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IAA Im Zirkus der Mobilität

Auf der Leitmesse der Automobilbranche mischen drei Unternehmen aus Sachsen-Anhalt im Spiel der Großen mit.

22.09.2015, 23:01

Frankfurt am Main l Das selbstfahrende Auto zeigt, wie wir unsere Zeit sinnvoller als hinter dem Lenkrad verbringen können. In Werbefilmen der großen Hersteller sitzen sich die Insassen wie in einer Kutsche gegenüber. Im Auto der Zukunft ist Zeit für Entspannung, für das Zeitunglesen oder für das Abrufen von E-Mails. Selbstfahrende Autos würden den Straßenverkehr sicherer machen, sagen die Hersteller. Bis es so weit ist, setzen die Autokonzerne noch auf den Menschen, der sich in modernen Computern, die auch fahren können, fortbewegen soll.

In den neuen Modellen von Audi, BMW, Daimler und Volkswagen haben Blech und Motor mit datensammelnden Computern zusammengefunden. Die Hersteller verbauen in ihren Fahrzeugen Einparkhilfen, Spurassistenten, Abstandhalter oder Tempomate. Die Roboter-Autos kommunizieren mit ihrer Umwelt. Ein neuer Volkswagen erkennt, so ein Werbespruch, Fußgänger schneller als der Fahrer. Der Wagen wird so Teil eines digitalen Ökosystems, in dem alle möglichen Verkehrsteilnehmer miteinander kommunizieren. Die „Connectivity“, also Vernetzung, wird die technische Entwicklung bestimmen.

Auf die neue digitale Welt setzt auch Mifa, der Fahrradhersteller aus Sangerhausen (Landkreis Mansfeld-Südharz). „Die Automobilbranche entwickelt sich hin zu integralen Mobilitätslösungen. Dazu gehört auch das Fahrrad“, erklärt Matthias Herold, kaufmännischer Geschäftsführer von Mifa. In der neuen Welt, die sich derzeit noch im Kopf des Fahrradfachmannes abspielt, kommunizieren die Räder mit ihrer Umwelt. „Ganz flapsig gesagt, kann das Fahrrad dem Auto sagen: Vorsicht, ich stehe gerade neben dir im toten Winkel“, sagt Herold.

Die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer werde sich dadurch erhöhen. Möglich wird diese Entwicklung durch Technik, die sich bereits heute in den Zweirädern aus Sangerhausen wiederfindet. „Dadurch, dass wir bei Elektro-Fahrrädern, den E-Bikes, Strom zur Verfügung haben, ergeben sich viele Möglichkeiten, auch das Fahrrad in die Kommunikation einzubinden“, so der 54-Jährige.

Rund 400 000 Räder werden pro Jahr von Mifa produziert. Etwa zehn Prozent davon sind derzeit E-Bikes. Am Stand in Halle drei des Frankfurter Messegeländes präsentieren die Sachsen-Anhalter ausschließlich die Räder mit Elektroantrieb. Matthias Herold verspricht sich davon auch Kooperationen mit den Automobilkonzernen. „Es gibt Hersteller, die es möglich machen, ein Klapprad im Kofferraum zu verstauen“, sagt er. In den kommenden Jahren wird Mifa bei seinen Neuentwicklungen vor allem das Gewicht reduzieren. Kette und Schaltung werden durch neue Technik verzichtbar. Auch das Verwenden innovativer Materialien für den Rahmen soll die Zweiräder zu Leichtgewichten machen.

Eine Entwicklung, bei der sich Mifa mit den Großen der Automobilbranche vereint. Denn auch bei Audi oder Daimler gilt: Leichter ist besser. In Zeiten, in denen neue Modelle immer weniger verbrauchen sollen und die Reichweite bei Elektrofahrzeugen auch über Gewichtsreduzierung erhöht wird, müssen Automobile abspecken.

Für die Materialkur greifen viele Hersteller auf das Wissen und die Entwicklungsarbeit der Automobilzulieferer zurück. Hubert Koch ist Forschungschef des größten deutschen Aluminiumherstellers Trimet. Der Mann mit dem weißen Rauschebart ist Herr über eine 15-köpfige Entwicklungsmannschaft, die auch am Standort in Harzgerode (Landkreis Harz) an den Materialien von morgen tüftelt.

Auf der IAA zeigt Trimet unter anderem Zylindergehäuse, die dank der Verbindung zwischen Kupfer, Zink, Mangan und Aluminium eine bisher nie dagewesene Festigkeit erreichen. „Die Entwicklung ist noch nicht am Ende“, sagt Forscher Koch. „Das Periodensystem hat viele verschiedene Elemente. Die haben wir noch gar nicht alle ausprobiert“, so der 64-Jährige.

Am Stand von Ifa Rotorion könnte Geschäftsführer Felix von Nathusius die Neuentwicklung seiner Forschungsabteilung mühelos mit einer Hand hochhalten. Mit den neuen Hochleistungsgelenkwellen „Nitroprop“ drängt der Zulieferer aus Sachsen-Anhalt in den Motorsport. Bald sollen Autos der deutschen Rennserie DTM, der amerikanischen Nascar und der Rallye-Weltmeisterschaft mit den Wellen aus Haldensleben ihre Runden drehen. Die kleinste Carbonwelle der Serie bringt nur etwa zwei Kilogramm auf die Waage. Ein Zeichen für die Zukunft und wegweisend für die Produkte, die in Serie produziert werden, sagt von Nathusius.

„Aus der leichten Carbonwelle können wir Bauteile für unsere Serienwellen verwenden und so deutlich Gewicht reduzieren“, erklärt der Geschäftsführer. Ifa Rotorion hat längst erkannt, das Wachstum nur über Innovationen gelingen kann. Seit Jahren wächst die Forschungsabteilung der Haldensleber. Von dieser Innovationskraft ist auch der Wirtschaftsminister überzeugt, der die Firmen aus Sachsen-Anhalt am Montag besuchte. „Es ist wichtig, dass unsere Unternehmen auf dieser Leitmesse präsent sind und zeigen, dass wir eine leistungsfähige Industrie in diesem Bereich haben“, sagt Hartmut Möllring (CDU).

Wenn die großen Hersteller kommen, ihre Manegen öffnen und neue Modelle präsentieren, stehen die Zulieferer freilich nur in der zweiten Reihe. Felix von Nathusius sieht für sein Unternehmen dennoch Platz im großen Automobilzirkus. „Wir sind Teil dieser Industrie und die IAA ist die Leitmesse. Das ist eine einmalige Gelegenheit, uns zu positionieren und zu vernetzen“, erklärt der Geschäftsführer.

Noch bis Sonntag spielen die drei Unternehmen aus Sachsen-Anhalt im Zirkuszelt der Großen eine kleine Rolle. Dann schließt sich der Vorhang. 2016 ist die Branche wieder auf der kleineren Automobil International (Ami) in Leipzig zu Gast.