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Anzeichen für Überangebot Deutscher Hotelmarkt läuft heiß

Es gibt weniger Hotels in Deutschland, aber immer mehr Gästebetten. In der Branche fressen die Großen die Kleinen. Das ist nicht die einzige Entwicklung, die dem Hotelverband Sorgen bereitet.

Von Bernd Röder, dpa 12.04.2018, 08:43

Berlin (dpa) - Fast 700 neue Hotels in den nächsten drei Jahren, mit
100 000 Zimmern, knapp 17 Milliarden Euro Investitionen. "Da
beginnt es mulmig zu werden", sagt Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer
des Hotelverbands Deutschland (IHA). Man müsse fragen, "ob die
Nachfrage diesen Kapazitätsausbau tragen wird".

Klar, wenn es so weitergeht wie in den vergangenen acht Jahren, dann
werden genügend Gäste aus dem In- und Ausland kommen, um sich in die
Extra-Betten zu legen. Seitdem geht es mit den Übernachtungszahlen
stets aufwärts. "Gute Konjunktur, politische Stabilität,
Nullzinspolitik", all das seien Faktoren, die Reisen in Deutschland
attraktiv machten, meint der Verbandsvorsitzende Otto Lindner.

Für den Chef der Hotelgruppe Lindner ist das aber ein labiler
Zustand. Kaum eine andere Branche reagiere so anfällig auf
Terroranschläge oder politische Krisen. "In den Unternehmen werden
Reisekosten als erstes gestrichen", beschreibt er die Folgen eines
Abschwungs. Deshalb sei es bedenklich, wenn die Immobilienpreise
höher und höher kletterten, ebenso die Verkaufspreise von Hotels und
die Mieten für die Pächter. An einigen Orten gebe es Anzeichen von
Überkapazitäten.

Zuletzt hat sich der Durchschnittsertrag pro Zimmer verbessert, um
zwei Prozent auf 68 Euro im Jahr 2017. In diesen Wert eingerechnet
sind auch die ungenutzten Zimmer. Für gebuchte Zimmer zahlten die
Gäste ohne Frühstück im Schnitt 95 Euro plus Mehrwertsteuer. Die
Auslastung der Hotels und Pensionen lag nach Berechnung des
Statistischen Bundesamt 2017 bei 62,1 Prozent, ein kleines Plus von
0,3 Punkten.

Bei alledem auf den ersten Blick überraschend: Die Zahl der Hotels in
Deutschland sinkt - binnen eines Jahres um 300 auf 32 700. Zugleich
stehen rund 10 000 Zimmer mehr zur Verfügung als ein Jahr zuvor. Die
Erklärung: "Die Unternehmens- und Markenkonzentration in der
Hotellerie nimmt weiter zu", formuliert Lindner. "Die neuen, großen
Hotels verdrängen die kleinen Einheiten", sagt
IHA-Hauptgeschäftsführer Luthe.

Gerade für die kleineren Anbieter wird es zudem schwieriger, Personal
zu finden. "Wir haben einen enormen Verlust an Azubis", berichtet
Lindner. Nach seiner Darstellung liegt das an der guten Ausbildung
und den besonderen kommunikativen Fähigkeiten der Kollegen aus seiner
Branche und nicht etwa an einer zu geringen Bezahlung im Vergleich zu
verwandten Dienstleistungsjobs.

Da erntet Lindner allerdings Widerspruch seitens der zuständigen
Gewerkschaft. Seit Jahren bräche fast die Hälfte der angehenden
Köche, Hotel- und Restaurantfachleute ihre Ausbildung ab. Der Grund
seien häufig die schlechte Qualität der Ausbildung und die
Arbeitsbedingungen. "Viele werden als billige Arbeitskräfte
missbraucht und müssen Überstunden machen", sagt
Gewerkschaftssprecherin Karin Vladimirov.

"Die einen brechen ab, die anderen fallen durch die Prüfung, und
wieder andere werden abgeworben", fasste sie die schwierige Lage
zusammen. Nach der Ausbildung bekämen Hotel- und Restaurantfachkräfte
je nach Bundesland einen tariflichen Monatslohn von 1725 bis 2148
Euro. Diese Bezahlung werde aber oft noch unterboten, denn zwei
Drittel der Unternehmen seien nicht an Tarifverträge gebunden. Als
Untergrenze gilt dann der gesetzliche Mindestlohn von 8,84 Euro pro
Stunde.

Lindner weist darauf hin, dass die Branche seit 2010 knapp 50 000
sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen habe. Es sei
nach wie vor "ein Geschäft von Menschen für Menschen". Das komme ihm
angesichts von Debatten um Digitalisierung und Vertriebskanäle häufig
zu kurz. In der Hotellerie könne man auch ohne akademischen Abschluss
Karriere machen: "Sie haben die Chance, mit unter 30 Hoteldirektorin
zu werden."

Pressemitteilung zum Hotelmarkt-Report