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Warnsystem Corona-App: Was kann sie leisten?

In der kommenden Woche soll die Corona-Warn-App endlich zum Herunterladen zur Verfügung stehen. Doch sie wirft auch viele Fragen auf.

Von Christoph Dernbach 08.06.2020, 18:33

Berlin (dpa) l Für den Weg aus der Corona-Krise in die Normalität hoffen viel Menschen auch auf die seit Monaten angekündigte Corona-Warn-App. Sie soll dabei helfen, die Infektionsketten frühzeitig zu erkennen und zu durchbrechen.

Die App kann dazu beitragen, dass Menschen nachträglich darüber informiert werden, wenn sie sich in der Nähe infizierter Personen aufgehalten haben. Dabei erfährt man nicht, wer diese Personen waren - und auch nicht, ob man sich aktuell neben infizierten Personen befindet.

Mit der App verwandelt sich ein Smartphone in einen kleinen „Bluetooth-Leuchtturm“, der ständig eine Identifikationsnummer in die nähere Umgebung funkt. Gleichzeitig lauscht das Telefon, ob es Bluetooth-Signale von anderen empfangen kann. Halten sich Nutzer, die beide die App laufen haben, für eine bestimmte Zeit nebeneinander auf, tauschen die Smartphones ihre IDs aus.

Bei der Programmierung der App und der dazugehörigen Dienste wurde ein mehrstufiges Konzept umgesetzt, um einen möglichst hohen Datenschutz zu gewährleisten. Es werden nicht die Identitäten der Anwender ausgetauscht, sondern anonymisierte IDs, die sich mehrfach in der Stunde ändern. Die IDs der Kontaktpersonen werden nicht zentral gespeichert, sondern dezentral auf den jeweiligen Smartphones. Nur die Liste der anonymisierten IDs der Infizierten wird auf einem zentralen Server vorgehalten.

Nach den Vorgaben von Google und Apple kann es pro Land nur eine offizielle Tracing-App geben, die mögliche infektiöse Kontakte nachverfolgt. Das ist die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts (RKI), die von SAP und Telekom entwickelt wird. Es gibt parallel dazu andere Anwendungen mit anderen Zielen: Die Datenspende-App des RKI etwa sammelt Informationen von Fitness-Trackern ein, um zu sehen, ob es in den Regionen Auffälligkeiten gibt. Andere Apps überwachen, wie viele Menschen sich in einem bestimmten Bereich befinden, etwa an einem Strandabschnitt an der Ostsee.

Apps in asiatischen Ländern wie China, Singapur, Südkorea oder Indien erfüllen nicht die deutschen Datenschutzanforderungen, weil sie beispielsweise die Nutzer bloßstellen oder durch die Analyse der GPS-Signale ein Bewegungsprofil erstellen können. Die App in Frankreich ähnelt dem Ansatz in Deutschland, besteht aber auf einer zentralen Speicherung der Kontaktdaten. Andere Länder wie die Schweiz oder Österreich folgen wie Deutschland den Datenschutzvorgaben von Apple und Google und können dadurch auch die technischen Schnittstellen (APIs) der Tech-Konzerne nutzen.

Beim iPhone ist das aktuelle iOS 13.5 Mindestvoraussetzung. Das gibt es für Geräte ab dem iPhone 6s oder dem iPhone SE. Ein altes iPhone 5, 5S oder 6 reicht nicht aus. Bei Android-Handys ist die Lage etwas unübersichtlicher. Hier muss zum einen Bluetooth LE unterstützt werden. Das ist ab Android 6 der Fall.

Zum anderen müssen aber auch die Google Play Services laufen, weil der Konzern die Schnittstellen nicht über Android selbst zu Verfügung stellt, sondern über diese Google-Dienste. Android-Handys ohne Google Play Services, wie die neuesten Huawei-Modelle, bleiben außen vor.

Nein, der Austausch der anonymisierten Kontakt-IDs via Bluetooth findet nur dann statt, wenn man die Corona-Warn-App freiwillig installiert und dem Datenaustausch aktiv zustimmt.

Nein, das ist quasi ausgeschlossen. Der Quell-Code der App kann auf der Plattform GitHub transparent eingesehen werden. Bei etlichen Analysen des Codes wurden keine Hintertüren oder andere Anomalien entdeckt.

Nein, die Bundesregierung glaubt, dass die bestehenden Datenschutzgesetze ausreichen und wird im Bundestag dabei von der FDP unterstützt. Die Grünen und Linken fordern dagegen, dass der Einsatz der App durch ein Gesetz geregelt wird. So müsse nicht nur die Installation der App freiwillig sein.

Es dürfe auch keine Verpflichtung geben, ein Smartphone mit laufender App mit sich zu führen und bei Restaurantbesuchen, beim Einkaufen oder Veranstaltungen vorzuzeigen. Auch die AfD fordert, dass es keine Diskriminierung von Nicht-Nutzern geben dürfe.

Eine Studie aus Oxford sagt, dass der volle Effekt erst dann erreicht wird, wenn sich 60 Prozent der Bevölkerung oder mehr beteiligen. Das wird aber vermutlich nicht zu erreichen sein. Selbst eine populäre App wie WhatsApp hat Jahre gebraucht, um eine so hohe Installationsquote zu erreichen. Aber Experten weisen auch darauf hin, dass jede Installation zählt und Effekte schon bei einer deutlich niedrigeren Quote erreicht werden können.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat gesagt, die App müsse auch beim "Musikhören auf dem Handy" noch laufen können. "Musikhören auf dem Handy" steht stellvertretend für Anwendungen, die parallel zur Warn-App laufen. Das könnte auch Google Maps oder eine andere App sein.

Insbesondere beim iPhone bestand die Herausforderung, dass Apple einem Programm bislang nicht gestattet hat, ständig Bluetooth-Signale im Hintergrund zu senden und zu empfangen. Mit der API für die Corona-Warn-App macht Apple nun dafür eine gezielte Ausnahme. Und auch bei Google wird der Parallelbetrieb der Apps nun optimiert. Die App-Entwickler mussten nun sicherstellen, dass diese Schnittstellen optimal genutzt werden.

Das wurde im Prinzip schon dadurch gelöst, dass man sich auf die Verwendung von Bluetooth LE geeinigt hat. LE steht für Low Engergy (geringen Strombedarf). Die Entwickler der App versprechen, dass die Anwendung längst nicht so viel Strom verbraucht wie das Streamen von Musik auf einen Bluetooth-Lautsprecher. Ob das Versprechen gehalten werden kann, wird die Praxis zeigen.

Da die Bluetooth-Technik nicht für das Messen von Abständen entwickelt wurde, wird es sicherlich auch Fehlalarme geben. Es kann auch sein, dass sich Infizierte hinter einer Glaswand befunden haben und einen Alarm auslösen, obwohl durch den „Kontakt“ keine Infektionsgefahr ausging. Daher verweisen selbst die Entwickler darauf, dass die App nur einen begrenzten Beitrag zur Normalisierung liefern kann

Sie ist keine Wunderwaffe. Wer sich und andere vor einer Infektion schützen will, sollte auch mit der App Abstand wahren und sicherheitshalber eine Maske tragen.