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Internet-Kriminalität Nur jede zehnte Straftat wird angezeigt

Internet-Kriminalität ist auch in Sachsen-Anhalt auf dem Vormarsch. Die Dunkelziffer der Straftaten ist laut LKA groß.

Von Matthias Fricke 21.08.2015, 01:01

Magdeburg l Pünktlich zum Fahrplanwechsel legte vor einigen Wochen ein Computervirus die Anzeigentafeln der Magdeburger Verkehrsbetriebe lahm. Erst nach einem Tag konnten die Computerspezialisten des städtischen Unternehmens die Störung wieder beseitigen. Inzwischen steht fest: Hackern war es gelungen, eine Sicherheitslücke im Computersystem der MVB zu finden, um dort eine sogenannte Schadsoftware zu installieren. „Mehr wollen wir aus ermittlungstaktischen Gründen aber noch nicht zu dem Fall sagen“, sagt der Direktor des Landeskriminalamtes Jürgen Schmökel. Solche sogenannten Cybercrime-Angriffe gibt es offensichtlich immer häufiger. Die Zahlen stiegen im vergangenen Jahr auf 2000. Im Vorjahr waren es noch 1714. Dazu zählen Computersabotage, Ausspähen von Daten, Computerbetrug und Diebstahl digitaler Identitäten. Hinzu kamen im vergangenen Jahr 8555 Straftaten, bei denen das Internet als Tatort genutzt wurde. In den vergangenen vier Jahren stiegen die Fälle um mehr als ein Drittel in beiden Bereichen. Schmökel: „Man muss kein Prophet sein, dass diese Zahlen in den nächsten Jahren auch weiter steigen werden.“

Er gehe außerdem von einem hohen Dunkelfeld aus. „Wir glauben, dass nur jede zehnte Straftat aus dem Internet überhaupt angezeigt wird“, sagt er. Die zunehmende Online-Kriminalität stelle an die Cyber-Polizisten besondere Voraussetzungen. Zum Beispiel müssten sich die inzwischen 60 Experten der forensischen Datenauswertung im „Cyber-Crime-Compentenz-Centrum“ (4C) im Landeskriminalamt kontinuierlich weiterbilden und mit den neuesten Entwicklungen der Software auseinandersetzen. Schmökel: „Es ist ein wenig wie beim Hasen und Igel. Wenn eine neue Internetanwendung auf den Markt kommt, haben nur kurze Zeit später die ersten Hacker die Sicherheitslücken entdeckt.“

Petra Paulick, Leiterin des „4C“: „Wir stoßen oft auch an Grenzen, weil die Daten oft von den Providern nur sieben Tage lang gespeichert werden. Manche machen es gar nicht. Es gibt ja leider auch noch keine gesetzliche Pflicht. Ohne IP-Adresse (identifizierbarer Code eines jeden Rechners) können wir nichts machen.“ Zudem würden bereits viele Kriminelle mit kleinen Programmen ihre Identität gut verschleiern. Auch die zu durchsuchenden Datenmengen nehmen zu. Insgesamt durchsuchten die Ermittler 227 Terabyte im vergangenen Jahr – fast doppelt so viele wie noch im vergangenen Jahr. Bis 2020 schätzen die Ermittler sogar einen Anstieg auf eine Datenmenge von 3000 zu durchsuchenden Terabyte.

Nach dem Bündeln der Kompetenz im Landeskriminalamt im Januar dieses Jahres will nun auch der Generalstaatsanwalt in Sachsen-Anhalt nachziehen. Jürgen Konrad: „Wir möchten das Fachwissen an einer Staatsanwaltschaft konzentrieren. Die letzte Entscheidung muss aber das Justizministerium treffen.“