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CDU/SPD-Koalition Es kriselt weiter

Sachsen-Anhalts Koalitionsfraktionen können sich sich in der Asyl- und Flüchtlingspolitik nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.

Von Jens Schmidt 14.10.2015, 01:01

Magdeburg l Die Diskrepanz bleibt auch nach der Krisensitzung am Dienstag bestehen: Die CDU bleibt bei ihrem Ziel, die Zahl der Flüchtenden künftig zu begrenzen. Die SPD-Fraktion hingegen hält das für unrealistisch – vielmehr müsse sich Sachsen-Anhalt für absehbare Zeit auf jährlich 30 000 Flüchtlinge einstellen. Beide Fraktionen kamen aber überein, dem Nachtragshaushalt und dem Unterbringungskonzept der Regierung zuzustimmen, so dass die Regierungskoalition nicht zerbricht.

Sachsen-Anhalt erwartet in diesem Jahr etwa 30 000 Flüchtlinge. Die Regierung will bis zu 10 000 Plätze in vier Zentralen Erstaufnahmestellen (Zast) schaffen: in Halberstadt, Halle, Stendal und Magdeburg. Für Unterbringung und Integration sollen im Nachtragsetat 2015/16 etwa 700 Millionen Euro bereitgestellt werden. Das sind etwa 500 Millionen Euro mehr als ursprünglich vorgesehen.

Der Koalitionsstreit entzündete sich nach einem Volksstimme-Interview mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Haseloff hatte gesagt: „Unsere Belastungsgrenze ist definitiv erreicht.“ Während es für politisch Verfolgte keine Obergrenzen gebe, sollten für Kriegsflüchtlinge jedoch EU-weit geltende Kontingente eingerichtet werden. Damit eine Integration gut gelinge, seien für Sachsen-Anhalt jährliche Flüchtlingszahlen zwischen 8000 und 11 000 eine schulterbare Größe.

Die SPD hält Haseloffs Ansatz für falsch. SPD-Landes- und Fraktionschefin Katrin Budde teilte nach der Krisensitzung mit, es habe „kein befriedigendes Ergebnis“ gegeben. Sie keilte erneut gegen die CDU: „Politiker sind vor die Frage gestellt, wie wir mit der Flüchtlingsentwicklung und mit den Fragen aus der Bevölkerung umgehen – mit Realismus oder mit Populismus.“ Sachsen-Anhalts CDU versuche sich in hektischen Absetzbewegungen von der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin: „Damit beschädigt sie die Koalition, aber sie beschädigt vor allem auch sich selbst.“ SPD-Fraktionsvize Rüdiger Erben sagte: „Wir müssen den Leuten sagen, dass sich an 30 000 Flüchtlingen im Jahr auf absehbare Zeit nicht viel ändern wird.“ Und: „Das ist keine Aufforderung zur Flucht, sondern ein Anerkennen der Realität.“

CDU-Fraktionschef André Schröder sagte hingegen: „Die Erstaufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern nach dem geltenden Verteilungsschlüssel unter den Bundesländern wollen wir genauso sicherstellen wie die Erstattung kommunaler Kosten und die Schaffung von Integrations-Voraussetzungen für eine gelingende Integration.“ Gleichzeitig bleibe es das Ziel der CDU, die hohen Zahlen Einreisewilliger nach Deutschland künftig stärker zu begrenzen. Schröder: „Eine politische Festschreibung von Mindestzahlen aufzunehmender Flüchtlinge für die kommenden Jahre in Sachsen-Anhalt, wie von der SPD gefordert, lehnen wir klar ab.“

Der Kurs der SPD-Spitze ist auch in den eigenen Reihen umstritten. Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) hält die flüchtlingspolitische Linie seiner Parteichefin für realitätsfern. Er stützt Haseloffs Ruf nach einer Begrenzung. Buddes Kritik daran sei „nicht nachvollziehbar“, sagte er. Trümper macht das am Nachtragsetat fest. Die für die Kommunen eingeplanten 215 Millionen Euro Asylbewerberleistungen im nächsten Jahr würden nicht für 30 000 weitere Flüchtlinge ausreichen. Dafür seien mindestens 335 Millionen Euro nötig. „Dem widerspreche ich ausdrücklich“, sagte SPD-Fraktionsvize Erben. 2016 würden deutlich mehr Flüchtlinge viel länger in den Erstaufnahmestellen des Landes verbleiben als in diesem Jahr. „Die Kosten in der Erstaufnahme trägt das Land und nicht die Kommunen.“

Landräte und Oberbürgermeister waren am Dienstag bei Ministerpräsident Haseloff. „Wir lassen die Kommunen nicht hängen, sagte der Regierungschef danach. Kommunalvertreter hatten in dieser Woche erklärt, dass die vorgesehene jährliche Pauschale von 8600 Euro pro Flüchtling nicht ausreiche. Ihrer Ansicht nach muss diese Summe auf 10 600 Euro erhöht werden. Haseloff sagte zu, die Pauschalen der aktuellen Entwicklung anzupassen. Es müsse regelmäßig nachgesteuert werden.