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Urlaub während der Pandemie Wegen Stornokosten: Pauschalreisen nicht zu früh kündigen

Infektionsrisiko, geänderte Flüge, Maskenpflicht: Nicht jeder möchte seine gebuchte Pauschalreise in Corona-Zeiten auch antreten. Ein Experte erklärt, wie und wann sich Stornogebühren vermeiden lassen.

26.02.2021, 11:46
Inga Kjer
Inga Kjer dpa-tmn

Kempten (dpa/tmn) - Wer angesichts der Pandemie und möglicher Einschränkungen vor Ort seinen Pauschalurlaub doch nicht antreten möchte, sollte nicht vorschnell kündigen. Sonst besteht das Risiko, dass unnötige Stornierungsgebühren anfallen.

"Man sollte nie zu früh stornieren, sondern erst etwa vier bis fünf Wochen vor dem Abreisetermin", rät der Reiserechtsexperte Prof. Ernst Führich aus Kempten. Dann seien die Inzidenz, die allgemeinen Beeinträchtigungen vor Ort und mögliche Leistungsänderungen des Reisepakets absehbar - eine gute Argumentationsgrundlage, um von der Reise zurückzutreten. Die Restzahlung sei dann nicht mehr zu leisten.

"Wer dagegen sehr früh storniert, weil er später hohe Stornogebühren fürchtet, kann wahrscheinlich keine Beweise für eine erhebliche Beeinträchtigung vorbringen, denn die Reise findet ja erst in einigen Wochen oder Monaten statt", erklärt Führich. Der Reiseveranstalter kann sich dann auf den Standpunkt stellen: Derzeit sieht es danach aus, dass die Reise wie gebucht stattfinden kann.

Schwelle für kostenlosen Rücktritt ist eher niedrig

Storniert ein Pauschalurlauber dann recht kurzfristig, muss er Argumente haben, warum die Reise beeinträchtigt sein wird. "Klar ist der Fall, wenn eine Reisewarnung vorliegt", sagt Führich. "Sie gilt als eindeutiges Indiz für außergewöhnliche Umstände, die eine Reise erheblich beeinträchtigen." Urlauber sollten dann binnen 14 Tagen ihr angezahltes Geld zurückbekommen. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. "Einen Gutschein muss ich nicht akzeptieren."

Liegt keine Reisewarnung vor, ist die Lage weniger eindeutig - aber trotzdem kann eine gebührenfreie Stornierung gerechtfertigt sein. Führichs Erfahrung nach erklären die Gerichte einen kostenlosen Reiserücktritt bereits dann für rechtens, wenn die Wahrscheinlichkeit einer außergewöhnlichen Beeinträchtigung zum Reisezeitpunkt bei 25 Prozent liegt. "Die Schwelle stammt vom Bundesgerichtshof und wird also sehr niedrig angelegt", erklärt der Experte. Meist gebe es Urteile oder Vergleiche zugunsten der Urlauber.

Manche Pandemie-Einschränkung ist zu akzeptieren

Andererseits fällt nicht alles unter die Kategorie erhebliche Beeinträchtigung, was eine Urlauberin oder ein Urlauber so empfindet. "Wenn im Hotel nichts los ist, nur ein Essenssaal geöffnet hat und Maskenpflicht herrscht, dann zählt so etwas nach einem Jahr Pandemie einfach zum allgemeinen Lebensrisiko, das man hinnehmen muss", sagt Führich. Die Einschränkung der gebuchten Reiseleistungen oder das Infektionsrisiko müsse durchaus erheblich oder höher als zu Hause sein. Erst dann ist die kostenlose Stornierung möglich.

"Ganz allgemein auf die Pandemie können sich Urlauber ohnehin nicht beziehen", sagt Führich. "Sie müssen konkret vortragen, worin genau die Einschränkungen bestehen." Beispiele: Die gebuchte Flugverbindung oder das Hotel stehen nicht mehr zur Verfügung, Ausflüge oder Landgänge bei Kreuzfahrten sind nicht mehr möglich. Oder es gibt eine Pflicht zur Quarantäne nach Einreise. Auch ein hohes Infektionsrisiko im Urlaubsgebiet kann eine solche Einschränkung sein.

Wichtig: "Was ich bei der Buchung sehenden Auges akzeptiert habe, kann ich hinterher nicht mehr monieren", betont Führich.

Gerichtsurteile zur Corona-Pandemie finden sich unter anderem in der Kemptener Reisemängeltabelle (Abschnitt 4.9).

© dpa-infocom, dpa:210226-99-605677/2

Kemptener Tabelle mit Reiserechtsurteilen