knapp 30 Metern bleiben die Autos auf dem Trockenen stehen.

Im Anschluss wird trainiert, auf Glatteis abzubiegen. Die Senioren haben sichtlich Probleme, die Kontrolle zu behalten. Doch auf Grund der angepassten Geschwindigkeit gerät niemand ins Schleudern. Dennoch bleibt bei vielen ein mulmiges Gefühl zurück. „Bei dieser Übung merkt jeder, dass man die Fahrphysik nicht überlisten kann. Ich hoffe, dass jeder, der sie gemacht hat, im Winter etwas vorsichtiger unterwegs ist“, sagt Hans Ulrich Franke zum Abschluss.