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Grüner und billiger Wie die Bahn mehr Kunden anlocken will

Jedes Jahr kurz vor Weihnachten werden die Fahrkarten teurer - diese Tradition könnte nun abbrechen. Bahnchef Lutz nennt dafür eine Voraussetzung. Und er sagt, warum es jetzt ICE mit Grünstreifen gibt.

Von Burkhard Fraune, dpa 10.09.2019, 16:53

Berlin (dpa) - Grün wird jetzt Bahn-Farbe: Vorn und hinten bekommen
alle ICE einen grünen Streifen anstelle des gewohnten Rot. "Kein
Verkehrsmittel ist so klimafreundlich wie die Bahn", begründete der
Vorstandsvorsitzende Richard Lutz am Dienstag in Berlin die
Lackauswahl.

Doch es gibt eine weitere Botschaft: Damit mehr Menschen
Bahn fahren, könnten im Fernverkehr die Fahrkartenpreise deutlich
sinken - sofern der Staat auf Mehrwertsteuer verzichtet. Darüber
berät das sogenannte Klimakabinett der Bundesregierung in der
nächsten Woche.

"Den finanziellen Vorteil würden wir mit günstigeren Fahrpreisen eins
zu eins an unsere Kunden weitergeben", versprach Lutz. Dafür, auch
bei Fahrten über 50 Kilometern den reduzierten nur noch den
reduzierte Satz von 7 statt 19 Prozent Mehrwertsteuer zu verlangen,
gibt es ein recht breiten Konsens von den Grünen bis zur CSU.

Das Klima-Argument

Für mehr politischen Rückhalt setzt die Bahn seit Monaten voll auf
das Klima-Argument. "Bahnfahren ist aktiver Klimaschutz", warb Lutz
und zeigte auf einen grünen Stecker, der nun auf jeden ICE lackiert
wird. Der Fernverkehr fahre seit 2018 komplett mit Ökostrom.

Das heißt aber nur, dass die Bahn soviel Ökostrom einkauft wie sie
für den Fernverkehr braucht. In die Oberleitungen fließt der normale
Bahnstrommix, der 2018 noch zu 43 Prozent aus Kohle, Gas und
Atomkraft stammte. Auf vielen Nebenstrecken fahren außerdem noch
Dieselloks. 60 Prozent des Gleisnetzes ist elektrifiziert, darauf
fährt 90 Prozent des Verkehrs. Echte 100 Prozent Ökostrom soll es
2038 geben, eine klimaneutrale Bahn 2050.

In das Schiennetz investieren

"Die Eisenbahn soll das Verkehrsmittel des 21. Jahrhunderts werden",
sagte der Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Enak Ferleman. "Wir
wollen richtig in das Schiennetz investieren." Im laufenden Geschäft
muss sie die Bahn aber besser werden, etwa bei der
Fahrzeugbereitstellung, wie der CDU-Politiker deutlich machte. "Da
ist noch Luft nach oben." Verspätungen durch Baustellen dagegen seien
kaum zu vermeiden. Die Bahn sei auf einem sehr guten Weg.

Der Bundeskonzern hatte sich dazu eine neue Strategie verordnet. Sie
heißt "Starke Schiene" und zieht Schlussstrich unter frühere
internationale Expansionspläne. Alles, was die Bahn tut, soll sich
auf die Stärkung der Eisenbahn in Deutschland ausrichten.

Geplant sind etwa in Großstädten Fernzüge im 30-Minuten-Takt, WLAN
auch im Intercity und mehr Plätze in Pendlerzügen. Im Fernverkehr
soll sich die Zahl der Fahrgäste nahezu verdoppeln, in Regionalzügen
soll sie um die Hälfte zulegen. Dazu will die Bahn in Mitarbeiter,
neue Züge und Infrastruktur investieren.

Neue Gleise und Digitaltechnik

Die Kapazität des Schienennetzes soll durch neue Gleise und
Digitaltechnik um 30 Prozent steigen, die Zahl der Fernverkehrszüge
von rund 460 auf bis zu 600 wachsen. Bahnhöfe sollen mehr Platz
bieten und einfachere Übergänge zu Fahrrädern, Bussen und Mietwagen.

Doch bis dahin ist es ein weiter Weg für den hoch verschuldeten
Konzern. "Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif", sagte Lutz. Politik
und Bahn müssten die Verkehrswende als gemeinsamen Kraftakt
verstehen. Die geplante Mehrwertsteuersenkung könne einen wertvollen
Beitrag leisten, die Fahrgastzahl im Fernverkehr zu erhöhen. Zudem
würden dann weitere neue Züge gekauft, damit die zusätzliche
Nachfrage auch bewältigt werden kann.

Fahrpreise senken

Die Bahn hatte zunächst auch erwogen, bei einer Steuersenkung einen
Teil des finanziellen Vorteils in die Angebotsverbesserung zu
stecken. Nun nannte Lutz es selbstverständlich, dass die Fahrpreise
im gleichen Maße gesenkt werden würden.

Fahrkarten in der zweiten Klasse von ICE und Intercity sind seit der
Jahrtausendwende um gut ein Viertel teurer geworden, wie das
Bundesverkehrsministerium kürzlich mitgeteilt hatte. Nullrunden hatte
es zuletzt 2015 und 2016 gegeben. Die Steigerung blieb insgesamt aber
leicht unter dem Anstieg des Verbraucherpreisindex, der seit dem Jahr
2000 etwa 30 Prozent betrug.

Im Nahverkehr macht die Bahn nur für etwa jede fünfte Kundenfahrt die
Preise selbst, bei den übrigen sind die regionalen Verkehrsverbünde
verantwortlich, die Länder und Kommunen vertreten. Im Nahverkehr
wurden Fahrkarten seit 2000 um etwa die Hälfte teurer.

Pressemitteilung ICE-Design

Bahn-Geschäftsbericht 2018 (pdf)