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Müllskandal Blamage im Müll-Prozess

Richter verschicken fehlerhafte Briefe. Vernehmung erster Zeugen ist geplatzt.

10.09.2015, 23:01

Stendal l Es ist bereits zu einem festen Ritual geworden. Wenn im Prozess um die illegale Ablagerung von Hausmüll in der Tongrube Möckern ein neuer Verhandlungstag beginnt, fängt die Vorsitzende Richterin am Landgericht Stendal, Simone Henze-von Staden, erstmal an zu zählen. Mit nickendem Kopf wandern ihre Augen dann über die Bänke, auf der die sechs Angeklagten und 14 Verteidiger sitzen. Am dritten Verhandlungstag sollten danach eigentlich die ersten Zeugen gehört werden – doch daraus wurde am gestrigen Donnerstag nichts. Und dafür ist die Kammer offensichtlich selbst verantwortlich.

Die Verteidiger des ehemaligen Tongrubenbetreibers Edgar E. lehnten die Vernehmung von vier Zeugen ab. Der Grund: Die am vergangenen Freitag von der Kammer verschickte Ladung ging ihnen erst am Mittwoch zu. „Das ist zu spät. Die Verteidigung fühlt sich von der Spontanladung überrumpelt“, erklärte Rechtsanwalt Tobias Lubitz. Aus dem Schreiben an die Verteidigung ginge nicht hervor, zu welchem Thema die Zeugen befragt werden sollten. Es sei keine Zeit geblieben, Erkundungen einzuholen, sagte er. „Mein Mandant kann sich nur zusammenreimen, wozu die Zeugen aussagen sollen. Eine faire Verteidigung ist in diesem Fall nicht möglich“, so Lubitz.

Das ist noch nicht alles: Nach Informationen der Volksstimme enthält das von der Kammer verschickte Schriftstück außerdem eklatante Fehler. In dem Schreiben werden die Verteidiger von Edgar E. selbst als Angeklagte bezeichnet. Um nicht frühzeitig einen Revisionsgrund zu liefern, musste die Kammer zurückrudern. Die Zeugen werden später vernommen. „Ich habe gedacht, dass die Post die Verfügung schneller zustellen würde“, sagte Henze-von Staden. Für die falsche Anrede bitte sie um Entschuldigung, so die Vorsitzende Richterin. „Unsere Elektronische Datenverarbeitung ist komplett durcheinander“, begründete sie den Fauxpas. Der Computer produziere „überraschende“ Sachen.

Im Anschluss erklärte Volker Kuhle, Verteidiger des zweiten Hauptangeklagten Stefan S., dass sein Mandant unschuldig sei. „Der Betrieb war in vollem Umfang genehmigt“, sagte er. „Die Kriterien wurden eingehalten.“ Die Behörden seien über die Verfüllung informiert gewesen und hätten die Verfahrensweise bis 2008 nie in Frage gestellt, so Kuhle.

Um das zu beweisen, stellte der Rechtsanwalt den Antrag, Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) als Zeugen zu laden. Haseloff war bis 2011 Wirtschaftsminister. Ihm unterstand das Landesbergamt, das den Grubenbetreibern die Genehmigung zur Verfüllung erteilt hatte.